Berlin. Hartz IV steht wieder auf dem Prüfstand: Die SPD will die Sanktionen lockern – jedenfalls für junge Menschen. Das stößt auf Kritik.

Die SPD hält eine Entschärfung der Hartz-IV-Sanktionen für junge Menschen für geboten. Grundsätzlich will sie aber – wie auch die Union – daran festhalten, dass die Bezüge gekürzt werden, wenn Hartz-IV-Bezieher etwa Termine im Jobcenter nicht wahrnehmen.

„Verschärfte Sanktionen für junge Menschen sind keinesfalls sinnvoll, aber eine generelle Abschaffung von Sanktionen halte ich für schwierig“, sagte SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles der „Frankfurter Rundschau“.

Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) betonte: „Wir halten an den Sanktionen im SGB II (Sozialgesetzbuch) fest.“ Wer die Solidarität der Gemeinschaft zur Sicherung seiner Lebenshaltungskosten in Anspruch nehme, habe die Verpflichtung zur Mitwirkung, sagte der frühere Gesundheitsminister der „Rheinischen Post“. Auch Nahles will am Prinzip „Fordern und Fördern“ festhalten, wie sie sagte.

Zahl der Hartz-Sanktionen 2017 gestiegen

Nahles` Nachfolger als Arbeitsminister, Hubertus Heil (SPD), hatte eine Prüfung der Hartz-IV-Sanktionen angekündigt. Im vergangen Jahr war die Zahl der Sanktionen um rund 13.700 auf knapp 953.000 gestiegen.

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    Heil sagte der Wochenzeitung „Die Zeit“: „Ich halte es nicht für sinnvoll, dass – wie es derzeit der Fall ist – für Jüngere strengere Regeln gelten als für Ältere. Oder dass das Wohngeld gekürzt wird und die Leute auf der Straße stehen.“ Grundsätzlich seien Kürzungen aber in Ordnung, weil die Gesellschaft für Unterstützung eine Gegenleistung erwarten könne.

    Rund drei Viertel der Sanktionen werden wegen Meldeversäumnissen verhängt – wenn also beispielsweise jemand einen Termin beim Jobcenter ohne Angabe eines wichtigen Grundes nicht wahrnimmt. Menschen unter 25 Jahren sind von den Sanktionen stärker betroffen. Das Gesetz sieht bei Jugendlichen bereits beim ersten Verstoß, der über ein Meldeversäumnis hinausgeht, eine hundertprozentige Sanktion der Leistung vor.

    Heil will Hartz-Bezüge überprüfen

    Nahles hatte als Ministerin unter 25-Jährige nicht mehr strenger behandeln wollen als Ältere, war aber vor allem am Widerstand Bayerns gescheitert. CSU-Chef Horst Seehofer hatte 2014 dazu gesagt: „Wir können jetzt nicht das tragende Element des Forderns von Arbeitslosen aufweichen.“

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    Andrea Nahles war lange die starke Frau der SPD: Seit April 2018 war sie Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – als erste Frau. Seit September 2017 war sie bereits Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Von beiden Ämtern wird sie zurücktreten, wie sie am Sonntag ankündigte. Wir zeigen Bilder aus ihrem politischen und privaten Leben.
    Andrea Nahles war lange die starke Frau der SPD: Seit April 2018 war sie Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands – als erste Frau. Seit September 2017 war sie bereits Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag. Von beiden Ämtern wird sie zurücktreten, wie sie am Sonntag ankündigte. Wir zeigen Bilder aus ihrem politischen und privaten Leben. © dpa | Martin Gerten
    Andrea Nahles wurde am 20. Juni 1970 in Mendig (Rheinland-Pfalz) geboren. Sie studierte Literatur- und Politikwissenschaften und ist seit 1988 Mitglied der SPD. Von 1993 bis 1995 war sie Landesvorsitzende der Jungsozialisten in Rheinland Pfalz. Von 1995 bis 1999 dann Bundesvorsitzende der Jusos.
    Andrea Nahles wurde am 20. Juni 1970 in Mendig (Rheinland-Pfalz) geboren. Sie studierte Literatur- und Politikwissenschaften und ist seit 1988 Mitglied der SPD. Von 1993 bis 1995 war sie Landesvorsitzende der Jungsozialisten in Rheinland Pfalz. Von 1995 bis 1999 dann Bundesvorsitzende der Jusos. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Andreas Altwein
    Andrea Nahles und der damalige SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine im November 1996.
    Andrea Nahles und der damalige SPD-Bundesvorsitzende Oskar Lafontaine im November 1996. © REUTERS /
    Nahles war erstmals von 1998 bis 2002 und ist erneut seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1997 bis 2013 war sie Mitglied im SPD-Parteivorstand.
    Nahles war erstmals von 1998 bis 2002 und ist erneut seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages. Von 1997 bis 2013 war sie Mitglied im SPD-Parteivorstand. © REUTERS /
    Im Mai 2007 wurde Nahles gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier (M.) und Peer Steinbrück vom SPD-Parteivorstand für das Amt der stellvertretenden Parteivorsitzenden nominiert. Am 26. Oktober 2007 wurde sie von 74,8 Prozent der Parteitagsdelegierten in dieses Amt gewählt. Dafür gab es rote Rosen. Das Amt hatte sie von 2007 bis 2009 inne.
    Im Mai 2007 wurde Nahles gemeinsam mit Frank-Walter Steinmeier (M.) und Peer Steinbrück vom SPD-Parteivorstand für das Amt der stellvertretenden Parteivorsitzenden nominiert. Am 26. Oktober 2007 wurde sie von 74,8 Prozent der Parteitagsdelegierten in dieses Amt gewählt. Dafür gab es rote Rosen. Das Amt hatte sie von 2007 bis 2009 inne. © Getty Images | Sean Gallup
    Die praktizierende Katholikin ist Mutter einer Tochter.
    Die praktizierende Katholikin ist Mutter einer Tochter. © Meike Boeschemeyer
    Von ihrem Ehemann – dem Kunsthistoriker Marcus Frings – lebt sie seit Anfang 2016 getrennt.
    Von ihrem Ehemann – dem Kunsthistoriker Marcus Frings – lebt sie seit Anfang 2016 getrennt. © Getty Images | Sean Gallup
    Am 17. Dezember 2013 wurde Nahles von dem ehemaligen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales vereidigt.
    Am 17. Dezember 2013 wurde Nahles von dem ehemaligen Parlamentspräsidenten Norbert Lammert zur Bundesministerin für Arbeit und Soziales vereidigt. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
    Im Bundestagswahlkampf 2017 machte Nahles sich für den damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz stark.
    Im Bundestagswahlkampf 2017 machte Nahles sich für den damaligen Kanzlerkandidaten Martin Schulz stark. © Getty Images | Carsten Koall
    Seit dem 27. September 2017, drei Tage nach der Bundestagswahl, ist Andrea Nahles Vorsitzende der SPD-Bundesfraktion.
    Seit dem 27. September 2017, drei Tage nach der Bundestagswahl, ist Andrea Nahles Vorsitzende der SPD-Bundesfraktion. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen am 7. Februar gab Schulz seinen Rücktritt vom Parteivorsitz bekannt – und machte den Weg für Andrea Nahles als seine Nachfolgerin frei.
    Nach dem Ende der Koalitionsverhandlungen am 7. Februar gab Schulz seinen Rücktritt vom Parteivorsitz bekannt – und machte den Weg für Andrea Nahles als seine Nachfolgerin frei. © dpa | Kay Nietfeld
    Es war kein starkes Ergebnis – nur gut 66 Prozent stimmten beim Parteitag am 22. April 2018 für Andrea Nahles als Parteivorsitzende.
    Es war kein starkes Ergebnis – nur gut 66 Prozent stimmten beim Parteitag am 22. April 2018 für Andrea Nahles als Parteivorsitzende. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Damit war Andrea Nahles die erste Frau an der Spitze der SPD. Am Sonntag kündigte sie ihren Rücktritt als SPD-Vorsitzende für den 3. Juni 2019 und als SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende am 4. Juni 2019 an. Außerdem wurde bekannt, dass Nahles in naher Zukunft auch ihr Bundestagsmandat niederlegen und sich komplett aus der Politik zurückziehen will.
    Damit war Andrea Nahles die erste Frau an der Spitze der SPD. Am Sonntag kündigte sie ihren Rücktritt als SPD-Vorsitzende für den 3. Juni 2019 und als SPD-Bundestagsfraktionsvorsitzende am 4. Juni 2019 an. Außerdem wurde bekannt, dass Nahles in naher Zukunft auch ihr Bundestagsmandat niederlegen und sich komplett aus der Politik zurückziehen will. © Reto Klar | Reto Klar
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    Gegenwind bekam Heil für seine ebenfalls in dem Interview gemachte Ankündigung, eine Erhöhung der Hartz-IV-Bezüge zu prüfen. Der Sozialexperte der FDP-Fraktion, Pascal Kober, mahnte: „Eine willkürliche Festlegung der Regelsätze, wie sie Hubertus Heil ankündigt, wurde in der Vergangenheit bereits vom Bundesverfassungsgericht moniert.“ Heil sollte die Ergebnisse der offiziellen Berechnungsgrundlage für Hartz, der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe, dieses Jahr abwarten und fundierte Sätze berechnen, sagte Kober der Deutschen Presse-Agentur. Derzeit liegt der Regelsatz für einen Alleinstehenden bei 416 Euro im Monat.

    Der Sozialverband VdK Deutschland hingegen verlangt spürbar höhere Hartz-Leistungen. „Die Erhöhung der Regelsätze ist ein wirksames Mittel im Kampf gegen Armut, da die bisherigen Regelsätze künstlich kleingerechnet sind und nicht das Existenzminimum abdecken“, sagte VdK-Präsidentin Ulrike Mascher der dpa. „Bei korrekter Herleitung der Regelsätze müssten diese um circa 20 Prozent angehoben werden.“ (dpa)