Berlin. Der Fall Puigdemont ist ein im Kern politischer Konflikt. Deshalb sollten es auch Politiker sein, die ihn lösen – und nicht Richter.

Für Carles Puigdemont hat sich die Flucht nach Deutschland gelohnt. Hier ist der katalanische Separatistenführer vor einer Anklage wegen Rebellion sicher.

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Catalonia's former leader Carles Puigdemont looks on as he leaves the prison in Neumuenster, Germany, April 6, 2018. A German court on Thursday rejected an extradition request for Puigdemont on the charge of rebellion for his role in the campaign for the region's independence. REUTERS/Fabian Bimmer
Von Julia Emmrich, Yannick Ramsel und Ralph Schulze

Ob Spanien noch an seiner Auslieferung interessiert ist (eine Frage der Opportunität), ob der Katalane sich nicht früher oder später doch in ein anderes EU-Land absetzen wird, schließlich, ob beide Seiten, spanischer Zentralstaat und Separatisten, zur Besinnung kommen.

Ein im Kern politischer Konflikt – nach dem

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– sollte von Politikern, nicht von Richtern gelöst werden. Wird die Justiz instrumentalisiert, verfault das Wurzelwerk der Demokratie. Der Versuch allein wäre schon schändlich.

Bundesregierung hat alles richtig gemacht

Europäische Auslieferungsverfahren wiederum sind seit Jahren alleinige Aufgabe der Justiz. Auf diese Weise müssen sich Regierungen nicht in heikle Verfahren einmischen. Die Trennung von Politik und Verfahren war in Puigdemonts Fall von Anfang an das Leitprinzip der Bundesregierung. Sie lag damit richtig.

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    Wer nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts in Schleswig daran noch Zweifel hat, sollte folgendes Szenario durchspielen: Was wäre, wenn Justizministerin Katarina Barley entschieden hätte, den katalanischen Politiker nicht wegen Rebellion nach Spanien auszuliefern? Die Folge wären gegenseitige Schuldzuweisungen und ein politischer Klimasturz gewesen. Nun aber können beide Regierungen ihre Hände in Unschuld waschen. Das deutsch-spanische Verhältnis wird keinen irreparablen Schaden erleiden.

    Auslieferung allenfalls wegen Untreue ist ein Fingerzeig

    Puigdemont war unbehelligt durch Finnland, Schweden und Dänemark gereist, obwohl ein Haftbefehl vorlag. Ein Schelm, wer sich Böses dabei denkt. Man hat es als Verlegenheit empfunden, dass er nicht in Skandinavien, sondern den deutschen Fahndern ins Netz lief. Aber die Justiz fand einen brillanten Ausweg. Sie hat auf der einen Seite nicht den europäischen Haftbefehl entwertet. Auf der anderen Seite ist die Entscheidung,

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    ein Fingerzeig.

    Der Vorwurf der Rebellion war von Anfang an konstruiert. Dazu wurde unterstellt, dass Puigdemont nach dem Referendum Gewalt in Kauf genommen habe. Das aber ist an den Haaren herbeigezogen. Mit der Begründung könnte man auch jeden, der zu einer Demonstration aufruft, für spätere Gewalt zur Rechenschaft ziehen. Zudem hatte Puigdemont nachweislich zu friedlichen Protesten aufgerufen.

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      Misstrauenserklärung gegenüber der spanischen Justiz

      Vor allem: Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Der Druck war nach der Analyse der Richter nie so übermächtig, dass die Verfassungsorgane zur Kapitulation gezwungen worden wären. Anders gesagt: Die deutschen Richter haben einen wichtigen Grundsatz angemahnt, nämlich das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Dass sie das tun mussten, ist an sich ein Vorgang: eine Misstrauenserklärung gegenüber der spanischen Justiz. Diese muss sich viele Fragen stellen.

      Kann es richtig sein, dass mit Puigdemont ausgerechnet der Hauptverantwortliche für das verfassungswidrige Referendum ein milderes Urteil bekommt als die Mitstreiter, die sich gestellt haben und in Spanien im Gefängnis sitzen? Ihnen drohen bis zu 30 Jahre Haft, ihm „nur“ noch acht Jahre wegen Veruntreuung.

      Deutsche Entscheidung ist Chance für Neuanfang

      Den Streitparteien bietet die deutsche Entscheidung die Chance, die Uhr auf null zu stellen und den einzig richtigen Prozess anzustoßen: einen politischen. Dann hätte die Causa Puigdemont etwas Gutes gehabt, eine befriedende Wirkung, ein Ende der Unversöhnlichkeit. Zu wünschen wäre es. Zu ihrem Glück zwingen kann man Spanier und Katalanen nicht.