Tel Aviv/Berlin. Saudi-Arabiens Thronfolger Mohammed bin Salman spricht Israel das Recht auf einen eigenen Staat zu. Das ist ein historischer Schritt.

Als „Frenemies“ – auf Deutsch in etwa: ziemlich beste Feinde – hatten israelische Diplomaten die arabischen Regierungen am Persischen Golf bisher bezeichnet. Seit längerem unterhält der jüdische Staat geheime Verbindungen zu diesen Ländern, aber eben keine offiziellen diplomatischen Beziehungen. Das könnte sich bald ändern.

In einem Interview mit dem US-Magazin „The Atlantic“ hat der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (Spitzname MbS) Israel erstmals das Recht auf einen Staat zugesprochen. Der zurzeit wahrscheinlich mächtigste Mann in der arabischen Welt sagte: „Ich glaube, dass

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das Recht auf ihr eigenes Land haben.“

Saudi-Arabien und Israel haben gemeinsame Interessen

Es bedürfe jedoch eines Friedensabkommens, sein Land habe religiöse Sorgen wegen des Schicksals der heiligen Moschee in Jerusalem und wegen der Rechte der Palästinenser, schränkte MbS ein. Israel sei aber eine große und wachsende Wirtschaftsmacht, und es gebe natürlich viele Interessen, die man miteinander teile. Das gelte im Falle eines Friedens mit den Palästinensern für alle Golfstaaten sowie Ägypten und Jordanien.

Die Interessen, die der 32-Jährige ansprach, sind vor allem geostrategischer Natur. Saudi-Arabien begreift sich als die regionalpolitische Nummer eins und als Schutzmacht der Sunniten. Das Königreich fürchtet – insbesondere seit der Islamischen Revolution im Iran 1979 – eine Expansion des Mullah-Regimes. Der Albtraum in Riad: Teherans Ambitionen, eine schiitische Achse zu errichten, die vom Iran über den Irak und Syrien bis in den Libanon reicht.

Hier berühren sich die Interessen Saudi-Arabiens und Israels: Beide werfen dem Iran die Unterstützung schiitischer Milizen im Libanon und in Syrien (Hisbollah) und im Jemen (Huthis) vor. Beide hätten es am liebsten, wenn US-Präsident Donald Trump im Mai das internationale

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kündigen würde.

Experten ziehen Vergleiche zu Europa nach Zweitem Weltkrieg

„Die Äußerung des Kronprinzen ist zwar neu, aber keine Überraschung“, betont Mohammed al-Kassim, Korrespondent beim israelischen Sender I24. Schon lange brächten fundamentale gemeinsame Interessen die offiziell verfeindeten Parteien zusammen.

Schmuel Sandler von der israelischen Denkfabrik Begin-Sadat-Center for Strategic Studies sagt: „Israel hat seit mehr als zehn Jahren Beziehungen zu den Saudis und anderen Golfstaaten, alles wegen des gemeinsamen Feindes Iran.“ Er sieht darin „die einzige Hoffnung“ für eine Lösung im israelisch-arabischen Konflikt. Sandler: „Man kann das mit Europa nach dem Zweiten Weltkrieg vergleichen. Dort wurde eine dauerhafte Friedensordnung geschaffen, weil sich ehemals verfeindete Staaten gegen die Sowjetunion verbündeten.“

Bald auch Austausch von Geheimdienst-Informationen?

Verschiedene Geheimdokumente, die die Enthüllungsplattform Wikileaks in den vergangenen Jahren publiziert hatte, zeigten bereits Verbindungen zwischen den Saudis und Israels Auslandsgeheimdienst Mossad, geheime Wirtschafts- und Rüstungsdeals sowie eine Reihe von politischen Treffen. Israels Energieminister Juval Steinitz sagte im November, sein Land habe geheime Verbindungen zu „vielen“ arabischen und muslimischen Staaten, werde diese aber nicht offenlegen, aus Rücksicht auf die andere Seite. Erst kürzlich erklärte der israelische Generalstabschef Gadi Eizenkot auf einer saudi-arabischen Nachrichtenseite, Israel sei bereit, Geheimdienst-Informationen mit Riad auszutauschen.

Zuletzt sollen sich israelische und saudische Offizielle Anfang März in Kairo getroffen haben, um unter ägyptischer Vermittlung Trumps Friedensplan zu besprechen. Der US-Präsident pflegt besonders enge Beziehungen zu MbS und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu. Trump hatte immer wieder die Rolle der arabischen Staaten bei einem möglichen israelisch-palästinensischen Deal betont. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas soll geschockt auf Punkte des Friedensplans reagiert haben, den ihm der Kronprinz im November bei einem Besuch in Riad präsentiert habe.

Darum ist Jerusalem als Hauptstadt so umstritten

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    Palästinenser abhängig von Hilfszahlungen der Saudis

    Das Treffen ist durch keinen Bericht dokumentiert. Aber inoffiziell heißt es, dass den Palästinensern in dem Plan eine Hauptstadt in Ost-Jerusalem verwehrt werde. Auch sollen sie bei Fragen der Sicherheitshoheit, des Staatsgebiets und der Flüchtlinge entscheidende Zugeständnisse machen, die sie gegenüber der eigenen Bevölkerung wohl kaum verantworten könnten. Der Journalist Mohammed al-Kassim ist trotzdem sicher: „Mit lauter Kritik der Palästinenser ist nicht zu rechnen, denn sie sind wirtschaftlich von den Hilfszahlungen der Saudis abhängig. Jeden Monat werden Millionen Dollar nach Ramallah überwiesen.“

    Eine ägyptische Zeitung hatte von massivem Druck berichtet, den mehrere arabische Führer auf Abbas ausgeübt hätten, um den Trump-Plan zu akzeptieren. MbS’ Vater, König Salman, der gerüchteweise bald abtreten soll, bestätigte am Dienstag „die unerschütterliche Position“ des Königreichs beim Engagement für die Palästinenser und ihr Recht auf „einen unabhängigen Staat mit

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    Doch das dürfte die Verantwortlichen in der Autonomiebehörde nicht beruhigen. So viel scheint klar: Das Interesse der arabischen Regierungen an der ­palästinensischen Sache schwindet.

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    Der Felsendom in Jerusalem: Die goldene Kuppel wirkt wie ein Wahrzeichen für die ganze Stadt. Es handelt sich bei dem Bauwerk um eines der Heiligtümer des Islam. In Israel liegen die heiligen Stätten von Judentum, Christentum und Islam. Wir zeigen sie.
    Der Felsendom in Jerusalem: Die goldene Kuppel wirkt wie ein Wahrzeichen für die ganze Stadt. Es handelt sich bei dem Bauwerk um eines der Heiligtümer des Islam. In Israel liegen die heiligen Stätten von Judentum, Christentum und Islam. Wir zeigen sie. © Getty Images | Spencer Platt
    Nahe des Felsendoms (mit goldener Kuppel) befindet sich die Al-Aksa-Moschee mit dunkler Kuppel. Sie ist die drittwichtigste Moschee des Islam.
    Nahe des Felsendoms (mit goldener Kuppel) befindet sich die Al-Aksa-Moschee mit dunkler Kuppel. Sie ist die drittwichtigste Moschee des Islam. © Getty Images | Spencer Platt
    Der Tempelberg befindet sich im südöstlichen Teil der Altstadt von Jerusalem.
    Der Tempelberg befindet sich im südöstlichen Teil der Altstadt von Jerusalem. © dpa | Oded Balilty
    Die Grabeskirche in der Altstadt: Sie gilt als das wichtigste Heiligtum des Christentums. Laut Überlieferung wurde Jesus Christus hier nach seiner Kreuzigung begraben. Traditionell feiern Gläubige dort auch das Osterereignis: die Auferstehung Christi.
    Die Grabeskirche in der Altstadt: Sie gilt als das wichtigste Heiligtum des Christentums. Laut Überlieferung wurde Jesus Christus hier nach seiner Kreuzigung begraben. Traditionell feiern Gläubige dort auch das Osterereignis: die Auferstehung Christi. © DEBBIE HILL | Debbie Hill
    Blick ins Innere der Basilika.
    Blick ins Innere der Basilika. © picture alliance/AP Photo | dpa Picture-Alliance / Dusan Vranic
    Die Golgotakapelle mit dem griechisch-orthodoxen Kreuzigungsaltar in der Grabeskirche. Das aramäische Wort Golgota (Golgatha) bedeutet Schädel, die Bezeichnung für eine Felsformation, die die Form eines Schädels aufwies. Zwischen den Säulen, die die Altarplatte tragen, befindet sich das Felsloch, in dem das Kreuz gestanden haben soll, an dem Jesus starb. Viele Gläubige kriechen an diese Stelle unter die Altarplatte. Die Kapelle ist die 14. Station der Via Dolorosa.
    Die Golgotakapelle mit dem griechisch-orthodoxen Kreuzigungsaltar in der Grabeskirche. Das aramäische Wort Golgota (Golgatha) bedeutet Schädel, die Bezeichnung für eine Felsformation, die die Form eines Schädels aufwies. Zwischen den Säulen, die die Altarplatte tragen, befindet sich das Felsloch, in dem das Kreuz gestanden haben soll, an dem Jesus starb. Viele Gläubige kriechen an diese Stelle unter die Altarplatte. Die Kapelle ist die 14. Station der Via Dolorosa. © © epd-bild / Norbert Neetz | Norbert Neetz
    Die Via Dolorosa: In der Jerusalemer Altstadt erinnern am Karfreitag Tausende christliche Pilger auf dem Weg des Schmerzen an das Leiden und Sterben Jesu.
    Die Via Dolorosa: In der Jerusalemer Altstadt erinnern am Karfreitag Tausende christliche Pilger auf dem Weg des Schmerzen an das Leiden und Sterben Jesu. © REUTERS | REUTERS / AMIR COHEN
    Die Strecke vom Löwentor bis zur Grabeskirche soll in biblischer Zeit den Amtssitz des römischen Stadthalters Pontius Pilatus mit der Hinrichtungsstätte auf dem Hügel Golgotha verbunden haben. Wie Jesus schultern viele Gläubige auf der Via Dolorosa ein Holzkreuz.
    Die Strecke vom Löwentor bis zur Grabeskirche soll in biblischer Zeit den Amtssitz des römischen Stadthalters Pontius Pilatus mit der Hinrichtungsstätte auf dem Hügel Golgotha verbunden haben. Wie Jesus schultern viele Gläubige auf der Via Dolorosa ein Holzkreuz. © © epd-bild / Debbie Hill | Debbie Hill
    Die Klagemauer in Jerusalem: Sie gilt als eine der wichtigsten heiligen Stätten des Judentums.
    Die Klagemauer in Jerusalem: Sie gilt als eine der wichtigsten heiligen Stätten des Judentums. © © epd-bild / Fröhlich | Fröhlich
    Papst Franziskus bei seinem Besuch der Klagemauer im Mai 2014. Das Foto zeigt ihn, wie er ein Bittgesuch um Frieden in die Ritzen des Bauwerks steckt. Das machen auch viele andere Gläubige.
    Papst Franziskus bei seinem Besuch der Klagemauer im Mai 2014. Das Foto zeigt ihn, wie er ein Bittgesuch um Frieden in die Ritzen des Bauwerks steckt. Das machen auch viele andere Gläubige. © epd | Osservatore Romano
    Der Garten Gethsemane („Ölpresse“) am Fuße des Ölberges in Jerusalem: Hier soll  Jesus vor seiner Festnahme gebetet haben und durch den Judaskuss verraten worden sein.
    Der Garten Gethsemane („Ölpresse“) am Fuße des Ölberges in Jerusalem: Hier soll Jesus vor seiner Festnahme gebetet haben und durch den Judaskuss verraten worden sein. © epd | Gerold Meppelink
    Die „Kirche aller Nationen“ steht im Garten Gethsemane. Auch bekannt als Todesangstbasilika entstand sie mit Spenden vieler Nationen zwischen 1919 und 1924.
    Die „Kirche aller Nationen“ steht im Garten Gethsemane. Auch bekannt als Todesangstbasilika entstand sie mit Spenden vieler Nationen zwischen 1919 und 1924. © © epd-bild / Norbert Neetz | Norbert Neetz
    Die Himmelfahrtskapelle liegt auf der höchsten Stelle des Ölberges. Der Überlieferung zufolge soll Jesus Christus von hier aus zum Himmel aufgefahren sein.
    Die Himmelfahrtskapelle liegt auf der höchsten Stelle des Ölberges. Der Überlieferung zufolge soll Jesus Christus von hier aus zum Himmel aufgefahren sein. © © epd-bild / Fröhlich | Fröhlich
    Im Inneren der Kapelle ist der angeblich letzte Fußabdruck Jesu zu sehen.
    Im Inneren der Kapelle ist der angeblich letzte Fußabdruck Jesu zu sehen. © epd | Gerold Meppelink
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    Ein weiteres Zeichen israelisch-saudischer Annäherungen hatte es vorletzte Woche gegeben, als eine Boeing 787 von Air India als erste Maschine die Erlaubnis erhielt, auf einem Flug von Indien nach Tel Aviv durch saudischen Luftraum zu fliegen. Premier Netanjahu sagte danach weitere „riesige“ Entwicklungen voraus. Die Worte des Kronprinzen könnten dazugehören.