Jerusalem. Die USA verlegen ihre Botschaft in Israel im Mai nach Jerusalem. Dort werden die Gräben zwischen den Bevölkerungsgruppen noch tiefer.

Die Bürokratie hätte den Triumph beinahe noch verhindert. Eine drei Meter hohe Mauer wollten die Amerikaner um ihre diplomatische Vertretung im Jerusalemer Stadtteil Arnona bauen, außerdem eine neue Straße als Fluchtweg. Doch weil das gegen die Bauvorschriften verstieß, musste Finanzminister Mosche Kahlon in dieser Woche erst noch eine Ausnahmegenehmigung unterschreiben. Jetzt können die Arbeiten losgehen.

Am 14. Mai, dem 70. Jahrestag der israelischen Unabhängigkeitserklärung,

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Im Dezember 2017 hat der amerikanische Präsident Donald Trump Jerusalem offiziell als israelische Hauptstadt anerkannt.

Für Regierungschef Benjamin Netanjahu ist das ein politischer Sieg. Wie viele Israelis sieht er in Jerusalem die „ewige, unteilbare Hauptstadt“ seines Landes. So steht es auch in einem Gesetz von 1980, das den West- und den 1967 im Sechs-Tage-Krieg eroberten Ostteil der Stadt für vereinigt erklärte. Die meisten Staaten haben diesen Schritt aber nicht anerkannt, weil der völkerrechtliche Status der Stadt noch nicht definitiv geklärt ist.

Zahl arabischer Einwohner Jerusalems wächst

Doch an den Realitäten wird auch die politische Geste der Amerikaner nichts ändern. „Jerusalem bleibt faktisch eine geteilte Stadt“, sagt Rami Nasrallah. Er leitet das International Peace and Cooperation Center, das sich für die Belange der palästinensischen Bewohner der Stadt einsetzt. Das Institut liegt auf annektiertem arabischen Gebiet, auf dem die Israelis nach 1967 den jüdischen Stadtteil French Hill gebaut haben. Es ist eines in einer ganzen Reihe neuer Viertel mit jüdischen Wohngebieten, die den arabischen Teil der Metropole zerschneiden. Ziel war auch die Sicherung einer jüdischen Bevölkerungsmehrheit.

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    „Unser altes Gebiet ist fraktioniert, Vororte wurden von der Stadt abgetrennt“, erklärt Nasrallah. Das gilt umso mehr für die Gegenden hinter der Sperrmauer. Mit deren Bau haben die Israelis 2002 während der Zweiten Intifada begonnen. Trotz dieser Maßnahmen sind mittlerweile rund 40 Prozent der 865.000 Einwohner Jerusalems Araber, ein Ergebnis der hohen Geburtenrate.

    1967 lag ihr Anteil noch bei 25 Prozent. Die arabischen Bewohner Ost-Jerusalems haben zwar keinen israelischen Pass. Ihr blaues Ausweisdokument berechtigt sie aber, bestimmte Dienstleistungen der Stadtverwaltung – vor allem ärztliche Versorgung und Bildung – in Anspruch zu nehmen. Und sie könnten an den Lokalwahlen Ende des Jahres teilnehmen.

    76 Prozent der Palästinenser unter der Armutsgrenze

    Ost-Jerusalem sollte Hauptstadt eines unabhängigen palästinensischen Staates werden. Das war das Ziel. Doch weil diese Hoffnung schwindet, könnten sich die 280.000 wahlberechtigten Araber nun umorientieren. „Sie könnten die politischen Verhältnisse auf den Kopf stellen“, sagt Israel Kimhi, der am Jerusalem Institute for Policy Research den Forschungsbereich für Jerusalem-Studien leitet. 76 Prozent der Palästinenser in Ost-Jerusalem leben unter der Armutsgrenze. Arabische Abgeordnete könnten das ändern.

    Um ihren Weg zur Macht zu blockieren, wollen Mitglieder von Netanjahus rechter Regierungskoalition die arabischen Stadtteile hinter der Sperrmauer aus dem Jerusalemer Verwaltungsgebiet heraustrennen und in eine neu zu gründende Verwaltung übertragen. Hier hat der israelische Staat gegenwärtig ohnehin nur begrenzten Einfluss, und auch die palästinensische Autonomiebehörde ist nicht zuständig.

    Das sind die heiligen Stätten Jerusalems

    Der Felsendom in Jerusalem: Die goldene Kuppel wirkt wie ein Wahrzeichen für die ganze Stadt. Es handelt sich bei dem Bauwerk um eines der Heiligtümer des Islam. In Israel liegen die heiligen Stätten von Judentum, Christentum und Islam. Wir zeigen sie.
    Der Felsendom in Jerusalem: Die goldene Kuppel wirkt wie ein Wahrzeichen für die ganze Stadt. Es handelt sich bei dem Bauwerk um eines der Heiligtümer des Islam. In Israel liegen die heiligen Stätten von Judentum, Christentum und Islam. Wir zeigen sie. © Getty Images | Spencer Platt
    Nahe des Felsendoms (mit goldener Kuppel) befindet sich die Al-Aksa-Moschee mit dunkler Kuppel. Sie ist die drittwichtigste Moschee des Islam.
    Nahe des Felsendoms (mit goldener Kuppel) befindet sich die Al-Aksa-Moschee mit dunkler Kuppel. Sie ist die drittwichtigste Moschee des Islam. © Getty Images | Spencer Platt
    Der Tempelberg befindet sich im südöstlichen Teil der Altstadt von Jerusalem.
    Der Tempelberg befindet sich im südöstlichen Teil der Altstadt von Jerusalem. © dpa | Oded Balilty
    Die Grabeskirche in der Altstadt: Sie gilt als das wichtigste Heiligtum des Christentums. Laut Überlieferung wurde Jesus Christus hier nach seiner Kreuzigung begraben. Traditionell feiern Gläubige dort auch das Osterereignis: die Auferstehung Christi.
    Die Grabeskirche in der Altstadt: Sie gilt als das wichtigste Heiligtum des Christentums. Laut Überlieferung wurde Jesus Christus hier nach seiner Kreuzigung begraben. Traditionell feiern Gläubige dort auch das Osterereignis: die Auferstehung Christi. © DEBBIE HILL | Debbie Hill
    Blick ins Innere der Basilika.
    Blick ins Innere der Basilika. © picture alliance/AP Photo | dpa Picture-Alliance / Dusan Vranic
    Die Golgotakapelle mit dem griechisch-orthodoxen Kreuzigungsaltar in der Grabeskirche. Das aramäische Wort Golgota (Golgatha) bedeutet Schädel, die Bezeichnung für eine Felsformation, die die Form eines Schädels aufwies. Zwischen den Säulen, die die Altarplatte tragen, befindet sich das Felsloch, in dem das Kreuz gestanden haben soll, an dem Jesus starb. Viele Gläubige kriechen an diese Stelle unter die Altarplatte. Die Kapelle ist die 14. Station der Via Dolorosa.
    Die Golgotakapelle mit dem griechisch-orthodoxen Kreuzigungsaltar in der Grabeskirche. Das aramäische Wort Golgota (Golgatha) bedeutet Schädel, die Bezeichnung für eine Felsformation, die die Form eines Schädels aufwies. Zwischen den Säulen, die die Altarplatte tragen, befindet sich das Felsloch, in dem das Kreuz gestanden haben soll, an dem Jesus starb. Viele Gläubige kriechen an diese Stelle unter die Altarplatte. Die Kapelle ist die 14. Station der Via Dolorosa. © © epd-bild / Norbert Neetz | Norbert Neetz
    Die Via Dolorosa: In der Jerusalemer Altstadt erinnern am Karfreitag Tausende christliche Pilger auf dem Weg des Schmerzen an das Leiden und Sterben Jesu.
    Die Via Dolorosa: In der Jerusalemer Altstadt erinnern am Karfreitag Tausende christliche Pilger auf dem Weg des Schmerzen an das Leiden und Sterben Jesu. © REUTERS | REUTERS / AMIR COHEN
    Die Strecke vom Löwentor bis zur Grabeskirche soll in biblischer Zeit den Amtssitz des römischen Stadthalters Pontius Pilatus mit der Hinrichtungsstätte auf dem Hügel Golgotha verbunden haben. Wie Jesus schultern viele Gläubige auf der Via Dolorosa ein Holzkreuz.
    Die Strecke vom Löwentor bis zur Grabeskirche soll in biblischer Zeit den Amtssitz des römischen Stadthalters Pontius Pilatus mit der Hinrichtungsstätte auf dem Hügel Golgotha verbunden haben. Wie Jesus schultern viele Gläubige auf der Via Dolorosa ein Holzkreuz. © © epd-bild / Debbie Hill | Debbie Hill
    Die Klagemauer in Jerusalem: Sie gilt als eine der wichtigsten heiligen Stätten des Judentums.
    Die Klagemauer in Jerusalem: Sie gilt als eine der wichtigsten heiligen Stätten des Judentums. © © epd-bild / Fröhlich | Fröhlich
    Papst Franziskus bei seinem Besuch der Klagemauer im Mai 2014. Das Foto zeigt ihn, wie er ein Bittgesuch um Frieden in die Ritzen des Bauwerks steckt. Das machen auch viele andere Gläubige.
    Papst Franziskus bei seinem Besuch der Klagemauer im Mai 2014. Das Foto zeigt ihn, wie er ein Bittgesuch um Frieden in die Ritzen des Bauwerks steckt. Das machen auch viele andere Gläubige. © epd | Osservatore Romano
    Der Garten Gethsemane („Ölpresse“) am Fuße des Ölberges in Jerusalem: Hier soll  Jesus vor seiner Festnahme gebetet haben und durch den Judaskuss verraten worden sein.
    Der Garten Gethsemane („Ölpresse“) am Fuße des Ölberges in Jerusalem: Hier soll Jesus vor seiner Festnahme gebetet haben und durch den Judaskuss verraten worden sein. © epd | Gerold Meppelink
    Die „Kirche aller Nationen“ steht im Garten Gethsemane. Auch bekannt als Todesangstbasilika entstand sie mit Spenden vieler Nationen zwischen 1919 und 1924.
    Die „Kirche aller Nationen“ steht im Garten Gethsemane. Auch bekannt als Todesangstbasilika entstand sie mit Spenden vieler Nationen zwischen 1919 und 1924. © © epd-bild / Norbert Neetz | Norbert Neetz
    Die Himmelfahrtskapelle liegt auf der höchsten Stelle des Ölberges. Der Überlieferung zufolge soll Jesus Christus von hier aus zum Himmel aufgefahren sein.
    Die Himmelfahrtskapelle liegt auf der höchsten Stelle des Ölberges. Der Überlieferung zufolge soll Jesus Christus von hier aus zum Himmel aufgefahren sein. © © epd-bild / Fröhlich | Fröhlich
    Im Inneren der Kapelle ist der angeblich letzte Fußabdruck Jesu zu sehen.
    Im Inneren der Kapelle ist der angeblich letzte Fußabdruck Jesu zu sehen. © epd | Gerold Meppelink
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    Auch Zahl der Ultra-Orthodoxen steigt rasch

    Als Folge wachsen Häuser ohne Genehmigung in den Himmel, stapelt sich der Müll auf den Straßen, wird Abwasser ungeklärt in Flüsse geleitet. Diese Teile loszuwerden sehen die rechten Politiker als Erleichterung an, auch wenn es der Linie der unteilbaren Hauptstadt widerspricht. „Aber funktionieren kann das nicht“, sagt Kimhi. Die Menschen dort würden nach Jerusalem hineindrängen, um ihren Aufenthaltsstatus und ihre Ansprüche zu sichern.

    Die Versorgung und Integration der arabischen Bevölkerung sind nicht die einzigen demografischen Probleme der Stadt. Die zweite schnell wachsende, arme Gruppe sind die Ultra-Orthodoxen. Sie machen mittlerweile 35 Prozent des jüdischen Bevölkerungsanteils aus und haben in den vergangenen Jahrzehnten ehemals säkulare jüdische Stadtviertel schleichend übernommen. Immer wieder versuchen die Frommen, den Betrieb nichtreligiöser Geschäfte am für sie heiligen Sonnabend zu stören. Zeitungen beschreiben die Zusammenstöße als „Schabbat-Schlachten“.

    Viele Christen sehen Israel zunehmend als Schutzmacht

    Bei all diesen Problemen wird eine Bevölkerungsgruppe fast vergessen:

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    Vor der Staatsgründung 1948 glaubte noch jeder fünfte Jerusalemer an Jesus, heute sind es gerade mal 1,5 Prozent. Viele arabische Christen identifizieren sich als Palästinenser, auch sie leiden unter den Aufenthaltsbeschränkungen und der politischen Lage.

    Doch die Zeiten änderten sich gerade, betont Georg Röwekamp, der das Jerusalem-Büro des Deutschen Vereins vom Heiligen Lande leitet: „Viele junge arabische Christen fragen sich, ob nicht die radikalen Islamisten die größere Bedrohung als die Besatzung sind, ob Israel nicht auch eine Schutzmacht sein könnte.“

    Das ist eine Rolle, die die Regierung von Netanjahu immer wieder für sich in Anspruch nimmt. Auf die Befindlichkeiten der Christen nimmt man Rücksicht. Als die Grabeskirche im Februar aus Protest gegen Steuerforderungen ihre Türen schloss, gaben die Politiker schnell nach.