Berlin. Russlands Präsident setzt auf die Großmacht-Sehnsucht seiner Landsleute und erhält bei der Präsidentschaftswahl mehr als 70 Prozent.

Nun also Wladimir der vierte. Dass Wladimir Putin die russische Präsidentschaftswahl klar für sich entschieden hat, ist so überraschend wie der nächste Sonnenaufgang über Wladiwostok. Der einzige Gegenkandidat, der ihm einen größeren zweistelligen Stimmenanteil hätte wegnehmen können – Alexej Nawalny –, durfte wegen eines dubiosen Steuerverfahrens nicht antreten. Die restlichen sieben Anwärter waren chancenlose Statisten einer zirkusartigen Neben-Show.

Putin erhält immerhin mehr als 70 Prozent. Seine vierte Amtszeit bedeutet eine Verhärtung seines autokratischen Regierungsstils und verstärkte Großmacht-Ambitionen. Medien, die über weite Strecken gleichgeschaltet sind, Massen-Akklamation in Sport-Stadien, Führerkult: Russland wird sich künftig noch mehr auf eine Person ausrichten, nämlich den Präsidenten.

Der Mythos vom bedrohten Russland wirkt

Putin siegte mit der Wiederbelebung eines Mythos, der in der Geschichte des Landes immer wieder zieht. Russland sei eine belagerte Festung, eingekreist von finsteren Mächten und traktiert von einem missgünstigen Westen, lautet die Botschaft.

Die Datierung der Wahl auf den vierten Jahrestag der Krim-Annexion löste eine Welle nationaler Zustimmung aus. Putin glorifizierte dies verbal mit der „Heimholung“ der Halbinsel nach Russland. Der Präsident stellt sich als der Beschützer des stolzen Landes dar, der den Feinden die Stirn bietet.

Putin agiert als geschickter Polit-Psychologe

Putin, der den Untergang der Sowjetunion einmal als „die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet hatte, agiert als geschickter Polit-Psychologe. Er spürt, dass der Kollaps der Supermacht im kollektiven Bewusstsein vieler Russen zu einem lähmenden Bedeutungsverlust führte.

Und er weiß um den Phantomschmerz seiner Landsleute, die die schweren sozialen Verwerfungen der 90er-Jahre durchlebt und plötzlich das Gefühl hatten, auf der Verliererseite der Geschichte zu stehen. Hinzu kam, dass sich EU und Nato auch auf Länder ausdehnten, die früher zum Herrschaftsbereich Moskaus gehörten.

Spion, Selbstdarsteller, Tierfreund - fünf Fakten über Wladimir Putin

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    Der Wahlsieger sieht sich als Verteidiger des Status quo

    Für einen Mann wie Putin, der in Einflusssphären denkt wie seine Vorgänger vor Jahrzehnten, ist das eine nicht hinnehmbare Veränderung der Kräfte-Balance. In dieses Bedrohungs-Szenario hinein projiziert er die Idee von Russlands Größe und Macht. Diese drückt sich in der Unterstützung für die prorussischen Rebellen in der Ostukraine aus oder in der massiven Militär-Intervention in Syrien.

    Putin sieht sich als Verteidiger des Status quo. Deshalb hält er am syrischen Diktator Baschar al-Assad fest. An einem demokratischen Neubeginn des Landes – zugegebenermaßen ein politischer Herkulesakt – hat er kein Interesse.

    Die Wirtschaft ist bis heute nicht modernisiert

    Der russische Präsident schöpft seine Macht aus dem weit verbreiteten Nationalstolz und dem Nimbus einer Großmacht. Damit kompensiert er die eklatanten Schwächen in der Wirtschaft. Es ist Putin in den 18 Jahren als Präsident oder Ministerpräsident nicht gelungen, sein Land zu modernisieren. Löhne und Renten sind niedrig. Russland lebt hauptsächlich von Öl und Gas.

    So kurios inszeniert sich Wladimir Putin

    Oben ohne und total entspannt : Der russische Präsident Wladimir Putin weiß, wie er sich inszenieren kann.
    Oben ohne und total entspannt : Der russische Präsident Wladimir Putin weiß, wie er sich inszenieren kann. © dpa | Alexei Nikolsky
    Völlig entspannt gibt er sich beim Angeln in Sibirien. An seiner Seite: der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu.
    Völlig entspannt gibt er sich beim Angeln in Sibirien. An seiner Seite: der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu. © imago/ITAR-TASS | Alexei Nikolsky
    Der Pressedienst des Kreml verbreitete 2017 die Aufnahmen des Kurztrips.
    Der Pressedienst des Kreml verbreitete 2017 die Aufnahmen des Kurztrips. © dpa | Alexei Nikolsky
    Es ist nicht das erste Mal, dass der russische Präsident mit nacktem Oberkörper posiert.
    Es ist nicht das erste Mal, dass der russische Präsident mit nacktem Oberkörper posiert. © dpa | Alexei Nikolsky
    Putin ließ sich schon beim Schwimmen ablichten.
    Putin ließ sich schon beim Schwimmen ablichten. © REUTERS | © RIA Novosti / Reuters
    Oder bei einem Trip zu Pferd.
    Oder bei einem Trip zu Pferd. © REUTERS | REUTERS / RIA NOVOSTI
    Oben ohne zeigte sich Putin auch auf der Jagd in Sibirien.
    Oben ohne zeigte sich Putin auch auf der Jagd in Sibirien. © picture alliance/ASSOCIATED PRESS | AP Content
    Hart im Nehmen: So stieg Putin im Januar aus dem eiskalten Wasser des Seligersees.
    Hart im Nehmen: So stieg Putin im Januar aus dem eiskalten Wasser des Seligersees. © picture alliance / ZUMAPRESS.com | dpa Picture-Alliance / Alexei Druzhinin
    Harte Schale, weicher Kern? Schon häufiger hat der russische Präsident seine Tierliebe zur Schau gestellt.
    Harte Schale, weicher Kern? Schon häufiger hat der russische Präsident seine Tierliebe zur Schau gestellt. © picture alliance / Sputnik | dpa Picture-Alliance / Alexei Druzhinin
    So zeigte er sich überaus interessiert, als Forscher einem Tiger im Ussuri-Naturreservat im Osten Russlands ein Tracking-Halsband anlegten.
    So zeigte er sich überaus interessiert, als Forscher einem Tiger im Ussuri-Naturreservat im Osten Russlands ein Tracking-Halsband anlegten. © REUTERS | © RIA Novosti / Reuters
    Im Nationalpark „Losiny Ostrov“ fütterte er ein Elch-Kalb mit der Flasche.
    Im Nationalpark „Losiny Ostrov“ fütterte er ein Elch-Kalb mit der Flasche. © REUTERS | © RIA Novosti / Reuters
    Auf Augenhöhe: Ein kleines flauschiges Küken scheint es dem Präsidenten angetan zu haben.
    Auf Augenhöhe: Ein kleines flauschiges Küken scheint es dem Präsidenten angetan zu haben. © REUTERS | © RIA Novosti / Reuters
    Beim Tollen im Schnee haben offenbar nicht nur die beiden Vierbeiner Spaß.
    Beim Tollen im Schnee haben offenbar nicht nur die beiden Vierbeiner Spaß. © REUTERS | © RIA Novosti / Reuters
    Reiten kann Putin übrigens auch angezogen.
    Reiten kann Putin übrigens auch angezogen. © REUTERS | REUTERS / HO
    Und auch am Steuer eines Bootes muss es nicht oberkörperfrei sein.
    Und auch am Steuer eines Bootes muss es nicht oberkörperfrei sein. © dpa | Alexei Nikolsky
    Insgesamt inszeniert sich der Präsident auch gern als stark, männlich, kämpferisch, sportlich und als Abenteurer. Im Taucheranzug ging es etwa mit Harpune auf Hechtjagd.
    Insgesamt inszeniert sich der Präsident auch gern als stark, männlich, kämpferisch, sportlich und als Abenteurer. Im Taucheranzug ging es etwa mit Harpune auf Hechtjagd. © dpa | Alexei Nikolsky
    Natürlich erfolgreich: Einen Hecht konnte er mit der Harpune erlegen.
    Natürlich erfolgreich: Einen Hecht konnte er mit der Harpune erlegen. © dpa | Alexei Nikolsky
    Putin in seinem Taucheranzug.
    Putin in seinem Taucheranzug. © imago/ITAR-TASS | Alexei Nikolsky
    Putin hält sich fit.
    Putin hält sich fit. © REUTERS | © RIA Novosti / Reuters
    Auch als Hockeyspieler auf dem Eis macht er – natürlich – eine gute Figur.
    Auch als Hockeyspieler auf dem Eis macht er – natürlich – eine gute Figur. © REUTERS | REUTERS / SPUTNIK
    Meistens jedenfalls.
    Meistens jedenfalls. © REUTERS | REUTERS / POOL
    Putin konzentriert, kontrolliert und kämpferisch.
    Putin konzentriert, kontrolliert und kämpferisch. © REUTERS | REUTERS / RIA Novosti
    Der russische Präsident hat den schwarzen Gürtel im Judo.
    Der russische Präsident hat den schwarzen Gürtel im Judo. © REUTERS | REUTERS / SPUTNIK
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    Je nach dem Stand der Rohstoffpreise ist Geld in den öffentlichen Kassen oder nicht. Staatsbetriebe und milliardenschwere Oligarchen dominieren. Private mittelständische Firmen, die florieren, gibt es kaum. Ausländische Investoren können ein Lied von Korruption, Bürokratie und ­Steuer-Wirrwarr singen.

    Nur aus der Außenpolitik gewinnt Putin in großem Stil innenpolitische Legitimation. Vor diesem Hintergrund ist künftig auf internationaler Bühne nicht mit erhöhter Kompromissbereitschaft oder Geschmeidigkeit zu rechnen. Der Westen muss beides sein: gesprächswillig und wachsam.