Bratislava. Der slowakische Staatspräsident schlägt nach dem Mord an einem Enthüllungsjournalisten eine Regierungsumbildung oder eine Neuwahl vor.

Nach dem Doppelmord an einem Enthüllungsjournalisten und seiner Verlobten in der Slowakei fordert Staatspräsident Andrej Kiska eine Regierungsumbildung oder eine Neuwahl. Das seien die notwendigen Lösungen für die momentane politische Situation, sagte Kiska nach Angaben der Agentur TASR am Sonntag in einer Ansprache. Er fügte hinzu, das Vertrauen der Slowaken in Staat, Behörden und Beamte sowie in ihre Fähigkeit, den Bürgern Sicherheit zu garantieren, müsse wiederhergestellt werden.

„Eine Grenze wurde überschritten und es gibt keinen Weg zurück“, sagte Kiska und kündigte an, seinen Vorschlag in den kommenden Tagen mit den Chefs der Parteien besprechen zu wollen. Der slowakische Premierminister Robert Fico lehnte eine vorgezogene Wahl ab und betonte, Kabinettsumbildungen könne es nur bei einer Vereinbarung zwischen den drei Koalitionsparteien geben. „Die Verfassung sieht in diesem Prozess keine Rolle für den Präsidenten vor“, fügte Fico hinzu und warf Kiska vor, sich auf die Seite der Opposition zu schlagen und den Tod der zwei jungen Menschen für politische Zwecke zu nutzen.

Paar durch Schüsse in Kopf und Brust getötet

Nach dem Mord an dem Journalisten Jan Kuciak stehen slowakische Politiker unter Druck. Kuciak hatte über den Filz zwischen Politik und Geschäftemacherei recherchiert. Dabei war er möglicherweise in den sogenannten Panama-Papers auf Verbindungen zwischen italienischen Mafia-Clans sowie slowakischen Politikern und Regierungsmitarbeitern gestoßen. Ende Februar wurden der 27-Jährige und seine Verlobte Martina Kusnirova tot in ihrem Haus aufgefunden. Das Paar wurde laut Polizei durch Schüsse in Kopf und Brust getötet.

Tausende bei Kundgebungen für ermordeten Journalisten Kuciak

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    Bei landesweiten Trauerkundgebungen hatten am Wochenende Zehntausende Menschen des getöteten Paares gedacht und gegen den vom Mordopfer aufgezeigten Filz aus Geschäftemacherei und Politik demonstriert. Kuciak und seine Verlobte wurden am Samstag in der Gemeinde Stiavnik bestattet. Wer einen Journalisten angreife, attackiere auch die Freiheit der Slowakei, mahnte bei der Zeremonie der Vorsitzende der slowakischen Bischofskonferenz, Erzbischof Stanislav Zvolensky, nach Angaben der Zeitung „Pravda“.

    EU will in Fall ermitteln

    In dem Fall will einem Bericht zufolge nun auch die EU ermitteln. Acht Vertreter des Europaparlaments würden von Mittwoch bis Freitag in die Slowakei reisen und Informationen über die Tat und deren Hintergründe sammeln, schrieb die „Welt am Sonntag“ unter Berufung auf EU-Kreise. Demnach sind Gespräche der Parlamentarier mit Fico, mehreren Ministern und regierungskritischen Journalisten geplant. Laut Bericht gehört der deutsche Grünen-Politiker Sven Giegold zur Delegation. Das EU-Parlament dürfe „dem Verfall von Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit“ in Mitgliedstaaten „nicht tatenlos“ zusehen, zitierte ihn das Blatt.

    Peter Bardy, Chefredakteur von Kuciaks früherem Arbeitgeber „aktuality.sk“, appellierte an die EU, demokratische Institutionen in der Slowakei zu schützen. Er wolle „alle politischen Führer der Europäischen Union“ dazu aufrufen, „die Ereignisse in der Slowakei noch genauer“ zu beobachten, sagte Bardy der „Bild am Sonntag“. „Wenn es das Ziel dieses furchtbaren Verbrechens war, uns einzuschüchtern, dann ist das auf gewisse Weise gelungen“, befand er. „Denn falls sich bestätigen sollte, dass Jan für seine Arbeit ermordet wurde, wäre das auch eine Botschaft an uns: Dass es sehr gefährlich sein kann, in der Slowakei als Journalist zu arbeiten. Und nicht nur in der Slowakei.“

    Die slowakische Polizei hatte am Wochenende sieben zwischenzeitlich festgenommene Verdächtige wieder freigelassen. Laut Medienberichten handelte es sich um Italiener, die in den Recherchen des Ermordeten vorgekommen waren. Einer von ihnen soll in der unvollendeten letzten Reportage Kuciaks als wichtigster Drahtzieher eines mutmaßlichen italienischen Mafia-Netzwerks in der Slowakei auftauchen. (dpa)