Rom. Politisches Erdbeben in Italien: Die 5-Sterne-Bewegung wurde bei der Wahl stärkste Partei. An die Regierung drängt aber ein anderer.

Der Chef der fremdenfeindlichen Lega, Matteo Salvini, hat das Mitte-Rechts-Bündnis zum Sieger der Parlamentswahl in Italien erklärt und Anspruch auf die Regierung erhoben. „Wir haben das Recht und die Pflicht zu regieren“, sagte Salvini am Montag.

Europa müsse neu errichtet werden, und zwar um die Menschen herum und nicht um die Bürokratie. „Wir sind in Europa, aber wir wollen ein anderes Europa.“ Die Märkte hätten nichts zu befürchten, sagte Salvini, der sich im Wahlkampf als EU-kritisch präsentierte und angekündigt hatte, rund 600.000 Migranten zurückzuschicken. Zugleich bezeichnete er den Euro als eine „grundfalsche Währung“. Ein Referendum über den Euro nannte er aber undenkbar.

Nach Auszählung von rund drei Viertel der Wahlbezirke hat die Lega mit gut 18 Prozent die Forza Italia von

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. überrundet (knapp 14 Prozent). Der Mitte-Rechts-Block kommt insgesamt auf 37 Prozent, verfehlt aber die nötige Anzahl der Mandate, um eine Regierung bilden zu können.

Berlusconi durfte nicht selbst antreten

Der dreifache Ex-Ministerpräsident Berlusconi darf nach einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung bis 2019 kein öffentliches Amt bekleiden. Der 81-Jährige schickte den derzeitigen EU-Parlamentspräsidenten

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President of the European Parliament Antonio Tajani (R) speaks next to Forza Italia leader Silvio Berlusconi during EPP European People's Party meeting in Fiuggi, Italy, September 17, 2017. REUTERS/Remo Casilli
Von Bettina Gabbe und Michael Backfisch

ins Rennen.

Vollkommen unklar ist bislang, wer in Italien künftig das Ruder übernimmt. Stärkste Partei wurde die Fünf-Sterne-Protestbewegung, die bei rund 32 Prozent liegt und vor allem im Süden Italiens enormen Zulauf bekam. Aber auch der Partei von Spitzenkandidat Luigi Di Maio fehlt es für eine Mehrheit.

Renzi steht als Chef der Sozialdemokraten auf der Kippe

Die regierenden Sozialdemokraten PD von Parteichef Matteo Renzi mussten mit unter 20 Prozent eine historische Niederlage einstecken. Renzi hat nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa bereits entschieden, als Chef PD zurückzutreten. Sein Sprecher wollte das zunächst allerdings nicht bestätigen. „Uns ist das nicht bekannt“, sagte er der Nachrichtenagentur Adnkronos. Renzi werde sich aber am Montagnachmittag äußern.

Italien-Wahl: Fünf Sterne und Berlusconi-Bündnis klar vorn

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    Auch im Senat, der ebenfalls am Sonntag gewählt wurde, zeichnet sich keine eindeutige Mehrheit ab. In der kleineren der beiden Parlamentskammern dürfte ebenfalls die Fünf-Sterne-Bewegung die meisten Sitze erhalten, aber auch hier die Mehrheit verfehlen. Für eine Regierungsmehrheit im Parlament muss eine Partei oder ein Bündnis auf mindestens 316 von insgesamt 630 Sitzen in der Abgeordnetenkammer kommen und im Senat mindestens 158 von 315 Sitzen gewinnen.

    Silvio Berlusconi in Bildern

    Sex-Skandale, markige Sprüche, Gerichtsprozesse: Das ist Silvio Berlusconi. Wir zeigen Szenen eines erstaunlichen Politikerlebens des italienischen Ex-Ministerpräsidenten.
    Sex-Skandale, markige Sprüche, Gerichtsprozesse: Das ist Silvio Berlusconi. Wir zeigen Szenen eines erstaunlichen Politikerlebens des italienischen Ex-Ministerpräsidenten. © dpa | Epa Ansa Di Meo
    Jubelnd lässt sich Berlusconi bei einer Wahlkampfveranstaltung im Jahr 2011 in Taranto von Anhängern tragen: Trotz der Feierlaune steht es zu diesem Zeitpunkt schon politisch schlecht für den Cavaliere. Im November tritt er vom Amt des Ministerpräsidenten zurück. Mario Monti folgt.
    Jubelnd lässt sich Berlusconi bei einer Wahlkampfveranstaltung im Jahr 2011 in Taranto von Anhängern tragen: Trotz der Feierlaune steht es zu diesem Zeitpunkt schon politisch schlecht für den Cavaliere. Im November tritt er vom Amt des Ministerpräsidenten zurück. Mario Monti folgt. © dpa | Epa Ansa Caricato
    Trotzdem präsentiert sich der nur 1,64 Meter große Ex-Regierungschef auch im Jahr 2016 noch lächelnd mit seinen Anhängern, gerne auch mit Anhängerinnen. Der 1936 in Mailand geborene Berlusconi startete seine Karriere zunächst als Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen.
    Trotzdem präsentiert sich der nur 1,64 Meter große Ex-Regierungschef auch im Jahr 2016 noch lächelnd mit seinen Anhängern, gerne auch mit Anhängerinnen. Der 1936 in Mailand geborene Berlusconi startete seine Karriere zunächst als Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen. © dpa | Angelo Carconi
    Kein Politiker regierte Italien so lange wie der Medienmogul: Insgesamt 3340 Tage führte er die Geschicke der Italienischen Republik. Lange Zeit waren mehrere Gerichtsverfahren gegen Berlusconi anhängig.
    Kein Politiker regierte Italien so lange wie der Medienmogul: Insgesamt 3340 Tage führte er die Geschicke der Italienischen Republik. Lange Zeit waren mehrere Gerichtsverfahren gegen Berlusconi anhängig. © dpa | Andrew Medichini
    Im August 2013 verurteilten ihn Richter wegen Steuerbetrugs. Die Folge: Zwei Jahre durfte er keine öffentlichen Ämter bekleiden.
    Im August 2013 verurteilten ihn Richter wegen Steuerbetrugs. Die Folge: Zwei Jahre durfte er keine öffentlichen Ämter bekleiden. © dpa | Stefano Porta
    Der gebürtige Mailänder war seit 1986 Besitzer des Fußballclubs AC Mailand. Mehrere Jahre war er auch Präsident des Vereins – die Verstrickung in Interessenskonflikte führte aber dazu, dass er das Amt niederlegen musste. Dieses Foto zeigt den Cavaliere mit dem Champions-League-Pokal bei der Siegesfeier des Clubs im Jahr 1990.
    Der gebürtige Mailänder war seit 1986 Besitzer des Fußballclubs AC Mailand. Mehrere Jahre war er auch Präsident des Vereins – die Verstrickung in Interessenskonflikte führte aber dazu, dass er das Amt niederlegen musste. Dieses Foto zeigt den Cavaliere mit dem Champions-League-Pokal bei der Siegesfeier des Clubs im Jahr 1990. © dpa | Epa Apa
    Berlusconi hat auch abseits der Politik ungezählte Schlagzeilen gemacht. Zum Beispiel mit dem Fall „Rubygate“.
    Berlusconi hat auch abseits der Politik ungezählte Schlagzeilen gemacht. Zum Beispiel mit dem Fall „Rubygate“. © dpa | Alessandro Di Meo
    Die Staatsanwaltschaft lastete dem damals 75-Jährigen sexuelle Kontakte zu dem minderjährigen marokkanischen Escortgirl Karima el-Marough (l.), genannt „Ruby“, an. Da Berlusconi das Mädchen mit einem Anruf bei der Polizei aus deren Gewahrsam befreite, sollte er sich auch wegen Amtsmissbrauchs verantworten. Die höheren Gerichtsinstanzen sprachen ihn frei.
    Die Staatsanwaltschaft lastete dem damals 75-Jährigen sexuelle Kontakte zu dem minderjährigen marokkanischen Escortgirl Karima el-Marough (l.), genannt „Ruby“, an. Da Berlusconi das Mädchen mit einem Anruf bei der Polizei aus deren Gewahrsam befreite, sollte er sich auch wegen Amtsmissbrauchs verantworten. Die höheren Gerichtsinstanzen sprachen ihn frei. © REUTERS | REUTERS / STAFF
    Einer der zahlreichen politischen Skandale: Als Kandidatinnen der Regierungspartei für die Europawahl 2009 schlug Berlusconi drei junge Schönheiten vor. Eine ehemalige TV-Ansagerin, eine Fernsehschauspielerin und eine Sängerin. „Schamlose Luder im Dienst der Macht“, beschimpfte damals seine Noch-Ehefrau Veronica Lario die Damen. Lario (auf dem Bild) reichte 2009 die Scheidung ein.
    Einer der zahlreichen politischen Skandale: Als Kandidatinnen der Regierungspartei für die Europawahl 2009 schlug Berlusconi drei junge Schönheiten vor. Eine ehemalige TV-Ansagerin, eine Fernsehschauspielerin und eine Sängerin. „Schamlose Luder im Dienst der Macht“, beschimpfte damals seine Noch-Ehefrau Veronica Lario die Damen. Lario (auf dem Bild) reichte 2009 die Scheidung ein. © dpa | Epa Ansa Danilo Schiavella
    Von 2012 bis 2020 war der Milliardär mit der fast 50 Jahre jüngeren Francesca Pascale liiert.
    Von 2012 bis 2020 war der Milliardär mit der fast 50 Jahre jüngeren Francesca Pascale liiert. © dpa | Luca Turi
    Das Bild zeigt den Cavaliere im Jahr 2003 in seiner Eigenschaft als EU-Ratspräsident vor Beginn des EU-China-Gipfels in Peking.
    Das Bild zeigt den Cavaliere im Jahr 2003 in seiner Eigenschaft als EU-Ratspräsident vor Beginn des EU-China-Gipfels in Peking. © dpa | Epa Ansa Monteforte
    Nach einer Herzoperation im Jahr 2016 spürte der fünffache Vater laut eigener Angaben auf einmal das Alter. „In meinem Leben habe ich nie an das Älterwerden gedacht. Im Gegenteil, ich habe immer gelebt, als sei ich 40 Jahre alt, denn so habe ich mich gefühlt: voller Neugier, voller Tatendrang“, sagte Berlusconi zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 2017 der Zeitschrift „Chi“. Aber dann sei er plötzlich krank geworden. „Und mit der Operation ist das Bewusstsein gekommen, dass ich ein Mann von 80 Jahren bin.“
    Nach einer Herzoperation im Jahr 2016 spürte der fünffache Vater laut eigener Angaben auf einmal das Alter. „In meinem Leben habe ich nie an das Älterwerden gedacht. Im Gegenteil, ich habe immer gelebt, als sei ich 40 Jahre alt, denn so habe ich mich gefühlt: voller Neugier, voller Tatendrang“, sagte Berlusconi zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 2017 der Zeitschrift „Chi“. Aber dann sei er plötzlich krank geworden. „Und mit der Operation ist das Bewusstsein gekommen, dass ich ein Mann von 80 Jahren bin.“ © REUTERS | REUTERS / REMO CASILLI
    Corona-Pandemie: Berlusconi steckte sich 2020 mit dem Virus an. Hier verlässt er nach der überstandenen Infektion das Krankenhaus.
    Corona-Pandemie: Berlusconi steckte sich 2020 mit dem Virus an. Hier verlässt er nach der überstandenen Infektion das Krankenhaus.
    Parlamentswahl in Italien: Silvio Berlusconi von der rechten Forza Italia kommt Hand in Hand mit Lebensgefährtin Marta Fascina zur Stimmabgabe in Mailand.
    Parlamentswahl in Italien: Silvio Berlusconi von der rechten Forza Italia kommt Hand in Hand mit Lebensgefährtin Marta Fascina zur Stimmabgabe in Mailand. © Claudio Furlan/LaPresse/Zuma Press/dpa
    Berlusconi schaffte 2022 neben Matteo Salvini und Giorgia Meloni ein neuerliches Comeback.
    Berlusconi schaffte 2022 neben Matteo Salvini und Giorgia Meloni ein neuerliches Comeback. © AFP | ALBERTO PIZZOLI
    Am 12. Juni 2023 starb Berlusconi im Alter von 86 Jahren in Mailand. Er hatte zuletzt an Leukämie gelitten.
    Am 12. Juni 2023 starb Berlusconi im Alter von 86 Jahren in Mailand. Er hatte zuletzt an Leukämie gelitten. © Gregorio Borgia/AP/dpa
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    Neue Probleme für Italien

    Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Abgeordnetenhaus, Ettore Rosato, kündigte den Gang in die Opposition an, sollten sich die Zahlen bestätigen. Die Fünf-Sterne-Bewegung bezeichnete die Wahl als Triumph. „Jetzt muss jeder zu uns kommen und mit uns reden“, sagte Alessandro Di Battista, ein führender Politiker der Partei.

    Das einst strikte Nein zu Koalitionen hat Parteichef Luigi Di Maio zwar aufgeweicht, blieb dabei aber vage. Experten zufolge ist es fraglich, ob ein Bündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung zu erreichen ist. Die Schlagzeile der ersten Ausgabe der Zeitung „La Stampa“ lautete dementsprechend: „Di Maio gewinnt, Italien unregierbar.“

    Die rechtspopulistische Lega bezeichnete die Wahl als historisch für die Partei. Für den Fall einer ausreichenden Mehrheit könnte sie somit den Ministerpräsidenten stellen. Die beiden Parteien hatten im Vorfeld erklärt, das dies dem stärkeren Partner zufalle.

    Parlamentswahl in Italien mit einigen Unbekannten und mit alten Bekannten

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      Stimmzettel falsch gefaltet

      Das neue Wahlrecht, falsche Stimmzettel und verstärkte Sicherheitsüberprüfungen hatten bei der

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      zu zeitweiligem Chaos geführt. Vor vielen Wahllokalen im ganzen Land hatten sich am Sonntag lange Schlangen gebildet.

      In der sizilianischen Hauptstadt Palermo öffneten 200 Wahllokale verspätet, weil fehlerhafte Stimmzettel neu gedruckt werden mussten. „Wir bedauern die Schwierigkeiten für die Wähler“, sagte Palermos Bürgermeister Leoluca Orlando. „Aber dieses neue (Wahl-)Gesetz hat auch in anderen Teilen Italiens erhebliche Probleme verursacht.“

      „Mich beunruhigt die die Situation in Palermo sehr“, zitierte die italienische Nachrichtenagentur Ansa Senatspräsident Pietro Grasso. Andere sprachen von „dilettantischen Fehlern, die für eine normale Demokratie inakzeptabel sind“. Manche mussten in die Wahlkabine zurück, weil sie den Stimmzettel nicht richtig gefaltet hatten.

      Italien wählt ein neues Parlament

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        Offizielle Ergebnisse erst am Montagvormittag erwartet

        In Rom wurden in einem Wahllokal die Namen von Senatoren und Abgeordneten falsch aufgeführt und 36 ausgefüllte Stimmzettel kurzerhand aus der Wahlurne genommen. Die 36 Wähler sollten noch einmal zurückkehren und neue, jetzt richtige Stimmzettel ausfüllen. Die Bürgermeisterin der Hauptstadt rief die Wähler auf, angesichts der oft langen Wartezeiten rechtzeitig zu erscheinen – mindestens eine Stunde vor Schließung der Wahllokale.

        Die rund 46 Millionen Wahlberechtigten in Italien konnten bis 23 Uhr ihre Stimme abgeben. Etwa 4,2 Millionen Auslandsitaliener konnten vorher abstimmen. Ein offizielles Ergebnis wird erst am Montagvormittag erwartet. (dpa/rtr)