Saarbrücken. Annegret Kramp-Karrenbauer wird CDU-Generalsekretärin, doch viele sehen das nur als Schritt auf ihrer Karriereleiter. Ein Porträt.

Die Karriere von

Auch interessant

February 22, 2018 - Berlin, Germany - German Chancellor Angela Merkel gives a government declaration during the 14. plenary session at Bundestag (lower house of parliament) in Berlin, Germany on February 22, 2018. Berlin Germany PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAn230 20180222_zaa_n230_793 Copyright: xEmmanuelexContinix
Von Tim Braune und Kerstin Münstermann

als saarländische Ministerpräsidentin drohte zu scheitern, da hatte sie noch gar nicht richtig begonnen. Am 10. August 2011 fiel die CDU-Politikerin im Landtag im ersten Wahlgang durch. Mit Ach und Krach schaffte sie es im zweiten Durchgang. Mit gequältem Lächeln sagte sie hinterher: „Als Mutter von drei Kindern weiß ich: Die schwersten Geburten bringen die schönsten Kinder auf die Welt.“

Als sie fünf Monate nach diesem Fehlstart das bundesweit erste Jamaika-Bündnis aus CDU, FDP und Grünen platzen ließ, stand sie erneut vor dem Ende. Und vor der Landtagswahl 2017 sinnierte sie bereits über ein Leben ohne Politik, sollte sie ihr Amt verlieren, wonach es zeitweise aussah.

Wechsel nach Berlin mit Risiko verbunden

Auch jetzt geht Kramp-Karrenbauer wieder ein hohes Risiko ein. „Ohne Netz und doppelten Boden“ gehe sie als CDU-Generalsekretärin nach Berlin, sagt die 55-Jährige. Und erneut könnte ihr Risiko am Ende belohnt werden, immerhin gilt die Politikwissenschaftlerin nun als

Auch interessant

. „Gegen solche Etiketten kann ich mich nicht wehren“, sagt sie. Sie versucht es deshalb gar nicht erst. An diesem Montag soll Kramp-Karrenbauer offiziell in ihr neues Parteiamt eingeführt werden.

Mitgliedern ihres schwarz-roten Kabinetts fiel schon 2017 auf, dass Kramp-Karrenbauer deutlich öfter bei Parteitagen und Kundgebungen anderer Landesverbände sprach und angriffslustiger war. Beim Deutschlandtag der Jungen Union im Oktober lästerte sie derart derb über die SPD („Willy Brandt würde vor lauter Scham auf die SPD in seinem Grab rotieren“), dass die Genossen im Saarland schäumten, dies sei „ehrverletzend“ und ein „böses Foul“.

Sie ist bekannt für ihren bürgernahen Politikstil

Dabei passt dies gar nicht zu ihrem ausgleichenden Politikstil als Ministerpräsidentin: Das Saarland regierte sie am Runden Tisch, als wandelnde große Koalition, immer bemüht, alle Beteiligten einzubinden. Dafür hat sie den Begriff „saarländischer Weg“ geprägt. Mit ihrem präsidialen Regierungsstil erreichte AKK, wie sie kurz und praktisch genannt wird, im Saarland Zustimmungswerte von rund 80 Prozent, ein bundesweiter Spitzenwert. Viele Menschen halten sie für bodenständig und bürgernah. In der Talkshow „Anne Will“ sagte sie 2016 einmal, ihre Nummer stehe im Telefonbuch: „Bei mir kann jeder anrufen.“ Was dann auch viele taten.

Kramp-Karrenbauer in ihrem Landtagsbüro im Jahr 2000.
Kramp-Karrenbauer in ihrem Landtagsbüro im Jahr 2000. © imago/Becker&Bredel | imago stock

Nicht einmal die Affäre um einen Museumsneubau hinterließ größere Kratzer in ihrem Ansehen: Als Kultusministerin hatte sie vor Jahren die voraussichtlichen Kosten des Baus schöngerechnet. Sie musste vor einen Untersuchungsausschuss. Später entschuldigte sie sich in einer Regierungserklärung für den Vertrauensverlust. Wenn der gewöhnliche Saarländer an sie denkt, hat er eher das Bild vor Augen, wie sie in der TV-Fastnacht als „Putzfrau Gretel“ in Kittelschürze und mit Besen auf Saarländisch Witze über ihr eigenes Kabinett reißt. Wenn man im Saarland unterwegs sei, habe man längst die Landesgrenze erreicht, bis man ihren Namen ausgesprochen habe, scherzte sie einmal.

Kramp-Karrenbauer ist weiter gegen Eher für alle

Kramp-Karrenbauer stammt aus dem katholischen Milieu der 20.000-Einwohner-Stadt Püttlingen bei Saarbrücken, die früher vom Bergbau geprägt war; auch in ihrer Familie spielte der Bergbau eine wichtige Rolle. Eine für das Saarland mit seiner Sozialstruktur – viel Industrie, wenig Bürgertum – typische Umgebung. Wer hier als CDU-Vertreter Wahlen gewinnen will, darf nicht unaufhörlich die Segnungen des freien Marktes preisen. Kramp-Karrenbauer war deshalb schon früh für den gesetzlichen Mindestlohn und plädierte auch für einen höheren Spitzensteuersatz. Der damalige FDP-Chef Rainer Brüderle beschimpfte sie deshalb einmal als „schwarz lackierte Sozialistin“.

Kramp-Karrenbauer will die CDU erneuern

weitere Videos

    Man darf aber nicht den Fehler machen, in Kramp-Karrenbauer nur eine Parteilinke zu sehen. Die „Ehe für alle“ lehnt sie bis heute entschieden ab, 2015 warnte sie sogar, es seien dann „andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen“. Die Liberalen in der eigenen Partei waren entsetzt, aber die Konservativen applaudierten. Auch sorgte sie vor der Landtagswahl 2017 dafür, dass die eher liberale Saar-CDU ihre rechte Flanke schloss: Sie ließ ihren konservativen Innenminister gewähren, der nach Ansicht ihres Koalitionspartners „AfD-Parolen“ verbreitete, und verhängte ein Auftrittsverbot für türkische Politiker im Saarland (obwohl das vermutlich nie einer vorhatte).

    Keine typische Konservative

    Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihrem Sohn Julian.
    Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihrem Sohn Julian. © imago/Becker&Bredel | imago stock

    Dass Kramp-Karrenbauer aber keine typische Konservative ist, sieht man daran, dass sie für die Frauenquote Position bezog. Sie selbst bezeichnet sich als „Quotenfrau“, weil die Quotenregelung in der CDU ihre Karriere befördert habe. Ziemlich modern ist auch die Rollenverteilung im Hause Kramp-Karrenbauer: Ihr Mann Helmut Karrenbauer, ein Bergbau-Ingenieur, blieb zu Hause, um sich als Hausmann um die beiden Söhne (geboren 1988 und 1998) und die Tochter (1990) zu kümmern, damit sie Karriere in der Politik machen konnte. Nach ihrer Hochzeit 1984 – so erzählt sie es immer wieder – hatten beide vereinbart, dass derjenige, der mehr verdient, den ganzen Tag arbeiten geht und der andere eben kürzertritt.

    Kramp-Karrenbauer arbeitete sich vom Landesvorstand der Jungen Union über den Püttlinger Stadtrat in den Bundestag und in den Landtag vor. Von 2000 an leitete sie – gefördert von ihrem Vorgänger Peter Müller – mehrere Ministerien. Mit 38 Jahren wurde sie Deutschlands erste Innenministerin.

    Zuerst das Land, dann die Partei

    Der vorläufige Höhepunkt ihrer Karriere: der klare Sieg bei der Landtagswahl 26. März 2017 mit 40,7 Prozent, trotz Schulz-Hype. Am Wahlabend war Kramp-Karrenbauer plötzlich die Einzige in der CDU, die noch in der Lage ist, 40 Prozent plus X zu holen. Das machte sie zur Hoffnungsträgerin und Schlüsselfigur für Angela Merkel. Beide verstehen sich gut, auch wenn ihr Verhältnis nicht immer spannungsfrei war. So riet Merkel 2012 dringend davon ab, die Jamaika-Koalition wegen der Affären bei der FDP aufzukündigen. Doch Kramp-Karrenbauer ließ sich nicht beirren, informierte die Kanzlerin kurz vor dem Knall per SMS über ihren Schritt.

    Zuerst komme das Land, dann die Partei, wiederholte sie seither immer wieder mit Verweis auf diese für sie riskante Entscheidung. Nun entschied sie sich für die Partei und gegen das Land. Sie mag sich gedacht haben, dass nach ihren Erfolgen im Saarland – zuletzt gelang ihr die Ansiedlung eines IT-Forschungszentrums mit bis zu 800 Wissenschaftlern in Saarbrücken – sowieso nicht mehr viel kommen kann.

    Aber wenn der Job Berlin schiefgeht, steht Kramp-Karrenbauer ohne Amt und Mandat da. Eine Rückkehr in die Landespolitik ist ausgeschlossen: Ihr Nachfolger, der 40-jährige Parteifreund Tobias Hans, ist bereits gekürt.

    Der Autor ist Redakteur der „Saarbrücker Zeitung“