Rom/Berlin. Am 4. März wählt Italien: Silvio Berlusconis Mitte-rechts-Bündnis verbreitet ausländerfeindliche Parolen und legt in den Umfragen zu.

Ist es ein Wiedergänger? Oder ist er echt? Der 81-Jährige sieht aus wie eine Wachsfigur, ein Botoxexperiment mit schwarz gefärbtem Haar, angeknipstem Dauerlächeln und blendend weißen Zähnen. Silvio Berlusconi ist wieder da. Der viermalige Ministerpräsident, milliardenschwere Medienmogul und König aller „Bunga-Bunga“-Partys war lange Zeit aus dem Rampenlicht verschwunden. Doch nun meldet sich der Chef der rechtskonservativen Forza Italia mit Macht zurück. Am 4. März wird in Italien ein neues Parlament gewählt. Berlusconi hat es vor allem auf die Wähler rechts außen im politischen Spektrum abgesehen.

Seit Anfang Februar hat sich der Wahlkampf und damit die innenpolitische Debatte verschoben: Einwanderung und Flüchtlinge wurden zum zentralen Thema. Am 3. Februar dieses Jahres hatte der 28-jährige Luca T. auf mehrere Afrikaner geschossen. Sechs Menschen wurden verletzt. Als daraufhin im ganzen Land Tausende Menschen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit protestierten, attackierte Berlusconi die Demonstranten: Dies sei eine „gefährliche Bewegung“, schimpfte er im Fernsehen. Er machte sich damit zumindest indirekt zum ideologischen Komplizen des Attentäters.

Wahl-Werbung mit Kampfsprüchen von Benito Mussolini

Doch Berlusconi ist nicht allein: Er steht an der Spitze eines Mitte-rechts-Bündnisses. Der zweite starke Mann der Allianz ist der Generalsekretär der rechtspopulistischen Lega Nord, Matteo Salvini. Der Abgeordnete des EU-Parlaments liebt es, Tabus zu brechen. So schlug er vor, in Straßenbahnwagen eine Trennung von Einwanderern und Italienern vorzunehmen. Neuerdings wirbt er mit Kampfsprüchen des Ex-Diktators Benito Mussolini. Wenn er nach dem 4. März an die Regierung komme, werde das Verbot fallen, Einbrecher zu erschießen, kündigte Salvini siegesbewusst an.

Scharfmacher hinter Berlusconi: Matteo Salvini.
Scharfmacher hinter Berlusconi: Matteo Salvini. © REUTERS | ALESSANDRO BIANCHI

Der Mix aus rassistischer Hetze, radikalen Parolen und der in der Bevölkerung wachsenden Angst vor Flüchtlingen beschert Berlusconi und Salvini kurz vor den Wahlen ein Umfragehoch, Tendenz steigend. Nach den letzten Erhebungen nähert sich Berlusconis Mitte-rechts-Bündnis der nötigen Mehrheit der Sitze. Seine Forza Italia könnte demnach mit 16–18 Prozent, Salvinis Lega Nord mit 13 und die postfaschistische Partei Fratelli d’Italia mit fünf Prozent auf die erforderliche Mehrheit hoffen. Das neue Wahlgesetz begünstigt Koalitionen, sodass 40 Prozent der Stimmen zur absoluten Mehrheit der Parlamentssitze ausreichen dürften.

Die derzeit noch regierenden Sozialdemokraten (Partito Democratico) unter dem eher blassen Regierungschef Paolo Gentiloni müssen fürchten, dass sie auf unter die 20-Prozent-Marke rutschen. Gentilonis Amtsvorgänger Matteo Renzi hat an Strahlkraft eingebüßt und ist längst kein Zugpferd mehr für die Partei.

Schüsse eines Rechtsextremen auf Afrikaner schrecken Italien auf

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    Auch Linkspopulisten profitieren

    Von dem aufgeheizten Klima und der grassierenden Politikverdrossenheit profitiert außer dem Berlusconi-Lager auch die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung. Obwohl in der Partei des Ex-Komikers Beppe Grillo ein Skandal den anderen jagt, dürfte sie mit rund 28 Prozent stärkste Kraft werden. Zunächst machten Tricksereien mit Abgeordnetendiäten Furore. So gibt es in der Sterne-Partei eine Vereinbarung, dass Parlamentarier einen Großteil ihrer Diäten in einen Fonds für notleidende Firmen einzahlen müssen: Staatsknete für die Wirtschaft.

    Aber einzelne Abgeordnete steckten insgesamt mindestens 1,4 Millionen Euro in die eigenen Taschen. Dass die Fünf-Sterne-Bewegung den Premier stellt, ist allerdings unwahrscheinlich. Sie hat es bislang abgelehnt, in eine Koalition einzutreten. Der Auftrag des Präsidenten geht an die Partei, die die besten Chancen hat, eine Regierung zu bilden.

    Hält der Umfragetrend der letzten Woche an, könnte dies auf Berlusconis Forza Italia hinauslaufen. Zumal rund ein Drittel der Wähler noch unentschlossen sind. Nach Einschätzung von Wahlforschern neigen diese stark zu konservativen oder rechtspopulistischen Parteien – also Vorteil Berlusconi.

    Italien ist ein Sorgenkind Europas

    Ob eine Mitte-rechts-Regierung dem Land guttäte, darf bezweifelt werden. Italien ist bereits heute ein Sorgenkind Europas: langsames Wirtschaftswachstum, hohe Arbeitslosigkeit, die zweithöchste Staatsverschuldung in der EU. Zu Letzterem hat auch Berlusconi kräftig beigetragen. Bis zu seinem Rücktritt 2011 betrieb er eine Spendierhosenpolitik, die tiefe Löcher in die öffentlichen Kassen riss. Und auch jetzt verspricht er wieder ein Füllhorn sozialer Wohltaten. Für Familien und Unternehmen soll es einen niedrigen Einheitssteuersatz (Flat Tax) von 23 Prozent geben, Rentner können sich auf eine Verdoppelung der Mindestpension auf 1000 Euro pro Monat freuen.

    Der „Cavaliere“ selbst kann allerdings nicht selbst Regierungschef werden: Er wurde 2013 wegen Steuerhinterziehung verurteilt und darf bis 2019 kein politisches Amt annehmen. Dafür strebt er die Rolle des Chef-Strippenziehers an, der hinter dem Vorhang die italienische Politik bestimmt. Dafür hält sich Berlusconi wie geschaffen: „Ich bin wie guter Wein, mit dem Alter werde ich besser und jetzt bin ich perfekt.“

    Für den Posten des Ministerpräsidenten habe er bereits einen Kandidaten in petto, hatte Berlusconi kürzlich angedeutet. Dieser sei in Europa bestens vernetzt. Für Insider in Rom ist die Sache klar: Dies könne nur Antonio Tajani sein, ehemaliger EU-Kommissar und seit Januar 2017 Präsident des Europa-Parlaments. Er gründete mit Berlusconi 1993 die Forza Italia und arbeitete ab 1994 als Pressesprecher des frisch gewählten Regierungschefs. Ein alter Weggefährte.