Berlin. Der Chef der Türkischen Gemeinde fühlt sich nach dem Auftritt von Poggenburg „an Reden von Goebbels“ erinnert. Der Verband will klagen.

Nach drastischen Äußerungen des AfD-Politikers André Poggenburg am Aschermittwoch will die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) rechtliche Schritte prüfen. „Wir erwägen Klagen wegen Verleumdung, Diskriminierung und übler Nachrede in den nächsten Tagen. Unsere Juristen prüfen gerade, was möglich ist“, sagte TGD-Chef Gökay Sofuoglu unserer Redaktion. Zuvor hatte die „Stuttgarter Zeitung“ über das Vorhaben berichtet.

Im Gespräch mit unserer Redaktion betonte Sofuoglu, dass ein entschiedenes Vorgehen bei solchen Äußerungen wichtig sei. „Durch Ignoranz schafft man auch Mitläufer. Bei der Rede von Herrn Poggenburg johlten viele Anhänger im Saal – mich hat die Szene schon an Reden von Joseph Goebbels erinnert. Und solche Tendenzen dürfen wir nicht zulassen.“

„Kümmelhändler“ und „Kamelträger“

In seiner Rede im sächsischen Nentmannsdorf hatte Poggenburg, AfD-Landeschef in Sachsen-Anhalt, die Türkische Gemeinde unter anderem „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“ genannt: „Diese Kümmelhändler haben selbst einen Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern am Arsch... und die wollen uns irgendetwas über Geschichte und Heimat erzählen? Die spinnen wohl! Diese Kameltreiber sollen sich dahin scheren, wo sie hingehören.“

Der Chef der Türkischen Gemeinde warnte zudem vor zunehmenden rechtspopulistischen Kräften in Deutschland. „Es ist an der Zeit, vehement gegen solche Äußerungen vorzugehen, weil der Rechtspopulismus in Deutschland immer mehr Raum einnimmt. Wir müssen die kritische Auseinandersetzung mit der Gesinnung der AfD führen.“

Aussagen wie von Poggenburg seien kein Einzelfall mehr, sondern würden salonfähig. „Mitglieder einer Partei, deren Abgeordnete in großer Zahl in vielen Parlamenten sitzen, sollten keine Aussagen machen, die dem Grundgesetz widersprechen“, so Sofuoglu.

Steinmeier verurteilt „Maßlosigkeit“ in Sprache

André Poggenburg, Chef der AfD in Sachsen-Anhalt, bei seiner Rede zum politischen Aschermittwoch.
André Poggenburg, Chef der AfD in Sachsen-Anhalt, bei seiner Rede zum politischen Aschermittwoch. © dpa | Sebastian Kahnert

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilt die verunglimpfenden Äußerungen gegen die Türkische Gemeinde. Es gebe Politiker, die eine „Maßlosigkeit in ihrer Sprache, Rücksichtslosigkeit und Hass in ihrer Haltung zu einer eigenen Strategie machen“, sagte Steinmeier am Rande seines Antrittsbesuchs in Sachsen-Anhalt am Donnerstag in Halle. „Ich hoffe, dass sich die Bürger dieses Landes nicht vor diesen Karren spannen lassen“, fügte das Staatsoberhaupt hinzu.

Steinmeier sagte weiter, er hoffe sehr darauf, dass diejenigen, „die sich in politische Verantwortung wählen lassen, in Parlamente und in Regierungen, sich ihres Vorbildcharakters bewusst sind und sich entsprechend verhalten“.

AfD-Chef Meuthen: Wortwahl Poggenburgs geht zu weit

Auch der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen kritisierte die beleidigende Formulierungen seines Parteifreundes. In der Sache stellte er sich aber am Donnerstag hinter den AfD-Landeschef aus Sachsen-Anhalt.

Meuthen erklärte: „Am Aschermittwoch geht es bekanntermaßen gerne mal verbal auch etwas derber zu. Die Wortwahl André Poggenburgs geht dessen ungeachtet deutlich zu weit und hätte nicht vorkommen sollen.“ Es sei aber dennoch bedenklich, „wenn sich Verbände in unserem Land gegen ein Ministerium für Heimat aussprechen, das in anderen Ländern aus guten Gründen eine selbstverständliche Realität ist“.

Der TGD-Vorsitzende Atila Karabörklü hatte mit Blick auf das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD erklärt, die Fokussierung auf den Heimat-Begriff setze einen falschen Akzent zur falschen Zeit: „Wir befürchten, dass er nicht Zusammenhalt und Zugehörigkeit, sondern Ausgrenzung und Spaltung fördert“. (mit Material von dpa, epd)