Berlin . Ministerpräsident Yildirim spricht sich überraschend für die Freilassung von Deniz Yücel aus. Der Journalist ist ein Jahr in Haft.

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) erwartet eine baldige Gerichtsentscheidung im Fall des seit einem Jahr in der Türkei inhaftierten „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel. „Und ich hoffe natürlich, dass die positiv für Deniz Yücel ausgeht“, sagte Gabriel am Mittwoch bei einem Besuch in Belgrad weiter.

„Wir haben alles dafür getan in den letzten Tagen und Wochen durch persönliche Gespräche, das Verfahren zu beschleunigen“, meinte Gabriel.

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Zuvor hatte der Bundesaußenminister erneut ein schnelles rechtsstaatliches Verfahren gefordert. Yücel hatte sich am 14. Februar 2017 freiwillig der Istanbuler Polizei gestellt, um sich zu seinen Berichten über den türkischen Energieminister Berat Albayrak zu erklären. Eine Anklageschrift liegt bis heute nicht vor.

Yildirim nährt Hoffnung auf baldige Bewegung

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hatte in einem Interview der Tagesthemen, das am Mittwochabend gesendet werden sollte, gesagt: „Ich bin der Meinung, dass es in kurzer Zeit eine Entwicklung geben wird.“ Eine Entscheidung über die Freilassung treffe nicht er, sondern die Gerichte, erklärte Yildirim. Um ein Gerichtsverfahrens zu beginnen müsste die Staatsanwaltschaft erst eine Anklageschrift vorlegen.

Yildirim sagte in dem Interview: „Wenigstens wird er vor Gericht erscheinen und jede Verhandlung ist eine Chance, damit er freikommt.“ Die Türkei sei ein Rechtsstaat, so der Ministerpräsident. „In Rechtsstaaten entscheiden die Gerichte über die Prozesse. Wir können aussprechen, was wir fühlen, was wir denken. Aber wir können uns nicht in die Position der Gerichte versetzen.“ Yildirim ergänzte aber: „Ich hoffe, dass er in kurzer Zeit freigelassen wird.“

Von der Verhaftung bis zu Freilassung – Deniz Yücels Weg in die Freiheit

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    Gabriel erneuert Forderungen

    Yildirim wird an diesem Donnerstag zu Besuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet. Mit Blick auf das Treffen sagte Yildirim: „Lasst uns eine neue Seite aufschlagen, die Vergangenheit vergessen, in die Zukunft blicken und unsere Beziehungen noch weiter ausbauen.“ Er werde mit Merkel „alle Themen ohne Zensur“ besprechen.

    Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) forderte laut „Frankfurter Rundschau“, Merkel müsse bei dem Termin deutlich machen, dass die anhaltende Haft ohne Anklage nicht akzeptabel sei“. Die Journalistin Tolu betonte im ZDF-Morgenmagazin: „Die Bundesregierung muss sich klar ausdrücken. Diese milden Töne bringen einfach nichts.“

    Regierung setzt sich für Freilassung ein

    Yücel besitzt neben der deutschen auch die türkische Staatsbürgerschaft. Die Bundesregierung setze sich weiter ebenso für die anderen Deutschen ein, die aus politischen Gründen in der Türkei in Haft sind, betonte Gabriel. Nach Ministeriumsangaben sind dies derzeit sechs Personen. Terrorverdächtige können nach türkischem Recht bis zu fünf Jahre lang in Untersuchungshaft bleiben.

    Eine Normalisierung der deutsch-türkischen Beziehungen ohne rechtsstaatliches Verfahren und Freilassung Yücels sei undenkbar, erklärte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der CSU-Europapolitiker Manfred Weber forderte unter anderem mit Blick auf die bislang nicht begründete Inhaftierung ein Ende des EU-Beitrittsprozesses. „Genau ein Jahr sitzt Deniz Yücel ohne Anklage im Gefängnis. Das ist ein inakzeptabler Zustand“, sagte er den Zeitungen.

    Auch der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter verlangte laut „Welt“ klare Signale an die Türkei: „In erster Linie dient die andauernde Inhaftierung von Yücel der türkischen Regierung als Faustpfand, um auf anderen Feldern der Zusammenarbeit Zugeständnisse zu erpressen, wie der Auslieferung von angeblichen Terroristen und Beteiligten am Putschversuch.“ (epd)

    Diese Deutschen waren in türkischer Haft

    Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, saß seit Ende Februar 2017 in der Türkei in Untersuchungshaft. Nach 367 Tagen wurde er aus türkischer Haft entlassen. Dem deutsch-türkischen Journalisten und Publizisten wurde wie zahlreichen anderen Medienvertretern Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen. Unter dem nach dem Putschversuch im Sommer 2016 von Staatschef Recep Tayyip Erdogan verhängten Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Die gilt in der Türkei als Terrororganisation.
    Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, saß seit Ende Februar 2017 in der Türkei in Untersuchungshaft. Nach 367 Tagen wurde er aus türkischer Haft entlassen. Dem deutsch-türkischen Journalisten und Publizisten wurde wie zahlreichen anderen Medienvertretern Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen. Unter dem nach dem Putschversuch im Sommer 2016 von Staatschef Recep Tayyip Erdogan verhängten Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Die gilt in der Türkei als Terrororganisation. © dpa | Soeren Stache
    Deniz Yücel und seine Frau Dilek Mayatuerk kurz nach der Freilassung aus dem Gefängnis. Die Freilassung Yücels wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte.
    Deniz Yücel und seine Frau Dilek Mayatuerk kurz nach der Freilassung aus dem Gefängnis. Die Freilassung Yücels wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte. © REUTERS | HANDOUT
    #FreeDeniz: Diese Solidaritätsbekundung – aufgedruckt auf einem T-Shirt – forderte die Freilassung Yücels.
    #FreeDeniz: Diese Solidaritätsbekundung – aufgedruckt auf einem T-Shirt – forderte die Freilassung Yücels. © picture alliance / Eventpress | dpa Picture-Alliance /
    Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu saß fast acht Monate in der Türkei in Untersuchungshaft. Sie war am 30. April 2017 festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Istanbuler Wohnung stürmten. Ihr wird laut Haftbefehl vorgeworfen, Mitglied der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt.
    Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu saß fast acht Monate in der Türkei in Untersuchungshaft. Sie war am 30. April 2017 festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Istanbuler Wohnung stürmten. Ihr wird laut Haftbefehl vorgeworfen, Mitglied der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt. © dpa | Lefteris Pitarakis
    Mehr als fünf Monate nach Festnahme der Mutter eines Sohnes startete am 11. Oktober der Prozess. Am 18. Dezember 2017 entschied dann ein Gericht: Tolu darf die U-Haft verlassen, die Türkei aber nicht verlassen. Ende August dann die Erlösung: Tolu darf zurück nach Deutschland. Die Ausgangsperre wurde aufgehoben. Der Prozess werde allerdings weitergeführt.
    Mehr als fünf Monate nach Festnahme der Mutter eines Sohnes startete am 11. Oktober der Prozess. Am 18. Dezember 2017 entschied dann ein Gericht: Tolu darf die U-Haft verlassen, die Türkei aber nicht verlassen. Ende August dann die Erlösung: Tolu darf zurück nach Deutschland. Die Ausgangsperre wurde aufgehoben. Der Prozess werde allerdings weitergeführt. © Facebook/Mesale Tolu | Facebook/Mesale Tolu
    Ihr ebenfalls wegen Terrorverdacht inhaftierter Ehemann Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wurde Ende November 2017 aus türkischer Haft entlassen. Er muss vorerst in der Türkei bleiben.
    Ihr ebenfalls wegen Terrorverdacht inhaftierter Ehemann Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wurde Ende November 2017 aus türkischer Haft entlassen. Er muss vorerst in der Türkei bleiben. © dpa | Linda Say
    Nach mehr als drei Monaten Untersuchungshaft wurde der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner am 25. Oktober 2017 entlassen. Ein Gericht in Istanbul hatte die Freilassung ohne Auflagen beschlossen. Auch die mitangeklagten türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, teilweise aber unter Auflagen.
    Nach mehr als drei Monaten Untersuchungshaft wurde der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner am 25. Oktober 2017 entlassen. Ein Gericht in Istanbul hatte die Freilassung ohne Auflagen beschlossen. Auch die mitangeklagten türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, teilweise aber unter Auflagen. © dpa | Emrah Gurel
    Steudtners (2 v.r.) schwedischer Kollege, Ali Gharavi (2 v.l.), durfte auch das Hochsicherheitsgefängnis Silivri verlassen. Steudtner sagte vor Journalisten: „Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatisch und mit Solidarität unterstützt haben.“
    Steudtners (2 v.r.) schwedischer Kollege, Ali Gharavi (2 v.l.), durfte auch das Hochsicherheitsgefängnis Silivri verlassen. Steudtner sagte vor Journalisten: „Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatisch und mit Solidarität unterstützt haben.“ © REUTERS | OSMAN ORSAL
    Steudtner war am 5. Juli 2017 bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden.
    Steudtner war am 5. Juli 2017 bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden. © dpa | Privat
    Der türkischstämmige Unternehmer Özel Sögüt aus Siegen ist im Dezember 2016 verhaftet worden. Mittlerweile ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, darf aber die Türkei nicht verlassen. Ihm wird vorgeworfen, der Gülen-Bewegung anzugehören.
    Der türkischstämmige Unternehmer Özel Sögüt aus Siegen ist im Dezember 2016 verhaftet worden. Mittlerweile ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, darf aber die Türkei nicht verlassen. Ihm wird vorgeworfen, der Gülen-Bewegung anzugehören. © privat | privat
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