Berlin. Die GroKo-Gespräche wurden im Ausland genau verfolgt. Die internationale Presse schwankt nun zwischen Erleichterung und Pessimismus.

Europa wartete gespannt auf das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen in Berlin. Immerhin gilt Deutschland als Großmacht in der EU, Kanzlerin Angela Merkel als Europas politische Anführerin. Doch die internationale Presse ist skeptisch, ob Merkel mit der neuen großen Koalition reüssieren wird. Ein Überblick:

• „Neue Zürcher Zeitung“ (Schweiz): „Deutschland wäre bereit für Neues, für einen Aufbruch, für Zukunftsoptimismus. Doch das wird es von Merkel, Schulz und Co. nicht erhalten. Die abermalige große Koalition ist eine Sackgasse. Sie wird die Volksparteien und ihr Spitzenpersonal noch einmal an der Macht halten, aber ihren Niedergang kaum verhindern.“

• „Times“ (Großbritannien): „Die Koalition könnte möglicherweise nicht vier Jahre bestehen und Angela Merkel wird nicht die dominante europäische Figur sein, die sie in ihren ersten drei Amtszeiten war. Britische Minister, die darauf hoffen, diese Schwäche in den Brexit-Gesprächen auszunutzen, werden wahrscheinlich enttäuscht. Die Dispute, die die Koalitionsgespräche in die Länge gezogen haben, betrafen vor allem die deutsche Innenpolitik, nicht Europa.“

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    • „Die Presse“ (Österreich): „Der SPD-Chef (Martin Schulz), der innerhalb eines Jahres eine einzigartige Achterbahnfahrt durchlebt hatte, zahlreiche Volten schlug und zunehmend eine unglückliche Figur machte, rettete sich durch einen Überraschungscoup: Er wird den Parteivorsitz wohl aufgeben, um sich sein Wunschressort – das Außenamt – zu sichern. Zudem spekuliert die SPD auf ein Ende der Koalition zur Mitte der Legislaturperiode. Zumindest klammern sich die Sozialdemokraten an das Szenario einer Post-Merkel-Ära – wenn das nur keine Illusion ist.“

    • „La Repubblica“ (Italien): „Berlin krönt Angela IV. Aber die starken Ministerien gehen an die SPD. Eine pro-europäische Koalition nimmt in Deutschland Gestalt an . Die Geburt einer deutschen Regierung, die endlich ohne Argwohn nach Brüssel schaut, ja eher mit Enthusiasmus, und die einen Sozialdemokraten als Finanzminister einsetzt, ist sicher eine gute Nachricht für Europa.“

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    • „Corriere della Sera“ (Italien): „Merkel verliert, weil sie einen hohen Preis für ihr viertes Mandat bezahlt. Dass das Finanzministerium an die SPD geht, bedeutet nicht, dass Deutschland in Zukunft Abstriche mit Blick auf die europäischen Regeln macht. Aber es ist ein Zeichen einer Wende. Vielleicht ist es das, was die Kanzlerin wollte. Aber in den Augen vieler ist es ein totaler Absturz.“

    • „Politiken“ (Dänemark): „Eine geschwächte Kanzlerin, die Teile ihrer Politik und große Ministerposten in den Regierungsverhandlungen aufgeben musste, und die tiefen prinzipiellen Gegensätze zwischen SPD und CSU in der Asyl- und Sozialpolitik können diese große Koalition ausbremsen, bevor sie die nächste Wahl in gerade vier Jahren erreicht.“

    • „El Pais“ (Spanien): „Deutschland hat es geschafft, eine Koalitionsregierung zwischen Mitte-Rechts und Mitte-Links zu bilden, mit enormen Schwierigkeiten und ,schmerzhaften Zugeständnissen’ (in den Worten von Angela Merkel). Diese wird aber nicht nur die Stabilität und den Wohlstand des Landes garantieren, sondern auch den Weg zu den Reformen ebnen, die die Europäische Union braucht.“

    • „El Mundo“ (Spanien): „Merkel hat einmal mehr ein Beispiel ihrer Führungsqualitäten und Weitsicht gegeben. Deutschland gewinnt. Europa auch.“

    • „Pravda“ (Slowakei): „Künftig könnten sich die Wähler fragen, wozu sie überhaupt noch zu den Urnen gehen sollen, wenn am Schluss so oder so wieder eine große Koalition herauskommt. Diese scheinbare Alternativlosigkeit wird Wasser auf die Mühlen der AfD sein. Auch darum müssen die Sozialdemokraten in der Regierung erfolgreich sein. Andernfalls erwartet sie der politische Tod.“

    • „Magyar Idök“ (Ungarn): „Merkel muss auch beweisen, dass man die fast zwei Millionen Fremden, die man aufgenommen hat, integrieren kann. Man weiß von einer halben Million arbeitsloser Flüchtlinge, aber viele sind nicht registriert. Wir drücken der neuen deutschen Regierung aufrichtig die Daumen, dass sie mit ihnen etwas anzufangen weiß. Nicht wegen Merkel, sondern unseretwegen. Denn viele Hunderttausend frustrierte, desillusionierte, wurzellose Menschen innerhalb der Schengen-Zone: das ist eine echte Zeitbombe.“ (W.B./dpa)