Berlin. Erst wurde die Einigung verkündet, dann begann der Kampf um die Deutungshoheit. Der Familiennachzug bleibt bei SPD und Union strittig.

Die am Dienstagnachmittag verkündete Einigung hielt nicht lange. Die Statements der GroKo-Unterhändler von SPD und Union waren gerade verhallt, da brach der Zwist um den Familiennachzug für Flüchtlinge auch schon wieder auf. Großkoalitionäre Einigkeit sieht anders aus.

Die Unterhändler von CDU, CSU und SPD hatten sich darauf verständigt, dass Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus ab August in begrenztem Umfang wieder Angehörige nach Deutschland nachholen dürfen. Bis dahin bleibt der Familiennachzug ausgesetzt. Ab August gilt eine Grenze von 1000 Menschen pro Monat. Hinzu kommt eine Härtefallregelung.

Allerdings gibt es zwischen den Parteien unterschiedliche Auslegungen der Regelung. Und: Der Ton einiger Äußerungen lässt darauf schließen, dass die Stimmung in den schwarz-roten Verhandlungsrunden nicht zum Besten steht. Besonders SPD und CSU schenken sich nichts.

• So groß ist der Ärger in Teilen der SPD

Juso-Chef Kevin Kühnert, Anführer der GroKo-Gegner in der SPD, griff am Mittwochmorgen die Verhandlungsführern mit Parteichef Martin Schulz an: Bei der Härtefallregelung habe der Parteitag ganz klar eine „weitergehende“ Regelung als bisher gefordert. „Dieser Auftrag ist nicht erfüllt worden“, sagte Kühnert im Deutschlandfunk. „Wenn die Union sich nicht an der Stelle bewegt, muss man da rausgehen.“

SPD-Vize Ralf Stegner attackierte den potenziellen Bündnispartner CSU: Die CSU sei „geradezu in blindwütigem Wettbewerb mit der AfD über die Deutungshoheit über den Stammtischen“, so Stegner in den ARD-„Tagenthemen“. Und zur GroKo: „Wir wollen nicht heiraten, sondern das ist eine Lebensabschnittspartnerschaft, maximal, wenn es dazu kommt, die dann hoffentlich bald auch wieder enden wird.“

SPD-Fraktionsvize Eva Högl will sich mit dem Kompromiss nicht abfinden und weiter über die über das 1000er-Kontingent hinausgehende Härtefallregelung diskutieren: „Wir werden natürlich schauen, ob wir das auch noch umsetzen können, was beim Parteitag Gegenstand der Beratung war, nämlich eine etwas großzügigere, weitergehende Härtefallregelung zu erreichen.“

• So keilte die CSU zurück

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt will von einer Ausweitung der Nachzugsregelung nichts wissen: „Mit der Neuregelung wird der Anspruch auf Familiennachzug für subsidiär Geschützte endgültig abgeschafft.“ Das sei ein zentraler Baustein zur weiteren Begrenzung der Zuwanderung. „Neue Härtefallregelungen, die ein Mehr an Zuwanderung bedeutet hätten, gibt es nicht.“

Einigung zum Familiennachzug: Dobrindt zur Härtefallregelung

weitere Videos

    Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) forderte die SPD auf, sich zum ausgehandelten Kompromiss zu bekennen. Eines der Probleme der Sozialdemokraten sei, „dass man sich einerseits auf etwas einigt, es aber anschließend Teile der SPD gibt, die dann erklären, dass sie nicht zufrieden sind“, sagte der beim Thema Migration federführende CSU-Unterhändler am Mittwoch im ZDF-„Morgenmagazin“. „Wenn man es anschließend immer wieder in Frage stellt, ist das für eine künftige Regierung nicht ganz einfach.“

    CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer beharrte via Twitter ebenfalls auf der Auslegung, dass der Kompromiss im Vergleich zur aktuellen Regelung „kein Mehr an Zuwanderung“ bringt, so wie es die SPD-Führung aber behauptet:

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Dieser Streit und nicht zuletzt auch die wenig auf Harmonie bedachte Tonlage werfen ein Schlaglicht auf die Koalitionsverhandlungen, die an diesem Sonntag zum Abschluss kommen sollen. Da erinnert doch einiges an die vier quälenden Wochen der Jamaika-Sondierung, bevor FDP-Chef Christian Lindner die Gespräche platzen ließ. Platzt auch Schwarz-Rot? (mit Material von dpa)