Berlin. Ja zur Förderung der Gedenkkultur, Nein zum verpflichtenden Besuch ehemaliger KZ: So haben es die meisten Bundesländer entschieden.

Eine Mehrheit der Bundesländer setzt in der Debatte um verpflichtende Besuche von KZ-Gedenkstätten weiter auf Freiwilligkeit und überlässt die Entscheidung den Schulen und Lehrern. Das ergab eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes bei den Bildungs- und Kultusministern der Länder. Angesichts wachsender antisemitischer Tendenzen halten es einige Länder aber für angebracht, über eine Verpflichtung zum Besuch von Gedenkorten nachzudenken.

Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) sagte, aus ihrer Sicht sollten alle Schüler einmal einen Gedenkort besuchen. Sie halte es für angebracht, über eine Verpflichtung nachzudenken. Ähnlich äußerte sich die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). Eine Verpflichtung für Schüler gebe es bisher in ihrem Bundesland nicht. Der Besuch einer NS-Gedenkstätte könne Unrecht und Willkür der nationalsozialistischen Diktatur besser vermitteln als jede Schullektüre, sagte Hubig.

Die Debatte war durch die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli (SPD) ausgelöst worden. Sie hatte sich kürzlich angesichts aktueller antisemitischer Vorfälle in Deutschland für Pflichtbesuche in ehemaligen Konzentrationslagern ausgesprochen und gesagt, das müsse auch für Zuwanderer gelten. Begrüßt wurde der Vorschlag unter anderem vom Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster.

Thüringen, NRW, Bremen und Sachsen gegen Pflicht

Der Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, der thüringische Bildungsminister, Helmut Holter (Linke), äußerte sich dagegen skeptisch. Er sagte, das Lernen an Erinnerungsorten sei „richtig und wichtig“. Er halte Pflichtbesuche aber für den falschen Weg. Thüringen habe das Antragsverfahren vereinfacht. Seitdem steige die Zahl der Fahrten zu Gedenkstätten.

Weitere Länder wandten sich gegen verpflichtende Besuche von KZ-Gedenkstätten. NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) erklärte, Freiwilligkeit sei nachhaltiger als neue Pflichten. Solche Exkursionen lägen in der Verantwortung der Lehrkräfte.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern liegt es im Ermessen der Schulen, „ob und wohin Gedenkstättenfahrten durchgeführt werden“, erklärte das Bildungsministerium. Bremen und Sachsen-Anhalt verfahren ebenso. Hamburg empfiehlt den Besuch von Gedenkstätten, nicht aber explizit den Besuch von ehemaligen Konzentrationslagern, teilte die Schulbehörde mit.

Zwangsweise Besuche hätten keinen Lerneffekt

Niedersachsen setzt ebenfalls auf Freiwilligkeit. Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) sagte: „Zwangsweise Besuche in Gedenkstätten führen meiner Überzeugung nach nicht zum erhofften Lerneffekt.“ Es sei aber gängige Praxis, dass Lehrer die Angebote der Gedenkstätten nutzen. In Hessen sieht Kultusminister Alexander Lorz (CDU) den Gedenkstätten-Besuch ebenfalls als sinnvolle Ergänzung des Unterrichts. Eine Verpflichtung werde jedoch nicht erwogen, teilte sein Sprecher mit.

In Bayern und Sachsen ist eine Exkursion zu einem Gedenkort für Opfer des Nationalsozialismus in den Lehrplänen verankert. In Bayern gilt das für Gymnasien und Realschulen. Das Kultusministerium in Dresden teilte mit, Pflichtbesuche plane man nicht. Üblicherweise besuchten die Schüler am Gymnasium in der 9. Klasse und vor dem Abitur und die Oberschulen mit den 8. Klassen ehemalige Konzentrationslager im In- und Ausland.

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    In Berlin muss jeder Abiturjahrgang eine Gedenkstätte besuchen, die an den Holocaust erinnert, es muss aber nicht ein Konzentrationslager sein. Für die Sekundarstufe I wird der Besuch einer Gedenkstätte, von Gedenkorten, Museen oder die Begegnung mit Zeitzeugen empfohlen. In Brandenburg sollen die 7. bis 10. Klassen zwei Gedenkorte besuchen. Die Entscheidung liegt bei den Schulen.

    Einig sind sich alle Bundesländer, dass Schulklassen NS-Gedenkorte besuchen sollen, um das Wissen der Schüler über die Verbrechen der Hitler-Diktatur zu vertiefen. Wichtig sei eine sorgfältige Einbindung in den Unterricht. In aller Regel werden die Exkursionen finanziell gefördert. (epd)