Brüssel/Berlin. Soziale Netzwerke entfernen europaweit 70 Prozent der beanstandeten Inhalte. Die EU sieht Erfolge - und zweifelt am deutschen Gesetz.

Hasskommentare im Internet werden von sozialen Netzwerken immer häufiger gelöscht – auch ohne gesetzliche Vorgaben wie jetzt in Deutschland. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der EU-Kommission in den Mitgliedsländern. Danach haben Facebook, Twitter und YouTube in Europa zuletzt rund 70 Prozent aller Inhalte gelöscht, die Nutzer als hetzerisch beanstandet hatten – Ende 2016 lag dieser Anteil erst bei 28 Prozent.

EU-Justizkommissarin Vera Jourova wertete die Zahlen als Erfolg ihrer Strategie, den Kampf gegen Online-Hetze auf Grundlage einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Internet-Konzerne zu führen. Facebook, Twitter, Youtube und Microsoft hatten sich im Mai 2016 mit einem Verhaltenskodex verpflichtet, strafbare hetzerische Inhalte innerhalb von 24 Stunden aus dem Netz zu entfernen. Künftig wollen sich auch Google+ und Instagram beteiligen, berichtete Jourova. Mit ihrem Lob für das „wirksame und treffsichere Instrument“ verband die Kommissarin Kritik am deutschen Weg einer besonderen gesetzlichen Löschverpflichtung.

Hohe Bußgelder gegen soziale Netzwerke drohen

In Deutschland drohen seit Anfang des Jahres mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz hohe Bußgelder, wenn Hasskommentare oder -videos nicht innerhalb von 24 Stunden entfernt werden. Das Gesetz habe sicher eine abschreckende Wirkung, doch funktioniere die Abschreckung wohl zu gut, meinte die Kommissarin: Im Zweifel löschten die Unternehmen lieber schnell ein Posting, statt eine Strafe zu riskieren. Der Ansatz der EU sei dagegen: „Im Zweifel nicht löschen“. Dass Social-Media-Plattformen 100 Prozent der beanstandeten Inhalte entfernten, sei daher gar nicht Ziel der europäischen Strategie.

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Tatsächlich erreicht laut Untersuchung nur Deutschland eine Löschquote von 100 Prozent der beanstandeten Inhalte. Knapp dahinter liegen – auch ohne Gesetz – Litauen und Ungarn mit über 90 Prozent. Doch wird andererseits in Ländern wie Dänemark, Kroatien, Niederlanden oder Portugal nicht einmal jeder zweite von Nutzern als hetzerisch gemeldete Inhalt entfernt.

Meist fremdenfeindliche oder antiislamische Inhalte

Bei der Online-Hetze geht es um Postings, in denen zu Gewalt oder Hass gegen Personen oder Gruppen etwa wegen Rasse, Hautfarbe, Religion, Abstammung oder nationaler oder ethnischer Herkunft angestachelt wird - also um strafbare Äußerungen. Der Satz „Ich hasse Dich“ ohne einen solchen Bezug zählt nicht zu den illegalen Inhalten, versichert die Kommission. Die Untersuchung ergab, dass die Hälfte der Beanstandungen auf Botschaften entfiel, die fremdenfeindliche oder antiislamische Inhalte hatten oder gegen einzelne Volksgruppen gerichtet waren.

Rassistische Hetze wurde deutlich seltener gemeldet. Am häufigsten kam Facebook den Beschwerden nach, bei Twitter wurde dagegen nicht einmal jeder zweite beanstandete Tweet gelöscht. Über 80 Prozent der Meldungen wurde innerhalb von 24 Stunden überprüft.

Die Untersuchung bezog sich allerdings nur auf eine Stichprobe mit Hinweisen von Nichtregierungsorganisationen und öffentlichen Stellen. Nicht gemeldete Hassbotschaften werden von dem System gar nicht erfasst. Die Kommission forderte die IT-Unternehmen auf, jetzt entschlossener auch auf terroristische Inhalte zu reagieren.

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