Berlin. Der Sondierungskompromiss wird von immer mehr Sozialdemokraten zerpflückt. Durch die SPD geht ein Riss. Auch die Union ist verärgert.

Knapp eine Woche vor dem Parteitag der SPD zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen verhärten sich die Fronten zwischen Parteispitze und GroKo-Kritikern aus den eigenen Reihen.

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verteidigte das Ergebnis der Sondierung mit der Union. „Wir haben eine lange Liste von Punkten durchgesetzt, die das Leben der Menschen ganz konkret verbessern“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Daran gibt es nichts kleinzureden.“ Die SPD habe natürlich nicht alles bekommen. „Aber das, was wir durchgesetzt haben, rechtfertigt die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.“

Schulz nach Debatte mit Mitgliedern in Dortmund optimistisch

Am Montagabend debattierte der SPD-Chef in Dortmund erstmals mit Parteitagsdelegierten über die Ergebnisse der Sondierungen. „Es war ein sehr offener und sehr konstruktiver Meinungsaustausch“, sagte Schulz. Es habe eine sehr lebhafte Diskussion gegeben, deren Ernsthaftigkeit ihn sehr beeindruckt habe. Es sei „viel Nachdenklichkeit“ ausgelöst worden. Dem Parteitag sehe er sehr optimistisch entgegen.

Martin Schulz und Andrea Nahles vor ihrem Treffen mit Parteitagsdelegierten in Dortmund.
Martin Schulz und Andrea Nahles vor ihrem Treffen mit Parteitagsdelegierten in Dortmund. © REUTERS | WOLFGANG RATTAY

Schulz hatte die 79 westfälischen Delegierten sowie weitere Gäste nach Dortmund eingeladen. Rund 70 Parteifunktionäre waren der Einladung gefolgt. Die Diskussion fand hinter verschlossenen Türen statt. Schulz verließ die Veranstaltung, an der auch Andrea Nahles teilnahm, nach gut drei Stunden.

Nahles: „Da werde ich dagegenhalten“

Seit Abschluss der schwarz-roten Sondierungen ist in der SPD eine kontroverse Debatte zu den ausgehandelten Inhalten entbrannt. Fraktionschefin Andrea Nahles warf den Gegnern einer großen Koalition auch in der eigenen Partei vor, dass Sondierungsergebnis „mutwillig“ schlechtzureden.

„Da wird ein Ergebnis schlecht geredet von einigen, die egal, was wir verhandelt hätten, gegen die GroKo sind“, sagte Nahles am Montag im Deutschlandfunk. „Das akzeptiere ich nicht, da werde ich dagegenhalten.“ Die SPD habe in den Sondierungen viele Erfolge erreicht, etwa die Absicherung des Rentenniveaus.

SPD-Parteitag entscheidet über Aufnahme von Koalitionsverhandlungen

Ein SPD-Sonderparteitag wird am Sonntag darüber entscheiden, ob die SPD in Koalitionsverhandlungen mit der Union einsteigen wird. Von Seiten der Union ist der Weg dafür frei: Nach dem CDU-Vorstand am Freitag billigte am Montag auch der CSU-Vorstand die Aufnahme förmlicher Verhandlungen über eine Neuauflage der großen Koalition – auf Basis des Sondierungspapiers. Sowohl die CDU- als auch die CSU-Spitze wollen noch am Sonntagabend direkt nach der Entscheidung des SPD-Parteitags über die Konsequenzen beraten.

SPD-Vizechef Ralf Stegner.
SPD-Vizechef Ralf Stegner. © dpa | Carsten Rehder

Zahlreiche SPD-Politiker kritisierten den Sondierungskompromiss. Am Montagabend stellte sich die Berliner SPD gegen die Koalitionsverhandlungen mit der Union. Wir lehnen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union ab und appellieren an alle Delegierten zum Bundesparteitag, sich unserem Votum anzuschließen“, erklärte der Berliner Landesvorstand.

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner sagte der „Bild“-Zeitung: „Das Sondierungsergebnis kann nur die Basis sein für Koalitionsverhandlungen. Es wird jetzt so getan, als sei alles schon verhandelt – das ist es mitnichten.“

Stegner sagte in Kiel, er gehöre nach wie vor zu den Skeptikern einer neuen großen Koalition. Er rechne beim Parteitag aber mit einer Mehrheit für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. „Aber ich glaube, dass das schwierig sein wird, weil ich die Kritikpunkte für berechtigt halte.“

Seehofer weist SPD-Forderungen nach Nachbesserungen zurück

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    Malu Dreyer sieht Chance für Nachbesserungen

    Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sieht noch die Chance für Nachbesserungen. „Das Sondierungspapier trägt eine deutlich sozialdemokratische Handschrift für die Zukunft unseres Landes“, schrieb die SPD-Vizechefin, die an den Gesprächen teilgenommen hatte, bei Facebook. „Klar ist aber auch: Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen sind zwei verschiedene Paar Schuhe.“ Die SPD werde versuchen, in den Koalitionsverhandlungen noch Erfolge zu erzielen, sagte sie dieser Redaktion.

    SPD-Vizechefin Malu Dreyer.
    SPD-Vizechefin Malu Dreyer. © dpa | Arne Dedert

    Die Nachbesserungsforderungen der SPD betreffen zum Beispiel die Einführung der Bürgerversicherung und ein Verbot der Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachlichen Grund. Schulz will diese Woche bei Parteitagsdelegierten für ein Ja zu Koalitionsverhandlungen werben - unter anderem in NRW, von wo die meisten Delegierten kommen. Montagabend wollte er in Dortmund bei der kritischen Basis werben.

    Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert, ein entschiedener Gegner einer neuen großen Koalition, hält das Ergebnis der Abstimmung auf dem Parteitag für offen. „Wetten würde ich im Moment keine abschließen“, sagte er der „Berliner Zeitung“ (Montag). „Abseits der Parteiführung gibt es in der SPD aktuell ein extrem kontroverses Stimmungsbild“, ergänzte Kühnert in der „Rheinischen Post“.

    Linke Politiker über Sondierungsergebnis: "Die große Koalition wird der SPD schaden"

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      Seehofer zeigt Verständnis für SPD

      Die Forderungen nach Nachverhandlungen sorgen in der Union für Verärgerung. „Was jetzt als Konsens auch der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, an dem gibt es nichts mehr zu rütteln“, sagte

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      der der „Bild“-Zeitung. „Auch uns ist einiges schwergefallen, nicht nur der SPD.“

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      lehnte Änderungen ab. „Einseitiges Nachverhandeln kann es nicht geben, sondern nur Vertiefungen des Vereinbarten in möglichen Koalitionsverhandlungen“, sagte die CDU-Vizevorsitzende der „Rheinischen Post“ (Dienstag).

      Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU).
      Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU). © dpa | Daniel Karmann

      CSU-Chef Horst Seehofer sagte in München: „Man kann jetzt nicht einseitig nach der Sondierung aufsatteln mit Dingen, die man in der Sondierung nicht durchsetzen konnte.“ Seehofer zeigte aber auch Verständnis für die Debatte in der SPD. „Als langjähriger Politiker weiß ich, dass solche Prozesse in einer so gebeutelten Partei normal sind.“

      Hubertus Heil wünscht sich Bildungsministerium in SPD-Hand

      Der designierte bayerische Ministerpräsident Markus Söder betonte: „Wir haben viele Dinge durchgesetzt, die anderen aber auch. Ich würde einfach nur jedem raten, dass man über die Erfolge spricht und nicht herummäkelt an diesem Ergebnis.“

      Unabhängig vom Sondierungsstreit wurden am Montag bereits Postenwünsche laut. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil wünscht sich, dass die Sozialdemokraten im Fall einer neuen großen Koalition das Bildungsministerium übernehmen. „Also ein Herzenswunsch wäre das schon“, sagte Heil am Montag in Berlin. (dpa)