Stuttgart. Christian Lindner steht voll im Fokus beim Dreikönigstreffen der FDP. Mit seiner Person ist Erfolg wie Misserfolg der Partei verbunden.

Tiefer Fall, zäher Aufstieg, glanzvolles Comeback – und dann

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, so hätte sich Christian Lindner den Preis für den besten Cliffhanger gesichert, den Nervenkitzler am Episodenende. Doch was nun?

Die Liberalen bemühen sich darum, dem Publikum zu erklären, warum es sich auch nach dem spektakulären Jamaika-Aus noch für eine Fortsetzung der FDP-Geschichte interessieren sollte. Leicht ist das nicht.

Christian Lindner als Reformator

Beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart kündigte Lindner jetzt in einer kämpferischen Rede an, als Reformator die deutsche Politik umzukrempeln zu wollen – wie einst SPD-Kanzler Gerhard Schröder. „15 Jahre lang hat das Land von der Reformdividende von Gerhard Schröder gelebt. Sie ist jetzt endgültig verbraucht.“

Die Antwort, so Lindner, müsse eine neue Wachstumsagenda sein. Doch außer den Liberalen sei derzeit keine Partei bereit dazu: „Man kann eine Gesellschaft mit Taten überfordern, aber auch mit Ambitionslosigkeit unterfordern.“ Applaus brandet auf, bei seinen eigenen Leuten trifft Lindner den richtigen Ton. Auch mit der Ansage, die

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fürchte keine Neuwahlen. Im Gegenteil. Warum, fragt er, lasse man die Deutschen die neue Lage nicht bewerten?

Der Parteichef will den Blick nach vorn richten

Doch eines irritiert: „Eine neue Generation Deutschland“ steht am Samstag in grellen Farben hinter dem jungen Parteichef auf der Bühne der Stuttgarter Staatsoper. Wenn vorne nun auch ein neuer FDP-Vizekanzler stünde, ein Finanzminister Lindner zum Beispiel, der sich, trotz einiger Bauchschmerzen, auf eine Jamaika-Koalition eingelassen hätte – dann wäre dieser Satz unmittelbar einleuchtend. Doch an diesem Januartag steht ein Mann auf der Bühne, der seine Partei mit dem Gang in die Opposition in eine schwierige Lage gebracht hat. Und der jetzt beweisen will, dass sie überhaupt nicht schwierig ist.

Das Nein der FDP zu Jamaika sei kein Fehler gewesen, sondern „eine Investition in unsere Glaubwürdigkeit“. Lindners Hoffnung: Dass die kompromisslose Haltung der Liberalen die Wähler am Ende eher begeistert statt abschreckt. Mehr noch: die FDP habe damit „eine Kampfansage gegen Politikverdrossenheit“ geliefert. Auch da gehen die allermeisten FDP-Anhänger mit.

FDP will Antworten auf AfD geben

Und weil es immer wieder Stimmen gibt, die der FDP einen Rechtsruck unterstellen, um neue Wähler zu gewinnen, stellt der Parteichef gleich noch mit Verve klar, in welcher Rolle er die Liberalen sieht: „Die Antwort auf die AfD muss die nüchterne Zurückweisung sein – und eine andere Bundespolitik, die die Probleme wieder klein macht, die die AfD groß gemacht haben.“

Lindner, der Reformator ohne Regierungsamt, will nun den Blick nach vorne richten: Im Bundestag planen die Liberalen Initiativen für ein Einwanderungsgesetz und eine Bildungsreform. Durch gute Ergebnisse bei den anstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen hofft die FDP auf mehr Einfluss im Bundesrat. Doch der Weg über die Länder ist steinig. In Bayern etwa muss FDP-Spitzenkandidat Daniel Föst die Liberalen überhaupt erstmal wieder in den Landtag bringen.

Lindner weiß um seine Überzeugungskraft

Bis heute fällt es dem Parteichef schwer, anderen lange Leine zu lassen. „Ich musste erst lernen, dass es auch ohne mich geht“, bekennt er in seinem Buch über den Wiederaufstieg der FDP. Aber ein „autoritärer Führer“, wie ihm von außen oft vorgeworfen wird, das sei doch Quatsch, ruft er lachend von der Bühne. Fest steht immerhin: Lindner ist ein politisches Ausnahmetalent. Und wenn die FDP am Ende ohne größeren Schaden aus dem Jamaika-Debakel hervorgehen sollte, dann liegt das auch daran, dass Lindner seit Wochen nichts anderes tut, als seine Entscheidung sehr glaubhaft zu rechtfertigen. „Er hat uns das einfach immer wieder erklärt“, berichten Zuhörer beim Dreiköngstreffen. Offenbar solange, bis es auch der Letzte so sah wie der Parteichef.

Lindner weiß um seine Überzeugungskraft und er kann die eigene Begeisterung dafür nicht immer verbergen. „Moment noch!“ bremst er während seiner Dreikönigsrede die applauswilligen Anhänger, er will erst noch die Pointe ausspielen, dann darf gerne geklatscht werden. Es ist eine Gratwanderung.

Im Netz gab es oft Spott

Lindner fliegen alte Sprüche um die Ohren

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    : „Alle elf Minuten verliebt sich ein Liberaler in sich selbst“ – eine Anspielung auf einen Werbespruch einer Partnervermittlung. Gemeint war der Parteichef, der sein kantig gehungertes Gesicht für die FDP-Wahlkampagne in die Kamera hielt. Der Spott wurde ihm am Ende dann doch wohl etwas zu viel: „Herrenduft-Werbung“ nennt Lindner die Kampagne heute und hat seiner Berliner Werbeagentur schon mal klargemacht, dass die nächste nicht so smart rüberkommen dürfe, im Fall von Neuwahlen.

    Doch nicht jeder freut sich auf Neuwahlen: Besorgt beobachtet mancher, dass vor allem die neuen FDP-Wähler aus dem Mitte-Links-Spektrum, die auf Jamaika gehofft hatten, wieder abspringen. Die eher rechten, nationalliberalen bleiben dagegen und trüben die Bilanz der stetig wachsenden Mitgliederzahlen. Und mancher fragt sich, ob nicht auch Lindner strategische Fehler begangen hat, ohne die Jamaika hätte klappen können.

    Liberale haben aus Grabenkämpfen gelernt

    Doch so oft die Liberalen auch die Augen gen Himmel rollen mögen, beim Gedanken an ihren Parteichef und seine Manöver – die Faust bleibt in der Tasche. Die Freien Demokraten haben aus den selbstzerstörerischen Grabenkämpfen der letzten Führungsriege gelernt. Restlos trauen sie sich am Ende aber doch nicht über den Weg. „Wer Christian Lindner stürzen wollte müsste erst mich wegräumen“, lässt sich sein Stellvertreter Wolfgang Kubicki vorsorglich zitieren.

    Doch stürzen? Wer sollte das in der jetzigen Lage versuchen? Die 80 Bundestagsabgeordneten, die nun für die FDP im Parlament sitzen, sind ihm jedenfalls mehrheitlich dankbar. Viele, sagt einer, der neu im Bundestag sitzt, seien schlicht froh, dass Lindner sie an die Hand nehme. Kurz: Der Mann, der einen Tag nach Dreikönig, also am heutigen Sonntag 39 Jahre alt wird, ist aus Sicht der FDP im Moment alternativlos.