Berlin. SPD-Chef Martin Schulz steht in den Sondierungen vor einer Gratwanderung. Er kämpft dabei auch um seine eigene politische Zukunft.

Immerhin: Zum Auftakt hat Martin Schulz ein Heimspiel. Im Willy-Brandt-Haus, der Parteizentrale in Berlin, empfängt der SPD-Vorsitzende am Sonntag die Delegationen von CDU und CSU zur ersten Runde der Sondierungsgespräche. Los geht es um 12 Uhr mittags – High noon für Schulz.

Der SPD-Chef ist schwer angeschlagen. Das hat er sich nicht zuletzt selbst zuzuschreiben. Schulz hat seit der Wahlschlappe vom 24. September in taktischer Hinsicht ein Desaster angerichtet.

Schulz manövrierte sich in ein Dilemma

Zuerst

Auch interessant

; dann

Auch interessant

; dann, nach dem Jamaika-Aus, die bittere Einsicht, sich doch nicht so einfach in die Opposition flüchten zu können; hektische Versuche, mit Vorschlägen für eine Minderheitsregierung oder „Kooperations-Koalition“ einen Ausweg aus dem Dilemma zu finden; schließlich die Einsicht, dass an der bei der SPD-Basis wenig beliebten Sondierung mit der Union doch kein Weg vorbeigeht. Und nun?

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

„Ich strebe keine große Koalition an. Ich strebe auch keine Minderheitsregierung an. Ich strebe auch keine Neuwahlen an. Ich streb’ gar nix an.“ Dieses leicht verunglückte Statement des Parteivorsitzenden auf dem Juso-Kongress am 25. November wurde ungewollt zum politischen Offenbarungseid. Was will Martin Schulz eigentlich?

„In die Fresse“ und Obergrenze-Streit: Diese Politiker sprechen bei uns Klartext

weitere Videos

    Die SPD-Basis will keine neue GroKo

    Der Parteichef wird in den Wochen seit dem SPD-Bundesparteitag am 7. Dezember nicht müde zu betonen, er werde „ergebnisoffen“ in die Gespräche mit CDU-Chefin Angela Merkel und dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer und ihren Delegationen gehen. Ergebnisoffen – das gilt auch für die politische Zukunft von Schulz selbst.

    Die Karriere des Martin Schulz

    Martin Schulz steht für das Projekt Europa. Das Foto zeigt Schulz, damals EU-Parlamentspräsident, an einem seiner größten Tage – mit der Medaille des Friedensnobelpreises, die 2012 die Europäische Union als Institution erhielt.
    Martin Schulz steht für das Projekt Europa. Das Foto zeigt Schulz, damals EU-Parlamentspräsident, an einem seiner größten Tage – mit der Medaille des Friedensnobelpreises, die 2012 die Europäische Union als Institution erhielt. © REUTERS | REUTERS / NTB SCANPIX
    Europa ist für den Mann aus Würselen bei Aachen ein Herzensanliegen.
    Europa ist für den Mann aus Würselen bei Aachen ein Herzensanliegen. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Stephanie Lecocq
    Das „Projekt Europa“ begleitet Schulz nun von Berlin aus.
    Das „Projekt Europa“ begleitet Schulz nun von Berlin aus. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
    2013 überreichte Martin Schulz der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai den Sacharow-Preis des EU-Parlaments.
    2013 überreichte Martin Schulz der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai den Sacharow-Preis des EU-Parlaments. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
    Zusammen mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker (l.) bildete Martin Schulz jahrelang das Führungsduo der EU.
    Zusammen mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker (l.) bildete Martin Schulz jahrelang das Führungsduo der EU. © REUTERS | REUTERS / YVES HERMAN
    2016 erhielt Martin Schulz bei der Publishers Night in Berlin die „Goldene Victoria“.
    2016 erhielt Martin Schulz bei der Publishers Night in Berlin die „Goldene Victoria“. © imago/Agentur Baganz | imago stock&people
    Der Brexit der Briten war ein harter Schlag für Schulz. Das Foto zeigt ihn im September 2016 bei einem Treffen mit der neuen britischen Premierministerin Theresa May in London.
    Der Brexit der Briten war ein harter Schlag für Schulz. Das Foto zeigt ihn im September 2016 bei einem Treffen mit der neuen britischen Premierministerin Theresa May in London. © REUTERS | REUTERS / STEFAN WERMUTH
    Im September 2015 empfing Schulz als EU-Parlamentspräsident den Dalai Lama in Straßburg.
    Im September 2015 empfing Schulz als EU-Parlamentspräsident den Dalai Lama in Straßburg. © REUTERS | REUTERS / VINCENT KESSLER
    Papst Franziskus kam im November 2014 für eine Rede vor dem EU-Parlament nach Straßburg – und wurde natürlich begrüßt vom damaligen Hausherrn Martin Schulz.
    Papst Franziskus kam im November 2014 für eine Rede vor dem EU-Parlament nach Straßburg – und wurde natürlich begrüßt vom damaligen Hausherrn Martin Schulz. © Agenzia Romano Siciliani/EU | Patrick Hertzog
    Im November 2016 kündigte die SPD Schulz’ Wechsel von Brüssel nach Berlin an.
    Im November 2016 kündigte die SPD Schulz’ Wechsel von Brüssel nach Berlin an. © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    Das weckte in seiner Partei große Hoffnungen.
    Das weckte in seiner Partei große Hoffnungen. © dpa | Kay Nietfeld
    Nachdem Sigmar Gabriel seinen Rücktritt als SPD-Chef erklärt hatte, ...
    Nachdem Sigmar Gabriel seinen Rücktritt als SPD-Chef erklärt hatte, ... © REUTERS | REUTERS / FABRIZIO BENSCH
    ... ging Schulz ins Rennen als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2017.
    ... ging Schulz ins Rennen als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2017. © REUTERS | REUTERS / THOMAS PETER
    Trotzdem konnte Schulz im Wahlkampf nicht entscheidend punkten – so wie beim TV-Duell mit Kanzlerin Angela Merkel am 3. September in Berlin.
    Trotzdem konnte Schulz im Wahlkampf nicht entscheidend punkten – so wie beim TV-Duell mit Kanzlerin Angela Merkel am 3. September in Berlin. © dpa | Dpa
    Die Hoffnungen der Partei wurden enttäuscht. Die SPD fuhr ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl ein.
    Die Hoffnungen der Partei wurden enttäuscht. Die SPD fuhr ihr bisher schlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl ein. © dpa | Wolfgang Kumm
    Die Parteispitze verständigte sich darauf, mit dem unterlegenen SPD-Kanzlerkandidat Schulz als Parteichef in die Opposition zu gehen und nicht mit der Union über eine neue Koalition zu verhandeln.
    Die Parteispitze verständigte sich darauf, mit dem unterlegenen SPD-Kanzlerkandidat Schulz als Parteichef in die Opposition zu gehen und nicht mit der Union über eine neue Koalition zu verhandeln. © dpa | Christian Charisius
    Schulz hatte sich im Wahlkampf immer wieder zuversichtlich gezeigt. Die volle Unterstützung hatte er von Ehefrau Inge.
    Schulz hatte sich im Wahlkampf immer wieder zuversichtlich gezeigt. Die volle Unterstützung hatte er von Ehefrau Inge. © Getty Images | Andreas Rentz
    Schulz in ungewöhnlichem Outfit: Auf einem seiner Wahlkampftermine besichtigte Schulz in Eckernförde (Schleswig-Holstein) eine Fischräucherei – und musste deshalb einen Hygieneanzug tragen.
    Schulz in ungewöhnlichem Outfit: Auf einem seiner Wahlkampftermine besichtigte Schulz in Eckernförde (Schleswig-Holstein) eine Fischräucherei – und musste deshalb einen Hygieneanzug tragen. © dpa | Carsten Rehder
    2017 war er zur Bundestagswahl angetreten, um Bundeskanzler zu werden. Doch nach der Wahl und den Koalitionsverhandlungen stand fest: Schulz schaffte den Wandel nicht.
    2017 war er zur Bundestagswahl angetreten, um Bundeskanzler zu werden. Doch nach der Wahl und den Koalitionsverhandlungen stand fest: Schulz schaffte den Wandel nicht. © dpa | Kay Nietfeld
    Am 13. Februar verkündete Schulz seinen Rücktritt. Olaf Scholz folgte als kommissarischer SPD-Chef.
    Am 13. Februar verkündete Schulz seinen Rücktritt. Olaf Scholz folgte als kommissarischer SPD-Chef. © Getty Images | Sean Gallup
    Was Schulz blieb, waren Hohn und Spott – wie hier beim Düsseldorfer Rosenmontagszug.
    Was Schulz blieb, waren Hohn und Spott – wie hier beim Düsseldorfer Rosenmontagszug. © dpa | Ina Fassbender
    Kein SPD-Chef, kein Außenminister – Marin Schulz blieb nur der Abgang.
    Kein SPD-Chef, kein Außenminister – Marin Schulz blieb nur der Abgang. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Und tschüss.
    Und tschüss. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    1/23

    Will Schulz nicht schon bald wieder seinen Posten als Vorsitzender räumen, muss er ab diesen Sonntag in der „Woche der Wahrheit“ bei den Sondierungen eine Gratwanderung bestehen. Er muss einen Weg finden, der die GroKo-skeptische Basis zufriedenstellt, er muss aber möglichst auch Neuwahlen vermeiden, die der SPD einen weiteren Absturz unter die 20-Prozent-Marke einbringen könnten.

    Empfohlener externer Inhalt
    An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
    Externer Inhalt
    Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

    Neuwahlen wären ein großes Risiko

    Im Falle von Neuwahlen wäre es zudem fraglich, ob die SPD erneut Schulz als Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken würde. Ihm haftet der Makel des Negativrekords vom 24. September an, sein Zick-zack-Kurs der letzten Wochen hat viele an der Basis enttäuscht. Zudem wäre es schwer, den Wählern Schulz noch einmal als ein Kandidat des Aufbruchs zu verkaufen. Das hatte schon beim letzten Wahlkampf nur kurzfristig geklappt – dem Höhenflug in den Umfragen folgte der jähe Absturz.

    Martin Schulz wird ab Sonntag beweisen müssen, das sein in ungezählten Brüsseler Kungelrunden entwickeltes Verhandlungstalent auch in Berlin erfolgreich ist. Scheitert er, stehen er und die SPD vor einem Scherbenhaufen.