Washington. Ein Enthüllungsbuch über den US-Präsidenten elektrisiert Washington. Donald Trump wettert gegen den Autor und dessen Gesprächspartner.

Wenn nicht noch die Gerichte auf Drängen des Präsidenten dazwischenfunken, erscheint es erst am Freitag. Doch schon jetzt hat ein neues Enthüllungsbuch über das erste Jahr Donald Trumps an der Spitze Amerikas erdbebenartige Erschütterungen ausgelöst.

Auf 322 Seiten zeichnet der Journalist Michael Wolff Trump darin im Prinzip als ignoranten, ichbezogenen Hallo­dri, der das Weiße Haus zu einem Kampfplatz verfeindeter Cliquen verkommen lässt. An vorderster Front: Trumps eigene Sippe.

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. Begründung: Vieles sei gelogen. Man droht mit Verleumdungsklagen.

Das mit großer Spannung erwartete Werk „Fire and Fury“ über das Weiße Haus unter Donald Trump sollte zunächst am Dienstag erscheinen, die Veröffentlichung wurde am Donnerstagabend dann jedoch um vier Tage vorgezogen – auf diesen Freitag. Der Autor und Journalist Michael Wolff schrieb am Donnerstag auf Twitter: „Los gehts’s. Sie können es morgen kaufen (und lesen). Thank you, Mr. President.“ Der Verlag begründete den Schritt mit einer „beispiellosen“ Nachfrage nach dem Buch. Es soll demnach ab 9 Uhr (Ortszeit/15 Uhr MEZ) verkauft werden.

War die Kandidatur nur als Sprungbrett für Trumps Unternehmen gedacht?

An marktschreierisch dargebotenen Schlüsselloch-Momenten mangelt es bei Lektüre der ersten Auszüge wahrlich nicht. Was der Leser da zu hören bekommt, muss Trump unter die Haut gegangen sein: Dass er persönlich niemals mit einem Sieg gegen Hillary Clinton gerechnet hat. Sondern die Kandidatur nur als Sprungbrett für eine wirtschaftliche Zweitverwertung nutzen wollte. Dass Gattin Melania am Wahlabend geweint hat. Nicht aus Freude, sondern aus Bestürzung über den bevorstehenden radikalen Lebenswandel. Dass Trump – aus Angst vergiftet zu werden – am liebsten abends im Bett umgeben von drei Fernsehgeräten Fleischklopse von McDonalds verspeist. Dass er es sich partout verbittet, dass Bedienstete im Bad seine Zahnbürste berühren. Dass nahezu sämtliche Top-Berater ihn mindestens einmal als „Idioten“, „Volltrottel“, „strunzdumm“ oder mental auf dem Stand „eines Kindes“ bezeichnet haben.

Im Mittelpunkt der Vorab-Berichterstattung steht aber das mutmaßlich irreparable Zerwürfnis zwischen Trump und seinem ehemaligen Chef-Strategen Steve Bannon. „Er ist seit Langem mein Freund“, sagte Trump noch vor acht Wochen über den cholerisch-polemischen Mann, der in der Schlussphase als Architekt des rechtsnationalen Wahlkampfs nennenswerten Anteil am Sieg des New Yorker Bau-Milliardärs im November 2016 beansprucht. „Ich mag Steve sehr.“

Trump: Bannon hat den Verstand verloren

Nachdem bekannt wurde, was Bannon Wolff für dessen neues Werk „Fire and Fury: Inside the Trump White House“ in den Block diktiert hat, vollzog der Commander-in-Chief eine beispiellos radikale Kehrtwende. Er bezeichnete den Medienunternehmer als eigensüchtigen Scharlatan, Intriganten und Hochstapler. Er ließ ihn von Anwälten mit Unterlassungserklärungen bombardieren. Und er erklärte den im vergangenen Sommer aus Diensten des Weißen Hauses unfreiwillig ausgeschiedenen, in rechtskonservativen Wählerschichten aber immer noch verehrten Globalisierungsgegner für geisteskrank. Trump im O-Ton: „Als er gefeuert wurde, hat er nicht nur seinen Job, sondern auch seinen Verstand verloren.“

Der Grund: Bannon liefert in Wolffs Buch dem in der Russland-Affäre seit Monaten systematisch jeden Stein umdrehenden Sonderermittler Robert Mueller brisante Einschätzungen, die man aus dem engsten Umfeld des Präsidenten so noch nie gehört hat. Sie stehen Trumps Beteuerungen komplett entgegen, wonach es nie geheime Absprachen zwischen seinem Wahlkampfteam und Russland gegeben habe. Bannon legt das Gegenteil nahe.

Bannon: Ivanka ist „dumm wie ein Ziegelstein“

Danach sei ein Treffen von Trumps ältestem Sohn Donald Jr. und Schwiegersohn Jared Kushner im Sommer 2016 mit einer Kreml-nahen Anwältin in New York (Zweck: belastendes Material über die demokratische Kandidatin Hillary Clinton zu erlangen) nichts anderes als „Hochverrat“, „unpatriotisch“ und „übler Mist“ gewesen. „Man hätte sofort das FBI rufen müssen“, wird Bannon zitiert.

Damit nicht genug. Der ehemalige Marineoffizier legt die explosive Lunte ganz nah an Trump persönlich. So würden sich die Ermittlungen Muellers früher oder später auf den Verdacht der „Geldwäsche“ konzentrieren. Betroffen aus seiner Sicht: der Trump-Clan, der ehemalige Wahlkampfleiter Paul Manafort (inzwischen bereits angeklagt) und die Deutsche Bank (Kreditgeber für Trump Senior sowie Kushner).

Wörtlich prophezeite Bannon, das Donald Trump jr. zur Zielscheibe der Fahnder und „landesweit im Fernsehen wie ein Ei zerquetscht“ werde. Passend dazu: Über Trumps Tochter Ivanka, ebenfalls offizielle Beraterin ihres Vaters, sagte Bannon, sie sei „dumm wie ein Ziegelstein“.

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    Für den Patriarchen war mit diesem Breitbandangriff auf das Heiligste, seine Familie, die rote Linie überschritten. „Steve Bannon hat nichts mit mir oder meiner Präsidentschaft zu tun“, erklärte Trump. Parallel dazu kanzelte das Weiße Haus Wolffs Buch als „trashige Schmierblatt-Fiktion“ ab und bezeichnete den Autor als berüchtigt dafür, „Geschichten zu erfinden“.

    Wolff, ein renommierter, wenn auch nicht uneingeschränkt positiv beleumundeter Journalist, will für sein Buch 200 Interviews mit Top-Vertretern der Trump-Regierung geführt haben und bleibt bei seiner Darstellung.

    Die Wucht der Distanzierung von Bannon markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Entfremdung auf Raten. Nach seinem Rauswurf, betrieben durch den neuen Stabschef John Kelly, erklärte der selbst ernannte Nationalist die Präsidentschaft Trumps, so „wie wir für sie gekämpft und sie gewonnen haben“, für beendet.

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    US-Präsident Donald Trump und sein ehemaliger Chefstratege Steve Bannon im Januar 2017.
    US-Präsident Donald Trump und sein ehemaliger Chefstratege Steve Bannon im Januar 2017. © dpa | Evan Vucci

    Stark zur Zerrüttung beigetragen hat die Senatsnachwahl in Alabama Anfang Dezember. Dort überredete Bannon Trump dazu, den unter Pädophilie-Verdacht stehenden ultrarechten Ex-Richter Roy Moore zu unterstützen. Fatales Ergebnis: Die Demokraten gewannen in dem erzkonservativen Südstaat erstmals seit 30 Jahren wieder eine wichtige Wahl. Die Machtverhältnisse im Senat sind für Trump, der zunächst auf einen moderateren Kandidaten gesetzt hatte, dadurch noch ungünstiger geworden.

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