Monrovia. In Liberia soll am Freitag der Wahlsieg von George Weah verkündet werden. Ob er das arme Land in bessere Zeiten führen kann, ist offen.

Einst dribbelte er dermaßen geschickt durch die gegnerischen Abwehrreihen, dass er als erster und bislang einziger afrikanischer Fußballer mit dem Ballon d’Or ausgezeichnet wurde: Im selben Jahr 1995 kürte ihn die Fifa auch noch zum besten Kicker der Welt. Ab Freitag kann sich George Weah vermutlich einer weiteren einzigartigen Errungenschaft rühmen: Er wurde von seinen liberianischen Landsleuten ins Präsidentenamt gewählt – der erste Fußballprofi, der es nach einer glänzenden Rasenkarriere auch noch ins höchste Amt des Staates schaffte.

Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt setzte sich der 51-Jährige nach Auszählung fast aller Stimmen mit 61,5 Prozent gegen den bisherigen Vizepräsidenten Joseph Boakai durch, der auf 38,5 Prozent kam, wie die Wahlkommission am Donnerstag mitteilte.

Großteil der Bezirke war am Donnerstag ausgezählt

In 11 der 15 Bezirke des westafrikanischen Landes sind nach diesen Angaben alle Stimmen ausgezählt, in 4 Bezirken zu etwa 90 Prozent. Am Freitag soll das endgültige Ergebnis verkündet werden. Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Kommission bei 56 Prozent.

„Wer auf dem Spielfeld eine derartige Laufbahn hingelegt hat, der wird auch unser Land retten können“, meint ein junger Anhänger von „Mister George“: Eine Auffassung, die allerdings nicht alle fünf Millionen Liberianer teilen. Vielen ist schon schleierhaft, warum hier überhaupt jemand Präsident in dem westafrikanischen Land werden will: Schließlich wurden in den vergangenen fünf Jahrzehnten zwei Staatschefs ermordet und zwei außer Landes gejagt. Man muss schon eine Frau sein, um die Herausforderungen des von Militärputschs, Bürgerkriegen und einer Ebola-Seuche geplagten Landes einigermaßen meistern zu können: wie Weahs Vorgängerin Ellen Johnson Sirleaf, Afrikas erste Präsidentin. Sie steuerte das bettelarme Land zwölf Jahre lang an allen Abgründen vorbei: In blühende Landschaften vermochte sie Liberia allerdings auch nicht zu verwandeln.

Mit 17 brachte es Weah zum Fußballprofi in Europa

George Weahs politische Ambitionen sind keine Eintagsmarotten. Der 51-Jährige trat schon vor zwölf Jahren gegen Sirleaf an und verlor in der Stichwahl gegen die ehemalige Harvard-Studentin. Schon damals warf man ihm vor, gewiss auf dem Rasen, nicht aber auf dem Regierungsparkett die nötige Erfahrung zu haben: Zu dieser Zeit konnte Weah nicht einmal auf einen Schulabschluss verweisen.

Ich bin einer von euch – das stärkste Argument George Weahs, hier während einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Monrovia.
Ich bin einer von euch – das stärkste Argument George Weahs, hier während einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Monrovia. © REUTERS | THIERRY GOUEGNON

George kam am 1. Oktober 1966 in „Clara Town“, einem der ärmlichsten Slums der liberianischen Hauptstadt Monrovia, auf die Welt und wurde von seiner Großmutter groß gezogen. Noch vor dem Abitur verließ er die Schule, um Schaltanlagen für die liberianische Telekom zu installieren. Schon als 17-Jähriger gelang dem passionierten Fußballspieler jedoch der Sprung nach Europa: In Monaco nahm ihn Arsène Wenger unter seine Fittiche – ihm verdanke er seine Karriere, sagt Weah heute.

Der junge Liberianer fiel dem französischen Trainer durch seinen Körpereinsatz, seine Schnelligkeit und seine Dribbelkünste auf. Schon ein Jahr später wurde „King George“ zum afrikanischen Spieler des Jahres gekürt und brachte Monaco ins Finale des Europacups. Später wechselte er von einem Topclub zum nächsten: Paris Saint-Germain, AC Mailand, Chelsea und Manchester United. Bayern-Fans werden ihn in schlechter Erinnerung haben: Er schoss die Münchner 1994 im Olympiastadion aus der Champions League. Zwei Jahre später wurde er zum „afrikanischen Fußballer des Jahrhunderts“ gekürt.

Er holte als 40-Jähriger das Abitur nach

Neben seinen Triumphen auf dem Rasen zählen für Liberias Wähler jedoch vor allem die bescheidenen Ursprünge der Fußballlegende: „Er ist einer von uns und wird uns deshalb auch nicht vergessen“, sagt ein junger Slumbewohner in Monrovia. „Ambassador George“ weiß aus seiner Lebensgeschichte auch durchaus politisches Kapital zu schlagen: „Ich bekam die Gelegenheit, mein Leben zu ändern“, rief er bei seiner letzten Wahlkampfveranstaltung den vor allem jungen Anhängern zu: „Ich werde auch euch diese Gelegenheit geben.“ Die zwölf Jahre seit seinem Eintritt in die Politik ließ er nicht nutzlos verstreichen: Er holte als 40-Jähriger das Abitur nach, setzte noch ein Betriebswirtschaftsstudium drauf und ließ sich zum Abgeordneten im Senat wählen.

George Weah im Jahr 2000 im Trikot von Manchester City bei einem Spiel gegen Oldham Athletic.
George Weah im Jahr 2000 im Trikot von Manchester City bei einem Spiel gegen Oldham Athletic. © Getty Images Sport/Getty Images | Getty Images

Auf die Ziele seiner Politik angesprochen wusste Weah vor seinem Wahlerfolg allerdings eher Allgemeinplätze von sich zu geben: Arbeitsplätze sollen geschaffen, Wasser und Elektrizität in möglichst viele Haushalte und Dörfer verlegt werden. Auf die Frage, wie das im Einzelnen geschehen soll, verwies der Kandidat auf die Zeit nach den Wahlen: „Erst müssen wir einmal gewinnen. Dann werde ich mich mit meinem Team zusammensetzen und die Strategie festlegen.“

Hälfte der Liberianer lebt unter der Armutsgrenze

Dass es noch größere Künste als eines genialen Tores gegen die Bayern bedarf, um Liberia endlich auf Erfolgskurs zu bringen, ist auch George Weah klar: „Ich will meinen Leuten nichts versprechen, was ich nicht halten kann. Und wenn ich nichts zustande bringe, dann müssen sie mich wieder abwählen.“ Die Hälfte der Liberianer leben nach Angaben des Weltwährungsfonds unter der Armutsgrenze, die Arbeitslosenquote liegt über 50 Prozent, das Bildungswesen ist katastrophal. Dafür blühen Korruption und Schlendrian.

In einer Hinsicht hat sich der neue Präsident auch schon verdribbelt: Als er ausgerechnet die ehemalige Ehefrau des Ex-Diktators Charles Taylor zu seiner Co-Kandidatin machte. Jewel Taylor hat Weah mit den Stimmen des bevölkerungsreichen Bong County versorgt: Auf diese Weise hat der Fußballstar zumindest sein politisch Gespür unter Beweis gestellt. Auf Belege seiner Führungskraft müssen die Liberianer allerdings noch warten.