Brüssel. Brüssel plant, EU-Mitglied Polen wegen seiner umstrittenen Justizreform zu rügen. In Warschau zeigt man sich nicht sehr beeindruckt.

Die EU-Kommission will ein Sanktionsverfahren gegen Polen wegen Gefährdung von Grundwerten der Europäischen Union einleiten. Dies teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit.

Es ist das erste Verfahren dieser Art in der Geschichte der Gemeinschaft. Grund sind die Justizreformen der nationalkonservativen Regierungspartei PiS, die aus Sicht der Kommission die Rechtsstaatlichkeit und die Gewaltenteilung aushöhlen.

„Es geht um die gesamte EU“

Das Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge gilt als schärfste mögliche Maßregelung eines Mitgliedsstaats. Als letzte Konsequenz ist damit die Aussetzung von Stimmrechten möglich. Allerdings sind die Hürden hoch.

Man gehen diesen Weg nur schweren Herzens, aber es gebe keine andere Option, sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans am Mittwoch: „Es geht hier nicht nur um Polen, es geht um die gesamte Europäische Union.“ Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker teilte auf Twitter mit, dass er Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki für den 9. Januar zum Gespräch eingeladen habe.

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Polens Premier kontert Junckers Vorwurf

Die Replik aus Warschau kam schnell. Morawiecki stellte sich hinter die umstrittenen Justizgesetze gestellt. „Die Justizreform in Polen ist unerlässlich“, schrieb der Politiker der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) am Mittwoch ebenfalls bei Twitter.

Morawiecki erklärte, Polen sei genauso wie die EU an Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit gebunden: „Im Dialog zwischen Warschau und Brüssel braucht es Offenheit und Ehrlichkeit.“

Entscheidungen in dem Verfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge liegen beim Rat der Mitgliedsländer. Nach dem Antrag der Kommission könnten diese mit Vier-Fünftel-Mehrheit feststellen, dass die Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der Grundwerte der EU besteht. Vorher muss er allerdings die Zustimmung des Europaparlaments einholen, das erst im Januar wieder tagt.

PiS gewinnt an Einfluss auf Richter und Gerichte

Die polnische Regierungspartei PiS hatte in den vergangenen Tagen zwei weitere Gesetze durch das Parlament gebracht, mit denen das Oberste Gericht und der Landesjustizrat reformiert werden sollen. Die Unterschrift von Präsident Andrzej Duda fehlte zuletzt noch.

Rechtsexperten kritisieren, mit der Neuregelung gewinne die PiS Einfluss auf Richter und Gerichte. Die EU-Kommission warnt schon seit Anfang 2016, dass die bereits damals begonnenen Justizreformen in Polen den Rechtsstaat aushöhlen könnten.

Tausende Polen singen gegen Justizreformen

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    Die Bundesregierung unterstützt die Linie der Kommission: „Die Kommission hat es sich wirklich nicht leicht gemacht“, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert in Berlin. Der Entscheidung sei ein konstruktiver und intensiver Dialog vorausgegangen. (dpa)

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