Kiew. Georgiens Ex-Präsident und der ukrainische Präsident liefern sich Scharmützel. Es wird gedroht, inhaftiert – und wieder entlassen.

In der Ukraine liefern sich Staatschef Petro Poroschenko und der zum Oppositionellen gewandelte georgische Ex-Präsident Michail Saakaschwili eine Privatfehde mit merkwürdigen Szenen.

Da will Poroschenko seinen Ex-Studienkollegen in Kiew verhaften lassen, doch der flüchtet aufs Dach und droht theatralisch damit, sich hinabzustürzen. Schließlich steckt der Geheimdienst SBU Saakaschwili in einen Gefangenenbus, aber dessen Anhänger pauken ihn raus. Worum geht es da?

Im Sommer bürgerte Poroschenko seinen Gegner aus und wollte verhindern, dass dieser von Polen wieder in die Ukraine einreist. Doch Saakaschwili durchbrach in einem Pulk von Fans die Kette der Grenzsoldaten. Er rief bei Kundgebungen zur Absetzung des Präsidenten auf, dem er Korruption vorwirft. Das Präsidentenlager wiederum bezichtigte Saakaschwili, mit Geld aus Russland einen Staatsstreich anzetteln zu wollen.

Proteste nach erneuter Festnahme Saakaschwilis in der Ukraine

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    Poroschenko könnte durchgreifen, unterlässt es aber

    Das Muster ist immer das gleiche. Poroschenko könnte den unbeirrbaren revolutionären Elan des Georgiers ins Leere laufen lassen, oder er müsste ihn energisch unterbinden. Stattdessen agiert der Präsident mal halbherzig, mal überzogen – und steht am Ende als Verlierer da. „Die Staatsmacht sieht immer schlecht aus und wird mit dieser kleinen Sache nicht fertig“, sagt der Politologe Konstantin Bondarenko.

    Grund zur Unzufriedenheit hat die Bevölkerung der Ex-Sowjetrepublik Ukraine genug: Nötige Reformen werden von oben ausgebremst, der Krieg gegen die von Russland unterstützten Separatisten im Osten dauert an.

    Saakaschwili keine ernstzunehmende Gefahr für Poroschenko

    Trotzdem hat Saakaschwili keine große Anhängerschaft, auch wenn er Ende November einige Tausend Menschen in Kiew auf die Beine brachte. Er ist als Gouverneur von Odessa gescheitert. Es gelang ihm nicht, seine Reformerfahrung aus Georgien auf die Hafenstadt am Schwarzen Meer zu übertragen. „Micho (Kosename für Saakaschwili) allein stellt keine Gefahr für den Präsidenten dar“, sagt Bondarenko. Die Fehde der zwei Politiker könnte aber vor der Präsidentenwahl 2019 einer Dritten nutzen, der früheren Ministerpräsidentin Julia Timoschenko.

    Ihre schlimmste Niederlage erlitten Poroschenko und sein Generalstaatsanwalt Juri Luzenko Anfang der Woche vor Gericht. Die Kiewer Richterin Larissa Zokol stellte den zum zweiten Mal festgenommenen Saakaschwili nicht unter Hausarrest, sondern setzte ihn ohne Auflagen auf freien Fuß. Im Triumph verließ Saakaschwili den Gerichtssaal. „Das ist eine sehr mutige Entscheidung der Richterin“, sagte er noch, bevor er sich auf der Straße von seinen Anhängern bei frostigen Temperaturen feiern ließ.

    Komplizierte Vorgeschichte der Beziehung

    Dabei hatte Luzenko schwerwiegende Vorwürfe angehäuft. „Das ist ein Mensch, der sich aus Machtgier auf eine amoralische und kriminelle Zusammenarbeit mit der Verbrecherbande von Janukowitsch eingelassen hat“, sagte er. Saakaschwili habe über Mittelsmänner umgerechnet 420.000 Euro von dem Exil-Ukrainer Sergej Kurtschenko erhalten, um die seit Oktober andauernden Proteste zu finanzieren.

    Kurtschenko galt bis zu seiner Flucht nach Russland als Geldbörse des 2014 gestürzten Staatschefs Viktor Janukowitsch. Poroschenko sagte, Kurtschenko mache „Geld mit Blut“, weil er mit dem russischen Geheimdienst zusammenarbeite. „Das bedeutet, dass Saakaschwili ebenso Blut an den Händen hat.“

    Doch Richterin Zokol folgte den Argumenten nicht. Für den Politologen Wladimir Fessenko ein klarer Fall: „Unsere Richter reagieren sehr feinfühlig auf die politische Konjunktur“, sagte er im Fernsehsender 112. Die Gerichte wollten zeigen, dass sie im Zweifel unabhängig entscheiden. Allerdings laufe das Verfahren weiter. „Und ich glaube, dass es für die Staatsanwaltschaft jetzt eine Frage der Ehre ist“ - nämlich Saakaschwili doch noch vor Gericht zu bringen.

    Saakaschwili kann nicht zur Präsidentenwahl antreten

    Bei der nächsten Präsidentenwahl kann Saakaschwili nicht antreten, selbst wenn er die ukrainische Staatsbürgerschaft zurückbekommen sollte. Doch Poroschenko hat für 2019 ein Problem. Nach der Teilniederlage erwartet die Journalistin Sonja Koschkina eine Absetzbewegung der Eliten.

    Auch der Politologe Dmitri Raimow sagt: „Wenn der Präsident jetzt keine Stärke zeigt, dann bekommt er weder von den Oligarchen noch aus anderen Kreisen Unterstützung.“ Dabei bräuchte er dringend eine Strategie gegen Timoschenko. Die Frau mit dem markanten blonden Haarkranz hofft, dass sie es 2019 im dritten Anlauf auf den Posten des Staatsoberhauptes schafft. (dpa)