Berlin . Das Verhältnis zwischen der EU und Israel ist schwierig. Doch man muss nicht alles gut finden, was von der dortigen Regierung kommt.

Um es klar zu sagen: Das Verbrennen israelischer Fahnen und das Skandieren antisemitischer Sprüche ist ein Tabubruch, der nicht akzeptiert werden kann. Nicht im Westen, nicht in Europa und schon gar nicht in Deutschland. Israels Sicherheit gehört zur Staatsräson der Bundesrepublik – das ist glücklicherweise Konsens unter den demokratischen Parteien hierzulande. Das gilt selbstverständlich auch für Flüchtlinge, die bei uns Schutz gefunden haben. Der (Noch-)Grünen-Chef Cem Özdemir hat diese Forderung noch einmal klipp und klar an die Adresse der Migranten erhoben. Das ist gut so.

Diese Grund-Solidarität mit Israel bedeutet allerdings nicht, dass man alles gut finden muss, was von der dortigen Regierung kommt. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu scheint dieser Tage vor lauter Kraft nicht laufen zu können. Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem an allen internationalen Vereinbarungen vorbei einseitig als Hauptstadt Israels anzuerkennen, hat ihm einen politischen Vitaminstoß verpasst.

Sunniten und Schiiten um die Vorherrschaft

Hinzu kommt, dass die Kritik aus dem arabischen Lager verhalten ist. Vor allem die sunnitische Vormacht Saudi-Arabien hat derzeit ganz andere Sorgen: Sie ringt mit dem schiitischen Mullah-Regime im Iran um die Vorherrschaft am Golf. Das oberste Ziel Riads besteht darin, die wirtschaftliche und militärische Expansion Teherans einzudämmen. In dieser Zuspitzung sortieren sich die Kräfte neu. Plötzlich hat sich eine Dreier-Interessenkoalition aus US-Amerika, Saudi-Arabien und Israel herausgebildet.

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    Netanjahu, der sich zu Hause heftigen Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sieht, fühlt sich als Profiteur dieser neuen politischen Dynamik. Deshalb sein demonstrativ selbstbewusster Auftritt. Bei seinem Besuch in Brüssel am Montag biss er jedoch auf Granit. Die EU-Außenminister weigerten sich, Trump in der Jerusalem-Frage zu folgen – auch wenn ein abweichendes Minderheiten-Votum aus Tschechien und Ungarn zu hören war.

    Zahl israelischer Siedlungen im Westjordanland steigt

    Die EU pocht strikt auf eine Zweistaatenlösung für Israel und Palästina. Das knifflige Jerusalem-Problem, in dem Judentum und Islam aufs Tiefste miteinander verwoben sind, soll erst zum Abschluss von Friedensverhandlungen gelöst werden. Und: Aufgrund dieser komplexen Sachlage wäre es am besten, Jerusalem zur Hauptstadt von Israel (West) und Palästina (Ost) zu machen. Diese Positionierung der EU ist berechtigt, international gibt es hierfür viel Zustimmung.

    Gleichzeitig muss die Frage der Europäer erlaubt sein, ob eine massive Ausweitung der israelischen Siedlungen im Westjordanland dem Friedensprozess hilft. Lebten in den 1990er-Jahren rund 100.000 Siedler in der „West Bank“, sind es heute mehr als 600.000. Ein Flickenteppich von palästinensischen Rest-Territorien führt jedoch zu Frust und Hoffnungslosigkeit. Eine Basis für Versöhnung ist er nicht.

    US-Regierung fährt eine parteiische Linie

    Zum Teil hat dies innenpolitische Gründe – gewiss. Netanjahu steht unter dem Druck seiner orthodoxen und nationalreligiösen Koalitionspartner. Vor allem der eloquente Chef der Partei „Jüdisches Heim“, Bildungsminister Naftali Bennett, prescht immer wieder vor und fordert die Annexion großer Teile des Westjordanlandes.

    Die EU fährt im israelisch-palästinensischen Konflikt einen Kurs des Ausgleichs – die US-amerikanische Regierung unter Trump ist hingegen parteiisch. Die Gemeinschaft sollte ihre Linie klar, aber ohne Bevormundung vertreten. Es geht um die Solidarität mit Israel – der einzigen Demokratie im Nahen Osten – UND um klare Worte. Dieser Balanceakt ist schwierig, für die Gemeinschaft jedoch der einzig richtige Weg.