Berlin. Der Verfassungsschutz beobachtet zunehmende Propaganda gegen Fußballer wie Lionel Messi. Wie gut sind Großereignisse vor Terror geschützt?

Der mehrmalige Weltfußballer Lionel Messi liegt am Boden. Erschossen. Hinter ihm steckt die Fahne des selbst ernannten „Islamischen Staates“ im Boden – der Terrormiliz, die in Syrien und Irak gerade unter Dauerfeuer steht. Ihr Projekt des „Kalifats“ ist gescheitert. Doch die Propagandisten der Organisation und im Sympathisantenkreis hetzen weiter. Jetzt auch vermehrt gegen die nächste Großveranstaltung: die Fußball-Weltmeisterschaft im kommenden Sommer in Russland.

Das Bild von Messi ist eine Montage, die Sympathisanten des IS auf Messengerdiensten wie Telegram verbreiten. Hinter Messi posiert ein maskierter Kämpfer, neben ihm kniet Neymar, ein weiterer Top-Star. Er trägt eine orange-farbene Gefangenen-Uniform, wie sie an das US-Gefängnis Guantánamo auf Kuba erinnert. Dazu der Slogan: „Ihr werdet keine Sicherheit genießen, bis wir sicher in muslimischen Ländern leben.“

IS-Propaganda mit Bezug auf die WM nimmt zu

Recherchen in sozialen Netzwerken und Chatgruppen zeigen: Es gibt mittlerweile Dutzende weitere Propaganda-Bilder, mit denen Islamisten die WM ins Visier nehmen. Eine Landkarte zeigt die Spielorte in Russland, ein manipuliertes Foto inszeniert einen Dschihadisten vor einem Stadion. Ein großer Teil der Drohungen ist auf Russisch – sie sollen Anhänger des IS im Gastland radikalisieren, vor allem aber die Zuschauer des Turniers einschüchtern. „Wir kommen zu euch nach Russland und wir kämpfen auf eurem Territorium“, heißt es auf Russisch auf einem Bild.

Auf Nachfrage dieser Redaktion bestätigt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) einen „hohen Verbreitungsgrad“ von IS-Propaganda mit Bezug auf die WM. Seit Oktober würde die Hetze spürbar zunehmen. Die Aufrufe zur Gewalt gehen laut Inlandsgeheimdienst bisher fast ausschließlich vom Unterstützerfeld des IS aus – nicht direkt von offiziellen IS-Absendern.

Sportveranstaltungen repräsentieren für Terroristen westlichen Lebensstil

Das Fußball-Stadion in Sotschi wird zur WM 2018 auch  besonders gesichert.
Das Fußball-Stadion in Sotschi wird zur WM 2018 auch besonders gesichert. © picture alliance / Artyom Korota | dpa Picture-Alliance / Artyom Korotayev

Nach Information dieser Redaktion machte auch das Bundeskriminalamt (BKA) unlängst Mitarbeiter im Staatsschutz auf die Gewaltaufrufe zur Fußball-WM aufmerksam. Doch sowohl Kriminalpolizei als auch Verfassungsschutz heben auf Nachfrage hervor, dass es keine Erkenntnisse zu konkreten Anschlagsplänen auf Spieler oder Stadien gebe. Es bleibt bisher bei Hetze.

Spätestens jedoch seit November 2015 sind Sicherheitsbehörden aller Welt alarmiert: Eine Gruppe IS-Dschihadisten tötete und verletzte zeitgleich und an mehreren Orten in Paris Hunderte Menschen – in Restaurants, in einem Konzertsaal. Und am Stadion, wo an diesem Abend die Deutsche gegen die Französische Elf spielte. Drei Attentäter sprengten sich am „Stade de France“ in die Luft. Kein Attentäter gelangte auf die Zuschauertribüne, ein Passant vor dem Stadiontor starb. In der Ideologie radikalisierter Muslime gelten Sportveranstaltung und der damit verbundene westliche Lebensstil und die Nationen als politisches Gebilde als Feindbild ihres „Scharia-Staates“, wo „Gottes Gesetze“ regieren sollen.

Marktplätze, Stadien oder Konzerthallen im Visier der Terroristen

Der Hass von Terroristen gegen Sportveranstaltungen hat eine traurige Tradition: 1996 verübte ein Einzeltäter bei den Olympischen Spielen in Atlanta ein Bombenattentat, bei dem zwei Menschen starben. 2010 griff eine angolanische Terrorgruppe während des Afrika Cups den Mannschaftsbus der Fußball-Nationalmannschaft Togos an. Und schon 1972 starben 17 Menschen, als palästinensische Extremisten das israelische Mannschaftsquartier im Olympischen Dorf in München überfielen.

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    Zur Zeit der linksextremistischen RAF und dem München-Attentat hatte Terror oftmals ein enger gefasstes politisches Ziel, wie die israelischen Sportler – verbunden mit einer konkreten Forderung, etwa die Freilassung von gefangenen RAF-Terroristen. Der moderne islamistische Terror nimmt stärker sogenannte „weiche Ziele“ ins Visier: Marktplätze, Zuschauer in Stadien oder Konzerthallen. Sportturniere werden mit Fanmeilen und „Public Viewing“ zunehmend zu öffentlichen Events. Das spielt den Terroristen in die Hände.

    Aus noch einem Grund nehmen die Sicherheitsbehörden die wachsende Propaganda zur WM 2018 ernst: Russland war in der Vergangenheit immer wieder Ziel von Terroranschlägen – allein zwischen 1999 und 2013 insgesamt 75 Mal. Zuletzt im April 2017 bei einem Sprengstoffanschlag in St. Petersburg.

    Viele Anschläge lassen sich nach Tschetschenien zurückverfolgen

    Die allermeisten Attentate gehen auf das Konto einer über Tschetschenien hinausgehenden militanten Aufstandsbewegung im Nordkaukasus, beschreibt Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Im Zentrum: das „Kaukasus-Emirat“. Doch nach Ansicht deutscher Sicherheitsbehörden tötete das russische Militär zahlreiche Anführer, auch interne Konflikte schwächten die Islamisten. Viele Kämpfer zogen nach Syrien und Irak – zum IS. Wie in Europa wächst nun auch in Russland die Sorge, dass IS-Anhänger aufgrund der militärischen Niederlagen in Nahost in ihre Heimatländer zurückkehren. Manche möglicherweise mit Anschlagsplänen.

    Denn Russland und die Regierung von Präsident Wladimir Putin ist erklärter Feind des IS und anderer dschihadistischer Gruppen. Seitdem russisches Militär an der Seite von Syriens Diktator Assad vor allem Luftangriffe gegen Stellungen des IS und anderer Milizen fliegt, wächst der Hass bei den Islamisten.

    Den Anschlag auf den Boston-Marathon 2013 verübten zwei Brüder, die im Kaukasus aufwuchsen. Vor ihrem Attentat waren sie noch nach Tschetschenien und Dagestan gereist.

    Nach München hat sich die Sicherheitsstrategie geändert

    Ob Olympia, Weltmeisterschaft oder Freundschaftsspiel – einen absoluten Schutz gibt es vor Terroristen nie, heben Experten wie Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hervor. Als Polizist aus Hamburg kennt er WM, Fanmeilen und G20-Gipfel. Wichtig sei, Polizisten flächendeckend mit „tauglichen Schutzausrüstungen“ auszustatten. Auch Spezialwaffen und gepanzerte Fahrzeuge seien unabdingbar.

    Nach diesen RAF-Terroristen wird noch gefahndet

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      München 1972 gilt als Zeitenwende bei der Sicherung von Sportveranstaltungen. Damals liefen Polizisten zwischen den Sportlern ebenfalls in Trainingsanzügen über das Olympia-Gelände. Sie sollten „unsichtbar“ sein, ohne Uniform, und die Spiele heiter und weltoffen. Heute dominieren bewaffnete Polizeipatrouillen das Bild. In London 2012 schützten 18.000 Soldaten Wettkampfstätten und Stadion. Auf der Themse ankerte ein Kriegsschiff.

      Deutschland investiert Millliarden in Ausrüstung und Spezialtruppen

      Russland, Ausrichter der WM, demonstrierte 2014 bei den olympischen Winterspielen in Sotchi seine Kontrollmacht. 70.000 Mitarbeiter von Polizei und Geheimdiensten sollen im Einsatz gewesen sein.

      Auch Deutschland investierte seit 2015 Millliarden in Ausrüstung und Spezialtruppen bei der Polizei. „Das ist gut“, sagt Reinecke. „Schlecht ist dagegen, dass der Austausch von Informationen über Terroristen und Extremisten noch immer nicht reibungslos funktioniert – nicht in Deutschland, nicht in Europa und schon gar nicht international.“ Dabei sei gerade diese Ausklärungsarbeit zentral zur Terrorabwehr.

      Und so birgt die Fußball-WM nach Ansicht von Experten die Gefahr, dass das angespannte Verhältnis zwischen Russland, Europa und den USA ein Sicherheitsrisiko im Kampf gegen den globalen Dschihad ist. Oder die Chance, die Kooperation zu verbessern.