Berlin . Wer Flucht aus Afrika stoppen will, muss Maßnahmen ergreifen. Europa kann es sich leisten. Doch es fehlt ein Plan für die Zukunft.

Menschen mussten sterben, damit sich die EU für Afrika interessiert. Schon mehr als 3000 Flüchtlinge ertranken 2017 im Mittelmeer. Viele Zehntausende sollen noch in Libyen ausharren, in Lagern von Milizen oder Terrorgruppen, in Baracken der Schmuggler. Sie warten auf eine Chance, der Gewalt in dem zerfallenen Staat zu entkommen, fliehen nach Italien.

Die vergangenen Jahre der Fluchtkrise haben gezeigt: Die Europäische Union ist unfähig, eine gemeinsame Asylpolitik zu organisieren. Und den Staaten Afrikas ist es nicht gelungen, ihre jungen Arbeiter, Ärzte und Handwerker im Land zu halten. Die deutsche Regierung wirft unausgegorene „Marshallpläne“ für Afrika in die Runde, forciert „Migrationspartnerschaften“, die nicht nur hier, sondern auch bei Entscheidern in den afrikanischen Ländern umstritten sind.

Entwicklungshilfe nur mit stärkerer Kontrolle

So darf es nicht bleiben. Kanzlerin Merkel ist nun in der Elfenbeinküste, debattiert mit afrikanischen und europäischen Amtskolleginnen und Kollegen. Nur: Was tun? Raushalten? Mehr einmischen? Mehr abschotten?

EU-Afrika-Gipfel: Merkel fordert Kampf gegen illegale Migration

weitere Videos

    Beiden Kontinenten fehlt ein Plan für die Zukunft. Wer bessere Lebensstandards in Afrika schaffen will, muss erst einmal genau wissen, wem er helfen sollte. Und wem nicht mehr. EU-Regierungen machen seit Jahren Abkommen mit Autokraten. Was Fluchtursachen bekämpft und Grenzen verschanzt, stützt gleichzeitig die Mächtigen. Verlässlich kehren umstrittene Regime mit etlichen Millionen Dollar von großen Geberkonferenzen zurück in ihr Land. Afrikanische Regierungen lagern ihre Konjunkturprogramme für die Mittelschicht und Hilfen für die Ärmsten aus: an besorgte Europäer. Daher gilt: Entwicklungshilfe und Wirtschaftsabkommen mit Afrika, ja. Aber nur mit stärkerer Kontrolle: Wer profitiert? Wenn die EU nur zahlt und sich dann mit besserem Gewissen wegdreht, bekräftigt sie den Status quo.

    Der Klimawandel lässt die Menschen weiterziehen

    Zumal: Afrika könnte viel mehr für sich selbst sorgen. Der Kontinent ist reich an Öl, Kupfer oder Uran. Doch die Machtelite sichert sich den Zugang zu diesen Rohstoffen. Sie sitzt in den Metropolen in Nigeria, Angola oder Sierra Leone. Aber ihre Geschäftsverbindungen reichen bis in die USA, China und Europa. Fluchtursachenbekämpfung beginnt auch an den globalen Finanzmärkten. Mit mehr Transparenz – und Gesetzen gegen Spekulation mit Rohstoffen.

    Wer in Afrika auf dem Land lebt, ist oft isoliert und muss für sich selbst sorgen. Wie Migration und Flucht funktionieren, zeigt die Region am Tschadsee, im Westen des Kontinents. Die Menschen leben von Viehzucht. Das Wasser des Sees war über Generationen die Ressource ihres Wirtschaftens. Nun trocknet der Klimawandel den See aus. Die Hirten fliehen in den Süden, treffen auf Ackerbauern. Ein Kampf ums Land beginnt.

    Entschlossene Afrika-Politik beginnt mit Umweltschutz

    Sichere Arbeitsplätze bieten oftmals nur noch Terrorgruppen. Wer das nicht will, flieht weiter. Vom Land in die Stadt. Wer in Metropolen keinen Job findet, zieht fort. Ins Nachbarland. Irgendwann: Richtung Europa. Entschlossene Afrika-Politik beginnt mit Umweltschutz und endet mit Marktwirtschaft.

    Milliarden für die Entwicklungshilfe bringen nichts, wenn Exporte aus der EU die dortigen Märkte zerstören: etwa Agrarprodukte aus Deutschland oder Frankreich – subventioniert mit noch viel mehr Milliarden. Will Europa Flucht bekämpfen, wird es fair handeln müssen. Die EU aber hat den Freihandel mit Afrika nie ernst genommen. Die Union muss ihre Märkte stärker öffnen, auch für Händler aus Ghana oder Kamerun. Und sie muss ihr Leitbild durchsetzen: die soziale Marktwirtschaft. Nicht nur hier, sondern global. Europa kann sich das leisten. Noch.