Berlin. Das Schlecker-Urteil zwingt auch zum Nachdenken über das Wirtschaftsmodell in der Bundesrepublik. Geld und Reichtum ist nicht alles.

„Es ist nichts mehr da.“ Mit diesen Worten verkündete Meike Schlecker im Januar 2012 das Ende des Drogerieimperiums, das ihr Vater Anton 1975 aus der Taufe hob. Der Begriff „nichts“ lässt keinen Interpretationsspielraum zu. Etwas mehr muss es dann doch gewesen sein, denn ein Jahr später zahlte die Familie zehn Millionen Euro für einen Vergleich mit dem Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz.

Und nach und nach tauchte noch mehr Geld auf – bis kurz vor dem Prozessende am Stuttgarter Landgericht am Montag. Eben darum drehte sich der Prozess: Wann hat Anton Schlecker die Pleite seines Unternehmens kommen sehen, und hat er dann noch illegal Geld an seine Familienmitglieder weitergeleitet?

Schlecker haftete privat für Pleite

Die größere Schuld maß das Gericht den Kindern Lars und Meike zu, über deren Tochterfirma die unrechtmäßigen Geldflüsse abgewickelt wurden. Sie müssen ins Gefängnis, der Vater kommt mit Bewährung und einer Geldstrafe davon. Tatsächlich ist es schwer zu beurteilen, wann genau Anton Schlecker erkannt haben muss, dass seine Firma nicht mehr zu retten ist. Oder ob er zu dieser Einsicht überhaupt fähig war.

Der öffentlichkeitsscheue Mann galt als extrem fleißig – aber auch als beratungsresistent und autoritär. Zudem haftete er als eingetragener Kaufmann mit seinem Privatvermögen und steckte bis zum bitteren Ende noch Geld daraus in die längst strauchelnde Firma.

Bewährungsstrafe für Schlecker - Haftsstrafe für die Kinder

weitere Videos

    Schleckers Imperium war auf Geiz aufgebaut

    Vielleicht hat er ja tatsächlich bis zuletzt an eine wundersame Wende geglaubt. Hier stößt die Rechtsprechung an ihre Grenzen. Und das Scheitern selbst ist in einer Marktwirtschaft nicht strafbar. Aber auch in einer Marktwirtschaft ist Geld nicht alles. Auch dieser Einsicht verschließt sich Anton Schlecker wohl bis heute.

    Sein Imperium war vor allem auf Geiz aufgebaut, auf dem Bestreben, seine Konkurrenten um jeden Preis zu unterbieten. Ausgetragen wurde dieser Kampf auf dem Rücken seiner Beschäftigten. Er und seine Frau wurden in den 90er-Jahren zu zehn Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von einer Million Euro verurteilt, weil sie Hunderte Mitarbeiter jahrelang unter Tarif bezahlt hatten.

    „Schlecker-Frauen“ mussten immer mehr arbeiten

    Die „Schlecker-Frauen“ bekamen immer mehr Arbeit aufgebürdet, bis schließlich manche von ihnen eine Filiale ganz allein betreuen mussten. Gedankt wurde es mit Misstrauen und Überwachung. Für die Kundschaft verschlechterten sich Angebot und Service.

    Eine Geiz-ist-geil-Spirale nach unten kam in Gang, die schließlich nicht mehr aufzuhalten war. Auch das ist in der Marktwirtschaft nicht verboten, taugt aber als Geschäftsmodell allenfalls bedingt.

    Keine aufrichtige Entschuldigung Anton Schleckers

    „Wenn ein Unternehmen von seinen Kunden und den Mitarbeitern nicht wertgeschätzt wird, dann geht es zugrunde“, sagte Schleckers Konkurrent Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm. Ein Satz, der nicht nur für Drogeriemärkte beachtenswert ist. In Zeiten steigender Unternehmensgewinne und zunehmender prekärer Beschäftigung, vielfach stagnierender Löhne und schleichender Enteignung dank Nullzinspolitik sind alle Unternehmen und die Politik aufgerufen, den Zusatz „sozial“ für unsere Spielart der Marktwirtschaft nicht zu vergessen. Staat, Wirtschaft und Gesellschaft sind bisher sehr gut mit dem bundesrepublikanischen Modell gefahren und erfreuen sich hoher Stabilität. Ein Wert, der mit Geld nicht zu bezahlen ist.

    Nichts gekostet hätte auch eine aufrichtige Bitte um Entschuldigung Anton Schleckers an seine ehemaligen Beschäftigten. Das hätte zwar deren Arbeitsplätze nicht zurückgebracht, ihnen aber zumindest das Gefühl vermittelt, mehr als nur Kostenfaktoren gewesen zu sein.