Berlin. Der SPD-Vorsitzende Martin Schulz muss auf die Union zugehen. Damit bricht er sein Wort. Er ist Opfer seiner eigenen Taktik worden.

Nun also doch. Ob als Stütze einer Minderheitsregierung, oder – was wahrscheinlicher scheint – als Regierungspartner in einer neuen GroKo: Martin Schulz muss seine SPD in ein neues Bündnis mit der Union führen.

Was Schulz unbedingt vermeiden wollte, das tritt nun aller Voraussicht nach ein. Die Genossen werden Angela Merkel erneut zur Bundeskanzlerin machen – und sich selbst dem Risiko aussetzen, ein weiteres Mal in einem Bündnis mit CDU und CSU marginalisiert zu werden.

Schulz hatte seine Partei in eine Zwickmühle manövriert, aus der es keine Rettung mehr gab. Aber der Reihe nach.

Zunächst zeigte er Instinkt

Der Schachzug von Schulz, gleich am Abend der krachenden Wahlniederlage vom 24. September den Weg in die Opposition anzukündigen, war clever. Aus dem Wahlverlierer wurde jemand, der in der Niederlage Größe zeigte und sich nicht an die Macht klammerte. Das machte die Niederlage erträglicher, brachte der SPD Respekt ein und war ein Grund dafür, dass die Sozialdemokraten drei Wochen später in Niedersachsen unerwartet zur stärksten Partei wurden. Schulz, der gewiefte Instinktpolitiker. Aber dann.

Als der Vorsitzende nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung umgehend sein Bekenntnis zur Opposition wiederholte, statt sich der politischen Verantwortung zu stellen, hatte ihn sein politisches Gespür verlassen. Denn nun stand die SPD nicht mehr als Partei der Aufrechten da, sondern als sture Verweigererin in schwierigen Zeiten. Es blieb die Wahl zwischen Schmollecke und Wortbruch. Beides finden Wähler nicht eben sexy.

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    SPD muss sich nun langsam bewegen

    Zudem unterschätzte Schulz die Stimmung in der SPD-Bundestagsfraktion. So mancher Abgeordnete, der erst gerade (und womöglich nur knapp) den Sprung ins Parlament geschafft hatte, zeigte keine große Lust, sein Mandat gleich wieder aufs Spiel zu setzen. Dann schon lieber die ungeliebte GroKo.

    Die SPD wird sich nun also bewegen müssen. Gut möglich, dass es auf eine neue schwarz-rote Koalition hinausläuft. Für die SPD wird es dann darauf ankommen, der Union wichtige Zugeständnisse abzuringen, und da stehen die Chancen gar nicht mal so schlecht. Die Frage wird sein: Ist Martin Schulz noch der richtige Mann für den Job?

    Schulz Tage könnten gezählt sein

    Der Parteichef hat in den letzten Tagen an Glaubwürdigkeit und Renommee verloren, siehe oben. Ihm haftet zudem der Makel an, der SPD ihr schlechtestes Wahlergebnis nach dem Krieg eingebrockt zu haben. Und er hat Konkurrenz.

    Sigmar Gabriel hat als Außenminister ganz offensichtlich den Spaß an der Politik wiedergefunden. Er würde sicher gern Vizekanzler bleiben, zumal er mit Merkel gut kann. Und als Parteichef lauert im Gebüsch Olaf Scholz, der schon seit Wochen immer wieder Schulz Knüppel zwischen die Beine wirft. Findet der Hamburger endlich den Mut, auf die Berliner Lichtung zu treten und Schulz herauszufordern, könnten die Tage des SPD-Chefs gezählt sein.

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