Berlin. Martin Schulz will sich in knapp zwei Wochen wieder zum SPD-Vorsitzenden wählen lassen. Doch bei vielen Kollegen sorgt er für Unmut.

Er kann es offenbar wirklich nicht. Mit seinem strikten Kurs in Richtung Neuwahl und seinem kritikwürdigen Auftritt vor der SPD-Bundestagsfraktion am Montagabend nährt

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immer mehr den Verdacht, dass ihm das Feingefühl fehlt, um sich in seiner Partei und in der deutschen Innenpolitik zu bewegen.

Es ist der zweite große Fehler, der Schulz nach der missglückten Besetzung wichtiger Posten in der Partei unterläuft. Die Niederlage bei der Bundestagswahl, die zum großen Teil auf sein Konto geht, ist da noch nicht mitgerechnet. Und dieser Mann will in knapp zwei Wochen wieder zum SPD-Vorsitzenden gewählt werden?

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    Er kommt nicht auf die Füße

    Schulz ist selbst Parlamentarier. Jahrelang saß er an der Spitze des EU-Parlaments. Er müsste wissen, wie man mit Abgeordneten umgeht und wie man Mehrheiten schmiedet. So viel anders funktioniert Politik in Brüssel nicht. In Berlin aber kommt Schulz nicht auf die Füße. Seine Kollegen in der Bundestagsfraktion fühlten sich überfahren, als er ihnen seinen Weg in Richtung Neuwahl aufzwingen wollte.

    Als Fraktionsvorsitzender hätte er sich das eventuell noch erlauben können. Aber den Job hat Andrea Nahles inne. Parteichef Schulz ist im Fraktionssaal einfacher Abgeordneter. Etwas Demut hätte dem EU-Parlamentspräsidenten a. D. nicht geschadet.

    Mehr Respekt vor Wähler würde gut tun

    Es geht aber nicht nur um Ton und Auftreten vor der Fraktion. Auch in der Sache konnte der Versuch, frisch gewählte Abgeordnete in Richtung Neuwahl zu schicken, nicht gut gehen. Die Unlust auf einen neuerlichen Wahlkampf dürfte dabei noch die geringste Rolle gespielt haben. Wichtiger war, dass fast jeder fünfte Sozialdemokrat erstmals in den Bundestag gewählt wurde und viele andere ihren Wahlkreis nur knapp gewonnen haben.

    Sie alle müssen bei einer Neuwahl um ihr Mandat fürchten. Am wichtigsten aber war wohl die Frage, die sich Abgeordnete in ihrer Heimat hätten anhören müssen: Habt ihr sie noch alle? Wie oft sollen wir wählen, damit es euch in Berlin passt? Auch etwas mehr Respekt vor dem Wähler hätte Schulz gut getan.

    Schulz hätte Optionen schon eröffnen können

    Mit seiner

    und der Fokussierung auf eine Neuwahl beraubt sich Schulz zudem wichtiger Handlungsoptionen. Sicher: Ein Bündnis mit der Union ist bei Sozialdemokraten nach den Erfahrungen mit Angela Merkel doppelt unbeliebt. Aber warum muss man das Kind gleich mit dem Bad ausschütten und für eine Neuwahl trommeln?

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    rhetorisch längst eröffnen können. Fraktionschefin Nahles war da etwas geschickter. Eine Regierung ohne eigene Mehrheit ist kein erstrebenswerter Zustand, das ist klar. Aber muss man in einer Zeit, in der erstmals sechs Parteien im Bundestag sitzen und in der eine Partei wie die AfD mitmischt, nicht völlig neu denken? Schulz hat hier zu wenig politische Fantasie an den Tag gelegt.

    Gegenkandidaten halten sich bislang zurück

    Vor allem aber hat er bisher nicht auflösen können, welchen strategischen Vorteil eine Neuwahl der SPD bringen würde. Was ist denn, wenn die einzige Chance zur Regierung wieder nur eine große Koalition ist? Sollen wir dann ein drittes Mal wählen? Ganz abgesehen von der ungelösten Frage, wer die SPD dann in eine Neuwahl führt. Schulz etwa? Womöglich glaubt er, dass er eine zweite Chance bekäme.

    Mit seiner Frontstellung gegen die Union wollte Schulz die Reihen in der Partei schließen, denn er will am übernächsten Wochenende noch einmal Parteivorsitzender werden. Die Chancen dafür standen bisher gut. Alle potenziellen Gegenkandidaten halten sich aus Gründen der persönlichen Karriereplanung zurück. Vielleicht ändert sich das nun doch noch.