Berlin. Läuft es in Berlin auf eine Minderheitsregierung hinaus? Die SPD ist offenbar dafür. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

  • Läuft es in Berlin auf eine Minderheitsregierung hinaus?
  • Die SPD ist offenbar dafür
  • Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel hat als Alternative zu einer erneuten großen Koalition eine Minderheitsregierung ins Gespräch gebracht. „Wir sehen im Moment keine Basis für eine große Koalition“, sagte Schäfer-Gümbel am Mittwoch im ZDF. „Wir wollen keine österreichischen Verhältnisse.“

Deshalb müsse man nach anderen Optionen suchen, sagte er und verwies auf Artikel 63 des Grundgesetzes. Dieser ermöglicht Neuwahlen, aber auch eine Minderheitsregierung. Damit habe man in Hessen gute Erfahrungen gemacht in der Zeit der geschäftsführenden Landesregierung mit wechselnden Mehrheiten.

Zuvor hatte sich bereits SPD-Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles in diese Richtung geäußert. „Wir sollten darüber reden, wie wir einen Prozess gestalten, der unser Land in eine neue, stabile Regierung führt“, sagte sie am Dienstag. Dieser Prozess könne in eine Minderheitsregierung münden oder in Neuwahlen. Nahles bekräftigte aber, dass ihre Partei nicht wieder eine große Koalition bilden wolle. Doch worum geht es eigentlich?

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    • Was ist eine Minderheitsregierung?

    In aller Regel bilden eine oder mehrere Parteien zusammen eine Regierung, wenn sie die Mehrheit im Parlament haben. Es kann aber auch sein, dass Parteien, die koalieren wollen, nicht die Mehrheit der Sitze im Parlament haben. Dann kann es zu einer Minderheitsregierung kommen. Eine solche Regierung braucht also bei Gesetzesvorhaben die Unterstützung anderer Parteien für eine Mehrheit im Parlament. Eine solche Minderheitsregierung kann sich auf nur eine weitere im Parlament vertretene Partei stützen oder auf mehrere – je nachdem bei welcher sie Zustimmung für ihre unterschiedlichen Gesetzesvorhaben bekommt.

    • Gab es bei uns schon Minderheitsregierungen?

    Diese Varianten sind theoretisch denkbar.
    Diese Varianten sind theoretisch denkbar. © dpa-infografik | dpa-infografik GmbH

    Ja. Minderheitsregierungen sind in Deutschland gar nicht so selten – vor allem nicht auf Länderebene. In allen Bundesländern außer Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen gab es bereits Regierungen ohne parlamentarische Mehrheit. In Sachsen-Anhalt hielt sich SPD-Ministerpräsident Reinhard Höppner sogar acht Jahre – von 1994 bis 2002 – ohne eigene Mehrheit mit Duldung der damaligen PDS an der Macht. Und SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft führte in NRW ein rot-grünes Kabinett, das fast zwei Jahre lang von den Linken toleriert wurde. Im Bund hatten bisher vier Minderheitskabinette nur wenige Wochen Bestand. Sie waren immer während der Übergangszeit zwischen dem Verlust ihrer Mehrheit und der Bildung einer neuen Koalition im Amt.

    • Welche Varianten wären jetzt denkbar?

    CDU-Chefin Angela Merkel könnte nur mit den Unionsschwestern CDU und CSU eine Minderheitsregierung bilden. Sie könnte aber auch entweder die Grünen mit ins Boot holen, oder aber die FDP.

    • Würden die Grünen denn Schwarz-Grün mitmachen?

    Offiziell lautet die Parole: Wir sind gesprächsbereit. Allerdings heißt es intern auch, in einer schwarz-grünen Minderheitsregierung gebe es für die Ökopartei keinen Blumentopf zu gewinnen, da die Mehrheiten für grüne Herzensangelegenheiten im Bundestag fehlten. Die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen sei etwas anderes gewesen – da habe nur eine Stimme gefehlt und es habe eine Mehrheit links der Mitte gegeben.

    • Würde die FDP eine Minderheitsregierung mitmachen?

    Die Wahrscheinlichkeit, dass die Liberalen mit der Merkel-CDU in eine Minderheitsregierung gehen, tendiert gegen Null. Zu groß ist nach den geplatzten Sondierungen der Ärger in der Partei. Viele in der FDP haben das Gefühl, Merkel habe sie mal wieder über den Tisch ziehen wollen, um die Grünen ins Boot zu kriegen. Merkel dürfte es also wohl gar nicht erst probieren.

    • Und wie sieht es bei CDU und CSU aus?

    In der Union hatte es durchaus Gedankenspiele gegeben, eine vorübergehende Minderheitsregierung könne eine längere Hängepartie bei der Regierungsbildung überbrücken und den Start wichtiger Projekte wie etwa den Breitbandausbau des Internets in Deutschland vorantreiben. Merkel äußerte sich aber zuletzt skeptisch, ebenso Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU). Der sagte im ZDF: „Eine Minderheitsregierung, die von niemandem unterstützt und getragen wäre, wäre sicherlich keine gute Lösung für das Land.“

    • Wie steht die SPD dazu?

    Die SPD-Spitze sieht diese Variante offenbar als Möglichkeit, sich einigermaßen unbeschadet aus der Affäre zu ziehen. Fraktionschefin Andrea Nahles gab am Dienstag eine vielsagende Antwort auf eine entsprechende Frage: „Das hängt davon ab, da müssen wir jetzt drüber reden.“ Denn auf Neuwahlen „hat niemand wirklich Lust“.

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      • Wo lägen die Risiken für die Parteien?

      Eine Minderheitsregierung wäre eine Überbrückung bis zu Neuwahlen, um dringliche Projekte wie eben den Breitbandausbau voranzutreiben. Die Parteien werden also sofort wieder in den Wahlkampfmodus übergehen. Eine Unterstützung von Projekten der Minderheitsregierung ließe zu wenig Eigenprofilierung und Abgrenzung zu. Im Gegenteil, es bestünde die Gefahr, für die Interessen der Minderheitsregierung eingespannt zu werden. Andererseits bestünde für Merkel und ihre Minderheitsregierung das Risiko, bei gemeinsamen Projekten vom Mehrheitsbeschaffer vorgeführt zu werden. (rtr/dpa)