Berlin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier muss den Parteien ins Gewissen reden. Zum Glück ist er auch der richtige Mann in dieser Rolle.

Die Rolle des Präsidenten ist in der deutschen Geschichte eine äußerst zwiespältige. In der Weimarer Verfassung hatte der Reichspräsident noch eine große Machtfülle, die Paul von Hindenburg in unheilvoller Weise nutzte. Nach diesen Erfahrungen schränkten die Väter des Grundgesetzes die Befugnisse des Präsidenten bewusst stark ein.

Der Bundespräsident übernimmt als deutsches Staatsoberhaupt heute vor allem repräsentative Tätigkeiten. Als sein schärfstes Instrument gilt das Wort. In parlamentarischen Krisenmomenten aber weist ihm die Verfassung eine wichtige Rolle zu. In dieser Situation befindet sich Deutschland

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gibt es einen versierten Krisenmanager an der Spitze des Staates. Das ist beruhigend.

Steinmeier ist der richtige in dieser Rolle

Die ersten Monate blieb Steinmeier in seiner Rolle als Präsident eher farblos. Doch im Oktober überzeugte er mit seiner Rede zum Tag der Einheit, fand Worte zu Themen wie Heimat und Flüchtlinge, die nachhallen. Jetzt fällt ihm die entscheidende Rolle bei der Regierungsbildung zu. Er muss vermitteln, ausloten, moderieren, gleichzeitig ermahnen und Stärke zeigen. Eine heikle Aufgabe. Doch dem ehemaligen Außenminister geht es auch um Deutschlands Bild in der Welt. Es soll keinen Schaden nehmen.

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    Steinmeier ist der richtige in dieser Rolle. Er soll sich sogar die Papiere der Jamaika-Verhandlungen bestellt haben, um zu erfahren, woran es denn nun genau gelegen hat. Neuwahlen wären vielleicht die einfachere Lösung, aber eine Minderheitsregierung will er nicht deshalb ausschließen, weil es sie noch nicht gegeben hat.

    SPD könnte nun Verantwortung übernehmen

    Erst einmal redet er den Verantwortlichen noch einmal ins Gewissen. Der Bundespräsident schwört in seinem Eid qua Grundgesetz seine Kraft dem „Wohle“ des Volkes zu widmen, dessen Nutzen zu mehren und „Schaden“ von ihm zu wenden. Steinmeier nimmt diese Mahnung sehr ernst.

    Das sollten auch die anderen Parteien tun. Die SPD unter Martin Schulz hat die Wahl krachend verloren und sich zu Recht zunächst für den Gang in die Opposition entschieden. Doch angesichts des Scheiterns von Jamaika könnten die Sozialdemokraten nun Verantwortung übernehmen, eine große Koalition eingehen und sozialdemokratische Positionen politisch umsetzen.

    Schulz: Große Koalition ist abgewählt worden

    Wenn die SPD noch eine Volkspartei sein will, warum nimmt sie dieses Angebot zum Regieren nicht an, ja, versucht nicht einmal in Verhandlungen, das Beste für ihre Wähler in den nächsten vier Jahren rauszuholen?

    Die Sozialdemokraten haben die Geschicke dieses Landes mehrfach bestimmt und Größe gezeigt. Wie kann die SPD sich nun so drücken, gerade in einer Zeit der gesellschaftlichen Spaltung? Schulz argumentiert, die große Koalition sei abgewählt worden. Die Idee, dass seine Person und seine Kampagne abgestraft wurden, kommt ihm dabei offenbar nicht in den Sinn.

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      Wähler bleibt genervt zurück

      Bleibt die FDP. Bei allem Respekt vor der Entscheidung, eine Koalition nicht eingehen zu wollen, weil es keine gemeinsame Vertrauensbasis gegeben habe: Die FDP hat mit der Art ihres Abgangs nicht den Eindruck erweckt, als sei es ihr um Vertrauen gegangen.

      Wenn eine große Runde von 50 Politikern um das politische Schicksal dieses Landes ringt, dann gebietet es der menschliche Anstand, diese Runde zuerst zu informieren, bevor man Pressemitteilungen verschickt und vor Kameras tritt. Als Wähler bleibt man genervt zurück. Politiker werden dafür gewählt, zu regieren und Verantwortung zu übernehmen. Und nicht dafür, sich aus dem Staub zu machen.