Berlin. In Brandenburg arbeitet die erste parteinahe AfD-Stiftung. Sie bietet Seminare und Vorträge an – mit teils fragwürdigen Referenten.

Der Antrag für die Garderobenständer ist noch nicht durch. Bis auch dieses Geld vom Staat fließt müssen Besucher die Jacken und Mäntel noch provisorisch auf einem der Tische in einem Nebenzimmer der Erasmus-Stiftung Brandenburg ablegen. Das Gebäude der parteinahen Landestiftung der Bundestag-Neulinge von der

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liegt etwas abseits des Städtchens Falkensee im Brandenburger Wald, eine Stichstraße führt auf das Gelände.

Anträge für Fördergeld, Papierkram für Projektmittel, Zuschüsse für Vorträge und Seminare: Die Erasmus-Stiftung aus Brandenburg ist die erste parteinahe Stiftung der AfD in Deutschland, die ihre Arbeit schon mit Steuergeld finanziert. Sie steht damit Modell für die Vorhaben auf Bundesebene, eine politische Stiftung aufzubauen, die den Geist der Partei verbreitet.

Fachpersonal für die AfD heranbilden

„Die AfD benötigt hochqualifiziertes Personal, wir wollen die Leute darauf vorbereiten, Regierungsverantwortung zu übernehmen“, sagt Rainer van Raemdonck, der Vorsitzende der Brandenburger Landesstiftung. Um diesen Plan umzusetzen, hat van Raemdonck auch persönlich investiert, eine Menge Geld und einen Haufen Zeit.

Der Vorsitzende der AfD-nahen Erasmus-Stiftung Brandenburg, Rainer van Raemdonck.
Der Vorsitzende der AfD-nahen Erasmus-Stiftung Brandenburg, Rainer van Raemdonck. © FMG | Leon Scherfig

Stiftungs-Chef Rainer van Raemdonck ist aus dem Landesvorstand der AfD ausgetreten, um sich mit vollem Einsatz dem neuen Projekt zu widmen. Der frühere SED-Mann und ehemalige stellvertretende Landesvorsitzende der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“ fand in der AfD seine neue politische Heimat und treibt den Aufbau der Erasmus-Stiftung mit Hausmitteln voran: Die Schilder über der Eingangstür mit dem blauen Schriftzug „Erasmus-Stiftung Brandenburg“ hat er selbst gepinselt, zu Hause in seinem Arbeitsraum im Keller.

Geld ist inzwischen da. 85.000 Euro im Jahr fließen an die Erasmus-Stiftung Brandenburg. Die gleiche Summe bekommt der ebenfalls mit der AfD verbandelte sogenannte kommunalpolitische Heimatverein Brandenburg.

Beide politischen Gründungen verfolgen dasselbe Ziel: Sie wollen Bürger für die Sache der AfD gewinnen und zu möglichen künftigen Mandatsträger ausbilden. Einerseits auf Landesebene, andererseits auf kommunaler Ebene – so betreibt die Partei politische Weltbildvermittlung nach dem Graswurzelprinzip.

„Kriminalität explodiert“

Der Vorsitzende van Raemdonck führt durch den Seminarraum mit Leinwand und Stühlen für ein paar Dutzend Zuhörer. Auf dem Fensterbrett liegen Flyer der Zeitung „Junge Freiheit“ mit der Warnung: „Die Kriminalität explodiert – Ihr Leben und Eigentum sind in Gefahr“.

Die Titel in dem Bücherregal nebenan lesen sich wie die Shortlist für einen vom rechten Kopp-Verlag ausgelobten Buchpreis: „Gekaufte Journalisten“ und „Die Asyl-Industrie“ von Udo Ulfkotte, „Beuteland“ von Bruno Bandulet, „Lügenpresse“ von Markus Gärtner und andere.

Van Raemdonck betont, dass er die Stiftung nicht in die „rechten Ecke“ gerückt sehen möchte, sondern sie als „konservativ“ versteht. Was bedeutet das konkret, für welche politischen Ziele steht die Stiftung genau ein? „Wir wollen mehr direkte Demokratie“, sagt er. „Außerdem gegen Steuerverschwendung wie zum Beispiel beim Flughafen BER vorgehen.“

Redner in Verfassungsschutz-Berichten genannt

Zu diesen Themen lädt die Stiftung auch ihre Referenten zu Seminaren ein – und holte sich so auch umstrittene Redner ins Haus. Über das Thema Wahlbeobachtung sprach zum Beispiel Michael Schäfer, der ehemalige Bundesvorsitzende der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN), der in der Vergangenheit immer wieder in Berichten verschiedener Landesverfassungsschutzbehörden auftauchte.

Die Sächsischen Verfassungsschützer schildern in ihrem Bericht, wie Schäfer auf einer Veranstaltung rechtsextreme Demonstranten anheizt: „Kameraden, in Leipzig ist schon einmal ein Staat zu Grunde gegangen. Warum soll es nicht wieder so sein? Warum soll heute nicht der Anfang vom Ende des Projektes BRD sein? (…)

Das provisorische Schild für die Erasmus-Stiftung Brandenburg hat ihr Vorsitzender selbst gepinselt.
Das provisorische Schild für die Erasmus-Stiftung Brandenburg hat ihr Vorsitzender selbst gepinselt. © FMG | Leon Scherfig

Und weiter: „Der Widerstand lässt sich nicht verbieten, Kameraden, denn wir kämpfen. (…) Von Leipzig ging schon einmal eine Revolution aus. Und auch heute stehen hier freie Kämpfer – heute stehen hier Revolutionäre. Wir werden uns das von dem Pack nicht gefallen lassen, weder von dem in Rot noch von dem in Grün.“ Später flogen laut dem Bericht Flasche, Steine und Knallkörper in Richtung der Polizei.

Bei der Rede von Schäfer in der Erasmus-Stiftung blieben Gläser und Flaschen im Seminarraum hingegen auf den Tischen. Es ging laut Teilnehmern ganz gesittet zu, sicherlich nicht antidemokratisch. Die Stiftung geht offensiv mit der Einladung um: Michael Schäfer sei kurzfristig eingeladen worden, weil ein anderer Redner – ein Richter aus Neuruppin – abgesprungen sei, heißt es auf Nachfrage. Ein Ersatz also.

„Rechtsradikaler Hintergrund“ nicht bekannt

„Der Vortrag war keine Spur radikal“, beteuert der Mitarbeiter, der für die Einladung von Schäfer verantwortlich war. Er sei über Empfehlungen an den Referenten gelangt. Der habe dann vor allem über Ungereimtheiten bei der Auszählung von AfD-Stimmen bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gesprochen. Von einem „rechtsradikalem Hintergrund“ hätten die Gastgeber aber nichts gewusst.

Dabei ist Schäfer in der rechten Szene alles andere als eine kleine Nummer. In mehreren Medienberichten wird er als Scharfmacher dargestellt, der zum Beispiel bei einer Rede in Dresden gegen die „Lügenrepublik“, gegen „Scheindemokraten“ und „Scheingesetze“ wetterte. Er ist auch für den Verein Ein Prozent tätig, in dem sich Mitglieder der Identitären Bewegung und rechte Verleger engagieren.

Ob von den vorigen Umtrieben von Schäfer gewusst oder nicht gewusst – eine klare Abgrenzung zur Neuen Rechten lässt die Teilnehmerliste der Referenten der Erasmus-Stiftung Brandenburg nicht zu. Anfang Dezember spricht beispielsweise der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider auf einem von der Stiftung organisiertem Fachkongress über das Thema Menschenwürde.

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    In den Räumen der Erasmus-Stiftung Brandenburg wirkt vieles noch vergleichsweise provisorisch. Wie das Schild über dem Eingang sind auch die Hinweisschilder für die Parkplätze von Rainer van Raemdonck in blauer Farbe selbst gepinselt. In der kleinen Küche stehen ausrangierte Teller von seiner Frau.

    Und auch die offizielle Website der Stiftung ist noch nicht bis ins letzte Detail ausgearbeitet. Unter der Rubrik „Über uns“ führt die Stiftung unter anderem die Kategorie „Spenden“ auf. Dort steht noch unverändert der Blindtext mit der Aufforderung: „Fügen Sie an dieser Stelle die Möglichkeit ein, Ihre Stiftung mit Spenden zu unterstützen.“

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