Berlin. Was passiert nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen? Welche Chancen hat eine Minderheitsregierung? Die Szenarien im Überblick.

Die FDP hat am späten Sonntagabend die Jamaika-Sondierungen abgebrochen. Diese Szenarien sind nun denkbar.

• GROSSE KOALITION: Eine schwarz-rote Koalition ist rechnerisch möglich. Theoretisch könnten CDU, CSU und SPD also Verhandlungen aufnehmen. Die SPD ist aber nicht bereit für eine Neuauflage der „GroKo“. Am vergangenen Freitag schloss die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles eine große Koalition erneut aus. Auch Parteichef Martin Schulz sieht die SPD nur in der Opposition.

FAZIT: Nahezu ausgeschlossen

• MINDERHEITSREGIERUNG: Einer möglichen Koalition aus CDU/CSU und FDP fehlen 29 Sitze zur Mehrheit im Bundestag. Schwarz-Gelb müsste also bei Abstimmungen auf Stimmen aus den anderen Fraktionen hoffen. Das Gleiche gilt für Schwarz-Grün; hier fehlen 42 Sitze zur Mehrheit. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist jedoch keine Freundin wechselnder, unsicherer Mehrheiten. Eine Minderheitsregierung hat es nach einer Bundestagswahl auch noch nie gegeben, eben weil sie so riskant ist.

FAZIT: Unwahrscheinlich

• NEUWAHLEN: Der Weg zu einer Neuwahl ist verschlungen - weil es die Verfassung so will. Vor eine Neuwahl unter den aktuellen Umständen hat das Grundgesetz nämlich die Kanzlerwahl gestellt.

Der Bundespräsident muss zunächst jemanden für das Amt des Bundeskanzlers vorschlagen. Diese Person wird Kanzler(-in), wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bundestages für sie stimmen („Kanzlermehrheit“). Bisher wurden alle Kanzler der Bundesrepublik in diesem ersten Wahlgang gewählt.

Jamaika gescheitert – Bilder der Nacht

Der Schock kam kurz vor Mitternacht: Die FDP hat am späten Sonntagabend die Jamaika-Sondierungen mit CDU, CSU und Grünen abgebrochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel bedauerte den Schritt.
Der Schock kam kurz vor Mitternacht: Die FDP hat am späten Sonntagabend die Jamaika-Sondierungen mit CDU, CSU und Grünen abgebrochen. Bundeskanzlerin Angela Merkel bedauerte den Schritt. © dpa | Bernd von Jutrczenka
In der Landesvertretung von Baden-Württemberg in Berlin trat sie mit Horst Seehofer (hinten l.) zu einem Statement vor das Mikrofon.
In der Landesvertretung von Baden-Württemberg in Berlin trat sie mit Horst Seehofer (hinten l.) zu einem Statement vor das Mikrofon. © dpa | Bernd von Jutrczenka
„Ich glaube, ich kann für CDU und CSU sagen, dass wir nichts unversucht gelassen haben, um doch eine Lösung zu finden“, sagte Merkel. Sie selbst werde als geschäftsführende Bundeskanzlerin alles tun, „dass das Land auch durch diese schweren Wochen gut geführt wird“.
„Ich glaube, ich kann für CDU und CSU sagen, dass wir nichts unversucht gelassen haben, um doch eine Lösung zu finden“, sagte Merkel. Sie selbst werde als geschäftsführende Bundeskanzlerin alles tun, „dass das Land auch durch diese schweren Wochen gut geführt wird“. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Ihre Parteikollegen, wie hier Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, stärkten Merkel bei ihrer Ansprache den Rücken.
Ihre Parteikollegen, wie hier Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, stärkten Merkel bei ihrer Ansprache den Rücken. © dpa | Michael Kappeler
Knapp sechs Stunden später als angekündigt war die Entscheidung über Wohl und Wehe einer Jamaika-Koalition gefallen. Bei ihrem Abgang machte Merkel gute Miene zum bösen Spiel.
Knapp sechs Stunden später als angekündigt war die Entscheidung über Wohl und Wehe einer Jamaika-Koalition gefallen. Bei ihrem Abgang machte Merkel gute Miene zum bösen Spiel. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner zeigte sich zerknirscht. Den Abbruch der Sondierungsgespräche begründete er damit, dass es in den gut vier Wochen nicht gelungen sei, eine Vertrauensbasis zu schaffen.
Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner zeigte sich zerknirscht. Den Abbruch der Sondierungsgespräche begründete er damit, dass es in den gut vier Wochen nicht gelungen sei, eine Vertrauensbasis zu schaffen. © dpa | Michael Kappeler
„Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, sagte Lindner.
„Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren“, sagte Lindner. © dpa | Michael Kappeler
Statt gemeinsam mit Union und Grünen trat Lindner nach dem Jamaika-Aus allein mit seiner Mannschaft vor die Presse.
Statt gemeinsam mit Union und Grünen trat Lindner nach dem Jamaika-Aus allein mit seiner Mannschaft vor die Presse. © dpa | Michael Kappeler
Lindner nach dem Statement in seinem Auto. Union und Grüne kritisierten im Anschluss, der Abbruch durch die FDP sei schon länger geplant gewesen.
Lindner nach dem Statement in seinem Auto. Union und Grüne kritisierten im Anschluss, der Abbruch durch die FDP sei schon länger geplant gewesen. © dpa | Bernd von Jutrczenka
„Wir waren zu dieser Verständigung bis zur letzten Sekunde bereit“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. Die FDP sei es nicht gewesen.
„Wir waren zu dieser Verständigung bis zur letzten Sekunde bereit“, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir. Die FDP sei es nicht gewesen. © dpa | Bernd von Jutrczenka
Grünen-Chefunterhändlerin Katrin Göring-Eckardt ergänzte, das Bündnis hätte zustande kommen können. Dies wäre auch ein Signal gewesen für ein Land, das so gespalten sei, sagte sie.
Grünen-Chefunterhändlerin Katrin Göring-Eckardt ergänzte, das Bündnis hätte zustande kommen können. Dies wäre auch ein Signal gewesen für ein Land, das so gespalten sei, sagte sie. © dpa | Michael Kappeler
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Findet der Vorschlag des Bundespräsidenten keine Mehrheit, beginnt die zweite Wahlphase. Der Bundestag hat jetzt zwei Wochen Zeit, sich mit absoluter Mehrheit auf einen Kanzler zu einigen. Die Zahl der Wahlgänge ist nicht begrenzt, ebenso wenig die Zahl der Kandidaten. Dem Bundestag steht es also frei, die zwei Wochen ungenutzt verstreichen lassen - oder etwa fünfzehn Mal zu versuchen, einen Kandidaten zu wählen.

Kommt auch in diesen zwei Wochen keine Kanzlermehrheit zustande, beginnt die dritte Wahlphase. In diesem letzten Wahlgang reicht schon die relative Mehrheit. Gewählt ist also, wer von allen Kandidaten die meisten Stimmen gewinnt.

Nun muss wieder der Bundespräsident handeln. Wird jemand nur mit relativer Mehrheit gewählt, kann der Bundespräsident sie zur Kanzlerin oder ihn zum Kanzler einer Minderheitsregierung ernennen - er kann aber auch den Bundestag auflösen. Innerhalb von 60 Tagen muss es dann Neuwahlen geben.

FAZIT: Wahrscheinlich. (dpa)