Berlin. Der Streit zwischen den Jamaika-Partnern ist richtig, aber es braucht Kompromisse. Der Wille zur Einigung ist ein Zeichen von Stärke.

Sich bloß nicht zu früh in die Karten schauen lassen – das gilt fürs Pokerspiel genauso wie für Verhandlungen. Wer als Erster Zugeständnisse macht, steht hinterher schnell als Verlierer da.

Das will sich in den

Auch interessant

keiner erlauben. Zu groß ist die Angst, dass man über zu viel Entgegenkommen das eigene Profil und damit womöglich Wähler verliert. Die Sorge ist verständlich.

Ein Beharren auf der eigenen Position ist ein Ausdruck der Schwäche

Doch wenn ein Unterhändler nach einem

Auch interessant

von 15 Stunden sagt, dass es bei vielen Themen zwar ein Verstehen,

Auch interessant

gab – dann ist das blamabel. Ein unerbittliches Beharren auf der eigenen Position ist ein Ausdruck von Schwäche. Dass CSU und Grüne sich nicht unbedingt in einer Koalition wiederfinden wollten, ist kein Geheimnis. Angesichts der unterschiedlichen Weltsicht und Programmatik ist es zugegeben auch ein schwieriges Unterfangen.

Eine Koalition muss jedoch keine Liebesheirat sein. Denn was passiert,

Auch interessant

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommt am 17.11.2017 in Berlin nach dem Abbruch der Sondierungsgespräche aus der parlamentarischen Gesellschaft. Spitzenvertreter aus CDU, CSU, FDP und Grüne beraten bei den Jamaika Sondierungsgesprächen über die Aufnahme von Koalitionsverhandlung zur Bildung einer Regierung. Foto: Michael Kappeler/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Von Julia Emmrich, Alexander Kohnen und Kerstin Münstermann

und nicht an die Regierung kommt? Dann kann man weder das Klima retten, noch die Migration eindämmen – so wie es sich Grüne und CSU jeweils so innig wünschen. Dann ist die Chance, in Deutschland etwas im eigenen Sinne zu bewegen, vertan. Diese Erkenntnis ist bei den Verhandlern offenbar noch nicht angekommen. Stattdessen erzählen an den langen Verhandlungsabenden viele Spindoktoren teils genüsslich, was alles bei den jeweils anderen nicht läuft, wer sich untereinander bekämpft und lächerlich macht.

Das politische System Deutschlands beruht auf der Konsensfindung

Dieses Sich-Belauern geht seit vier Wochen so, war am Anfang amüsant, doch ist mittlerweile für die Akzeptanz von Politik gefährlich. Das politische System dieses Landes beruht auf der Konsensfindung und -bildung. Nur Kompromisse machen die zahlreichen Farbkonstellationen in den Regierungen der Bundesländer möglich. Nicht zu vergessen: die vom Grundgesetz gewollte Konsensfindung zwischen Bundestag und Bundesrat.

In die Fresse: Wie aggressiv darf politische Rhetorik sein, Andrea Nahles?

weitere Videos

    Und 2017 ist ein solches Sich-Zieren geradezu absurd. Die Parteien sind sich über die Höhe der Steuermilliarden, die sie verwalten können, uneins. Bei fünfzehn Milliarden Euro fing man an, mittlerweile gehen Rechnungen bis weit über 50 Milliarden Euro. In früheren Koalitionsverhandlungen wussten die Verantwortlichen oft nicht, wie sie das Minus verwalten und welche Kürzungen sie als Erstes durchsetzen sollen. Was für ein Luxus, sich darüber streiten zu können, wie schnell man den Solidaritätszuschlag abbauen kann.

    Angela Merkel hat zu lang gezaudert – wieder mal

    Doch der Verdruss gilt nicht nur den kleinen Parteien. Angela Merkel hätte früher klarmachen müssen, wofür sie steht, was für sie unverrückbar ist. Sie muss klarmachen, dass es ohne das Abrücken von eigenen Positionen auch in Kernfragen nun mal nicht geht. Die Kanzlerin muss ein Machtwort sprechen. Zumal sie genau weiß, welche Folgen es hat, die dicken Brocken vor sich herzuschieben: Die Unvereinbarkeit der Positionen von CSU und Grünen in der Zuwanderungsfrage dürfte ihr durchaus bekannt vorkommen. Die Flüchtlingsfrage mit der Schwester CSU nicht frühzeitig geklärt zu haben, war der Kardinalfehler im Wahlkampf der Union. Enden zusammenzubinden, so wie sie es mehrfach formulierte, ist gut. Aber dazu muss man das Seil in der Mitte auch mal anpacken.

    Wenn es also am Freitag heißt, es hänge alles „am seidenen Faden“, dann ist das albern. Stattdessen muss man den Verhandlern mitgeben: Schlaft euch aus und versucht es am Wochenende wieder – ernsthaft, mit dem Willen zum Regieren und Gestalten.