Wien/Berlin. Österreich steht vor einem Machtwechsel: Die Wahl am Sonntag könnte die große Koalition beenden. Ein Jungstar wartet auf seine Chance.

Unser Nachbarland Österreich steuert auf eine politische Wende zu. Die bisher in Wien regierende große Koalition aus Sozialdemokraten (SPÖ) und konservativer Volkspartei (ÖVP) ist am Ende, nun werden die Karten bei der Wahl am 15. Oktober neu gemischt. Die rechtspopulistische FPÖ könnte in die Regierung einziehen. Die wichtigsten Punkte zur Wahl in Österreich:

• Die Ausgangslage. In den vergangenen zehn Jahren regierte in Österreich ein Bündnis aus SPÖ und ÖVP. Diese Zusammenarbeit hat eine lange Tradition. Seit 1945 hat die große Koalition 20 der 29 Bundesregierungen gebildet. Doch diese Konstellation hat das Vertrauen der meisten Wähler verloren. Die Koalition unter SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern platzte im Mai, als ÖVP-Chef Sebastian Kurz auf Neuwahlen drängte. Die Krise spitzte sich weiter zu, als im Wahlkampf im Zusammenhang eine Schmutzkampagne im Internet gegen Kurz publik wurde. Seitdem drohen sich ÖVP und SPÖ gegenseitig Klagen an.

Der ÖVP-Vorsitzende Sebastian Kurz.
Der ÖVP-Vorsitzende Sebastian Kurz. © dpa | Georg Hochmuth

• Der Shootingstar. Der derzeitige Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) gilt als kommender Bundeskanzler. Der 31-jährige Jungstar der österreichischen Politik ist sehr ehrgeizig und gilt als politisches Ausnahmetalent. Wegen seiner scharfen Asylpolitik wurde er über die Landesgrenzen hinweg bekannt. Kurz gilt seit der Übernahme des ÖVP-Vorsitzes im Mai als Favorit im Rennen um das Kanzleramt. Er verfügt über die mit Abstand höchsten Popularitätswerte aller Politiker in Österreich. Seit er das Ruder übernahm, schnellten die Umfragewerte seiner ÖVP regelrecht in die Höhe.

• Die letzten Umfragen. Vier Tage vor dem Urnengang liegt die ÖVP in den Umfragen mit 33 Prozent klar vorn. SPÖ und FPÖ kommen jeweils auf rund 25 Prozent der Stimmen und liefern sich einen Kampf um Platz zwei. Die Grünen müssen nach gut drei Jahrzehnten im Parlament um ihren Wiedereinzug bangen. Der Partei nimmt auch ihr ehemaliges Mitglied Peter Pilz Stimmen weg. Der Ex-Grüne tritt mit einer eigenen Liste an und liegt mit rund fünf Prozent etwa gleichauf wie die Grünen. Leicht davor liegen die liberalen Neos, die seit 2013 im Nationalrat vertreten sind.

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• Die künftige Regierung. Eine Neuauflage des Bündnisses aus ÖVP und SPÖ gilt als ausgeschlossen – siehe oben. Dagegen dürfte eine Koalition aus ÖVP und FPÖ die wahrscheinlichste Variante sein. In den Wahlprogrammen beider Parteien finden sich inhaltliche Überschneidungen, etwa bei den Themen Migration, Bildung und Sicherheit. ÖVP-Chef Kurz hatte aber auch die Variante einer ÖVP-Minderheitsregierung ins Spiel gebracht. In einem Interview kündigte an, er wolle „etwas völlig Neues“ also etwas anderes als eine Regierung mit fixer parlamentarischer Mehrheit probieren. Die Partei würde dann versuchen, mit wechselnden Mehrheiten ihr Programm durchzubringen. Ob Kurz dies wirklich riskiert, ist aber fraglich.

So war es im Jahr 2000. FPÖ-Chef Jörg Haider (l.) und der ÖVP-Vorsitzende Wolfgang Schüssel unterzeichnen ihren Koalitionsvertrag.
So war es im Jahr 2000. FPÖ-Chef Jörg Haider (l.) und der ÖVP-Vorsitzende Wolfgang Schüssel unterzeichnen ihren Koalitionsvertrag. © imago/ZUMA Press | imago stock&people

• Die Folgen eines Rechtsbündnisses. Schon im Jahr 2000 einigten sich beide Parteien erstmals auf eine Koalition. Damals stieß dies auf breite Ablehnung im In- und Ausland. Hunderttausende Menschen demonstrierten gegen die Vereidigung der Regierung. Die EU verhängte Sanktionen gegen Österreich. Sollten sich die Parteien nach der Wahl erneut auf eine Koalition einigen, kann wohl mit einer Verschärfung der österreichischen Asylpolitik gerechnet werden. Sowohl ÖVP-Chef Kurz als auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wollen die Zahl der Zuwanderer begrenzen und Sozialleistungen für Asylberechtigte kürzen. Diese Position würde die Regierung auch in der EU vertreten. Wie die anderen EU-Länder auf eine Regierungspartei FPÖ reagieren würden, ist unklar.

• Die Rolle des FPÖ-Chefs. Der FPÖ-Vorsitzende Heinz-Christian Strache (48) zählte schon bislang zu den erfolgreichsten Rechtspopulisten Europas. Strache will Vize-Kanzler werden. Strache, von vielen nur „HC“ genannt, übernahm die FPÖ 2005 an einem Tiefpunkt, nachdem sein Vorgänger und Mentor Jörg Haider die Partei gespalten hatte. Unter Straches Führung konnte die FPÖ bei nahezu allen Wahlen wieder zulegen. Heute polemisiert Strache vor allem gegen den Islam. So fanden sich auf FPÖ-Plakaten die Aufschriften „Wien darf nicht Istanbul werden“ oder „Deutsch statt nix verstehen“. Eine Forderung von Strache war auch ein Bauverbot für Minarette. (mit Material von dpa)