Oslo. Die Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen erhält den Friedensnobelpreis. Die Bundesregierung gratulierte den Geehrten reserviert.

  • Die Kampagne zur atomaren Abrüstung (ICAN) wurde mit dem Nobelpreis ausgezeichnet
  • Die ICANmit Sitz in Genf besteht aus 450 Friedensgruppen und Organisationen
  • Die Bundesregierung gratuliert, bleibt aber bei der Abschreckung durch Atomwaffen

Der Friedensnobelpreis 2017 geht an die Internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ICAN). Das gab das Norwegische Nobelkomitee am Freitagmorgen in Oslo bekannt.

Die Organisation werde für „ihre bahnbrechenden Bemühungen“ gewürdigt, ein Verbot nuklearer Waffen zu erreichen, sagte die Komitee-Vorsitzende Berit Reiss-Anderson. Die nächsten Schritte zu einer atomwaffenfreien Welt müssten die Atommächte miteinbeziehen.

Der mit neun Millionen schwedischen Kronen (rund 940.000 Euro) dotierte Friedensnobelpreis wird als einzige der renommierten Auszeichnungen nicht in Stockholm, sondern in Norwegens Hauptstadt Oslo vergeben. Hier wird der Preis am 10. Dezember, dem Todestag von Preisstifter Alfred Nobel, auch verliehen.

ICAN besteht seit zehn Jahren

Die ICAN mit Sitz in Genf besteht aus 450 Friedensgruppen und Organisationen, die sich seit Jahren für Abrüstung engagieren. Vor zehn Jahren kamen sie zusammen, um sich gemeinsam für einen Vertrag gegen Atomwaffen einzusetzen.

Treibende Kraft waren nicht Regierungen, sondern Zehntausende Aktivisten in mehr als 100 Ländern. Im Juli 2017 wurde das Vertragswerk unterzeichnet. Es verbietet Herstellung, Besitz, Einsatz und Lagerung von Atomwaffen und kam gegen den Widerstand der Atommächte und den mit ihnen verbündeten Staaten zustande, darunter Deutschland.

ICAN-Geschäftsführerin Beatrice Fihn.
ICAN-Geschäftsführerin Beatrice Fihn. © dpa | Christiane Oelrich

Vorbild für ICAN waren andere Abrüstungsverträge: zum Beispiel das internationale Übereinkommen zum Verbot von Landminen, oder die Verträge zum Verbot von Streumunition oder von chemischen Waffen. Bei solchen Abkommen auf Initiative der Zivilgesellschaft rücken immer die verheerenden Folgen der Waffen für die Bevölkerung ins Zentrum.

ICAN-Chefin: „Wir haben gekichert“

Zuletzt hatte Nordkorea mit Atomtests massive Kritik auf sich gezogen. 2015 dagegen wurde der Abschluss des Atomabkommen mit dem Iran international als Erfolg gefeiert. US-Präsident Donald Trump zieht die Vereinbarung allerdings inzwischen massiv in Zweifel.

ICAN-Geschäftsführerin Beatrice Fihn (34) zeigte sich am Freitag überwältigt. „Wir bekamen den Anruf nur ein paar Minuten vor der offiziellen Verkündung“, sagte Fihn in Genf. „Wir waren schockiert, dann haben wir gekichert und einen Moment gedacht, der Anruf war vielleicht ein Scherz.“ Sie seien zutiefst dankbar, sagte Fihn.

„Wir werden in den kommenden Jahren eifrig daran arbeiten, die vollständige Umsetzung sicherzustellen. Jede Nation, die eine friedlichere Welt sucht, die frei von nuklearer Bedrohung ist, wird diese entscheidende Vereinbarung unverzüglich unterzeichnen und ratifizieren“, teilte Ican am Freitag auf ihrer Facebookseite mit.

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Erst am 21. September feierte Beatrice Fihn ihren bislang größten Erfolg am Rand der UN-Vollversammlung in New York. „Fortschritt passiert nicht einfach, sondern muss von denen erkämpft werden, die die moralische Führung übernehmen“, sagte sie bei einer Feierstunde zur Unterzeichnung des von ihr maßgeblich mit erstrittenen Atomwaffenverbotsvertrags unter Applaus.

Berlin gratuliert – trotz Bedenken

Die Bundesregierung gratulierte ICAN. „Die Bundesregierung unterstützt das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin. Gleichzeitig bekräftigte die Bundesregierung aber ihre Ablehnung des von ICAN und 122 Ländern unterstützten UN-Vertrags zum Verbot von Atomwaffen. Solange es Staaten gebe, die Atomwaffen als militärisches Mittel ansehen würden und Europa davon bedroht sei, bestehe die Notwendigkeit einer nuklearen Abschreckung fort, sagte Demmer.

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    Insgesamt waren in diesem Jahr 318 Persönlichkeiten und Organisationen für die Auszeichnung nominiert. Das ist die bislang zweithöchste Anzahl von Vorschlägen an das Nobelkomitee – nach dem Rekord von 376 im vergangenen Jahr.

    Bisher 98 Friedensnobelpreise vergeben

    2016 hatte Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos den Preis bekommen. Er wurde für sein langes Ringen um ein Ende des mehr als 50 Jahre andauernden Bürgerkriegs in seinem Land ausgezeichnet. Der Nobelpreis hatte den ins Stocken geratenen Friedensprozess noch weiter vorangetrieben.

    Seit 1901 wurden nunmehr 98 Friedensnobelpreise an insgesamt 130 Einzelpersonen (104) oder Organisationen (26) vergeben. 29 Mal teilten sich zwei Personen den Preis, in zwei Fällen sogar drei. Unter den Preisträgern waren bislang 16 Frauen. Das Durchschnittsalter der Preisträger liegt bei 62 Jahren.

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      Alfred Nobels Vermächtnis

      Die Preise gehen auf Nobels Testament zurück. Hier hatte der Dynamit-Erfinder festgelegt, dass derjenige geehrt werden solle, der „am meisten oder besten für die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verkleinerung stehender Armeen“ gewirkt hat. Wieso Nobel den Preis als einzigen nach Oslo verlegte, ist nicht bekannt. (dpa/W.B.)

      Berühmte Friedensnobelpreisträger

      Der Friedensnobelpreis ist der einzige, der nicht in Stockholm, sondern in Norwegens Hauptstadt Oslo verliehen wird. 2009 bekam ihn der damalige US-Präsident Barack Obama. Er erhielt ihn gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit. Eine höchst umstrittene Entscheidung, auch wegen des massiven internationalen Militärengagements der USA. Seit 1901 hat die Jury einige weltberühmte Preisträger gekürt – wir zeigen sie.
      Der Friedensnobelpreis ist der einzige, der nicht in Stockholm, sondern in Norwegens Hauptstadt Oslo verliehen wird. 2009 bekam ihn der damalige US-Präsident Barack Obama. Er erhielt ihn gleich im ersten Jahr seiner Amtszeit. Eine höchst umstrittene Entscheidung, auch wegen des massiven internationalen Militärengagements der USA. Seit 1901 hat die Jury einige weltberühmte Preisträger gekürt – wir zeigen sie. © imago | JOHN GRESS
      Obama wurde 2009 „für seinen außergewöhnlichen Einsatz zur Stärkung der internationalen Diplomatie und der Kooperation zwischen Völkern“ geehrt.
      Obama wurde 2009 „für seinen außergewöhnlichen Einsatz zur Stärkung der internationalen Diplomatie und der Kooperation zwischen Völkern“ geehrt. © imago | imago stock&people
      Der US-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. (1929 – 1968) erhielt den Preis 1964 im Jahr nach seiner berühmten „I have a dream“-Rede (engl. „Ich habe einen Traum“), die er anlässlich des Marsches auf Washington für Arbeit und Freiheit am 28. August 1963 in Washington, D.C. vor dem Lincoln Memorial hielt.
      Der US-amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. (1929 – 1968) erhielt den Preis 1964 im Jahr nach seiner berühmten „I have a dream“-Rede (engl. „Ich habe einen Traum“), die er anlässlich des Marsches auf Washington für Arbeit und Freiheit am 28. August 1963 in Washington, D.C. vor dem Lincoln Memorial hielt. © imago | United Archives
      Vier Jahre später wurde er ermordet.
      Vier Jahre später wurde er ermordet. © imago | imago stock&people
      Mutter Teresa (1910 – 1997) wurde 2016 von Papst Franziskus heilig gesprochen.
      Mutter Teresa (1910 – 1997) wurde 2016 von Papst Franziskus heilig gesprochen. © REUTERS | Paolo Cocco
      Die Helferin der Armen und Kranken bekam den Nobelpreis 1979.
      Die Helferin der Armen und Kranken bekam den Nobelpreis 1979. © reuters | Scanfoto Scanfoto
      Der südafrikanische Nationalheld Nelson Mandela (1918 – 2013), der mit seinem Kampf für die Freiheit die Apartheid beendete, bekam den Nobelpreis noch vor seiner Zeit als erster schwarzer Präsident des Landes.
      Der südafrikanische Nationalheld Nelson Mandela (1918 – 2013), der mit seinem Kampf für die Freiheit die Apartheid beendete, bekam den Nobelpreis noch vor seiner Zeit als erster schwarzer Präsident des Landes. © Getty Images | Sion Touhig
      Er teilte sich die Auszeichnung 1993 mit dem weißen Präsidenten Südafrikas, Fredrik Willem de Klerk.
      Er teilte sich die Auszeichnung 1993 mit dem weißen Präsidenten Südafrikas, Fredrik Willem de Klerk. © © epd-bild / Keystone | Keystone
      Der SPD-Bundeskanzler Willy Brandt (1913 – 1992) ist der wohl bekannteste deutsche Träger des Friedensnobelpreises.
      Der SPD-Bundeskanzler Willy Brandt (1913 – 1992) ist der wohl bekannteste deutsche Träger des Friedensnobelpreises. © Getty Images | Terry Fincher
      Er wurde 1971 für seine Ostpolitik geehrt, die zur Entspannung im Kalten Krieg beitrug.
      Er wurde 1971 für seine Ostpolitik geehrt, die zur Entspannung im Kalten Krieg beitrug. © imago | Sven Simon
      Der Dalai Lama, das im indischen Exil lebende geistliche und politische Oberhaupt der Tibeter, bekam 1989 den Friedensnobelpreis verliehen.
      Der Dalai Lama, das im indischen Exil lebende geistliche und politische Oberhaupt der Tibeter, bekam 1989 den Friedensnobelpreis verliehen. © Reuters | REUTERS / JESSICA RINALDI
      „Seine Vorschläge sind wohl der einzige realistische Weg für das tibetanische Volk, die eigene Freiheit, Kultur und Identität zurückzugewinnen“, so der Vorsitzende des norwegischen Nobel-Komitees, Egil Aarvik. Das Foto zeigt den buddhistischen Mönch während einer Rede, nachdem er die Auszeichnung in Empfang genommen hatte.
      „Seine Vorschläge sind wohl der einzige realistische Weg für das tibetanische Volk, die eigene Freiheit, Kultur und Identität zurückzugewinnen“, so der Vorsitzende des norwegischen Nobel-Komitees, Egil Aarvik. Das Foto zeigt den buddhistischen Mönch während einer Rede, nachdem er die Auszeichnung in Empfang genommen hatte. © imago | imago stock&people
      Das damalige sowjetische Staatsoberhaupt Michail Gorbatschow wurde 1990, ein Jahr nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges, mit dem Nobelpreis geehrt.
      Das damalige sowjetische Staatsoberhaupt Michail Gorbatschow wurde 1990, ein Jahr nach dem Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges, mit dem Nobelpreis geehrt. © imago | imago stock&people
      Der Gründer der Hilfsorganisation Das Rote Kreuz, Jean Henri Dunant (1828 – 1910), bekam 1901 den allerersten Friedensnobelpreis. Seitdem wurde Das Rote Kreuz, noch dreimal ausgezeichnet. Niemand erhielt den Friedensnobelpreis häufiger.
      Der Gründer der Hilfsorganisation Das Rote Kreuz, Jean Henri Dunant (1828 – 1910), bekam 1901 den allerersten Friedensnobelpreis. Seitdem wurde Das Rote Kreuz, noch dreimal ausgezeichnet. Niemand erhielt den Friedensnobelpreis häufiger. © imago | WHA UnitedArchives
      Der israelische Altpräsident Schimon Peres (M., 1923 – 2016) bekam den Preis 1994 als Außenminister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Izchak Rabin (r., 1922 – 1995) und dem Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat (1929 – 2004) für ihre Bemühungen um ein Ende des Nahost-Konfliktes.
      Der israelische Altpräsident Schimon Peres (M., 1923 – 2016) bekam den Preis 1994 als Außenminister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten Izchak Rabin (r., 1922 – 1995) und dem Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Jassir Arafat (1929 – 2004) für ihre Bemühungen um ein Ende des Nahost-Konfliktes. © Getty Images | Government Press Office
      Die Vereinten Nationen und ihr damaliger Generalsekretär Kofi Annan erhielten den Preis 2001 „für ihren Einsatz für eine besser organisierte und friedlichere Welt“. Der damalige südkoreanische Außenminister und Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen Uno-Präsident Han Seung-soo (r.) nahm den Preis für die Uno entgegen.
      Die Vereinten Nationen und ihr damaliger Generalsekretär Kofi Annan erhielten den Preis 2001 „für ihren Einsatz für eine besser organisierte und friedlichere Welt“. Der damalige südkoreanische Außenminister und Präsident der Generalversammlung der Vereinten Nationen Uno-Präsident Han Seung-soo (r.) nahm den Preis für die Uno entgegen. © REUTERS /
      Die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai aus Pakistan war erst 17 Jahre alt, als sie 2014 den Friedensnobelpreis bekam. Damit ist sie bis dato die jüngste Preisträgerin in allen Kategorien des Nobelpreises.
      Die Kinderrechtsaktivistin Malala Yousafzai aus Pakistan war erst 17 Jahre alt, als sie 2014 den Friedensnobelpreis bekam. Damit ist sie bis dato die jüngste Preisträgerin in allen Kategorien des Nobelpreises. © REUTERS | REUTERS / POOL
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