Berlin. Frauke Petry und ihr Ehemann Marcus Pretzell wollen die AfD verlassen. Der Partei droht damit nach der Wahl eine weitere Spaltung.

Alice Weidel und Alexander Gauland sehen nicht aus wie zwei, die um den Zusammenhalt ihrer Partei fürchten, als sie am Dienstagmorgen im Bundestag vor die Presse treten. Betont geschäftsmäßig erklärt Weidel, die Abgeordneten der Partei seien an diesem Tag hier, um nach allen Regeln und Gebräuchen die neue Bundestagsfraktion zu formen.

Wie groß sie am Ende sein wird, ist noch offen. Auch die neusten Rücktrittsmeldungen aus Dresden und Düsseldorf sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Davon hören die meisten AfD-Abgeordneten erst in der Mittagspause, bei Mettbrötchen und Gulaschsuppe.

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    Der Zerfall der AfD schreitet in diesen Tagen nahezu im Stundentakt voran – die Jubelbilder vom Wahlabend sind längst überdeckt vom desaströsen Bild einer Partei, der wieder einmal eine Abspaltung droht. Parteichefin Frauke Petry hatte am Montag erklärt, nicht Teil der Fraktion sein zu wollen.

    Am Dienstag folgte der nächste Schritt: Petry kündigte in Dresden ihren Austritt aus der Partei an. Kurze Zeit später erklärte auch Petrys Ehemann Marcus Pretzell, Fraktionschef der AfD in Nordrhein-Westfalen, seinen Rückzug aus Amt und Partei. Beide aber wollen ihre Mandate behalten. Die Frage, ob sie eine neue Partei gründen wolle, ließ Petry am Dienstag zunächst unbeantwortet.

    In Mecklenburg-Vorpommern verlassen vier Abgeordnete die Partei

    Gemeinsam mit Pretzell, der auch EU-Abgeordneter ist, will auch der NRW-Landtagsabgeordnete Alexander Langguth die Düsseldorfer AfD-Fraktion verlassen, hieß es am Dienstag. In Sachsen legte Petry zusammen mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer Uwe Wurlitzer und der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Kirsten Muster ihr Amt als Fraktionsvorsitzende im Landtag nieder. Alle drei würden ihre Mandate aber als Einzelabgeordnete behalten, sagte Petry. Auch in Mecklenburg-Vorpommern haben inzwischen vier Abgeordnete die dortige Landtagsfraktion verlassen.

    Ob auch im Bundestag weitere AfD-Abgeordnete Petrys Beispiel folgen und die Fraktion verlassen, ist unklar. Auf die Abgeordneten aus dem Landesverband ihres Ehemanns kann Petry jedenfalls nicht zählen: Sie erklärten am Dienstag ihre Entschlossenheit, mit ihren „Kollegen in der AfD-Bundestagsfraktion gut und eng zusammenzuarbeiten“.

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      Fraktion wählt Gauland und Weidel als Vorsitzende

      Weidel zeigte sich unterdessen unbesorgt: Zwar bleibe abzuwarten, ob sich jemand Petry anschließen werde. „Aber bisher sind keine Tendenzen in der zukünftigen Bundestagsfraktion zu erkennen.“ Für Petrys Entscheidung habe sie jedenfalls „überhaupt gar kein Verständnis“. Mitstreiter Gauland versprach den loyalen Fraktionskollegen: „Wir binden alle AfD-Mitglieder ein, die mit uns zusammenarbeiten wollen.“

      Für die AfD-Spitze um Gauland und Weidel, die am Abend zu den Vorsitzenden der neuen Fraktion gewählt wurden, ist der Rückzug von Petry und Pretzell Bedrohung und Chance zugleich. „Die Partei ist in einer schwierigen Situation durch das Verhalten von Frauke Petry“, sagte Gauland. Er sei ihr „dankbar, dass sie diesen Weg geganen ist“. Die AfD verliert zwei ihrer bekanntesten Gesichter, zwei ihrer erfolgreichsten Wahlkämpfer – aber auch die beiden schärfsten internen Kritiker des politischen Kurses, der die AfD in den letzten Monaten immer tiefer in völkische, rechtsextreme Gewässer geführt hatte.

      Vor zwei Jahren verließ AfD-Gründer Bernd Lucke die Partei

      Ohne Petry, Pretzell und ihre Mitstreiter in den Ländern dürfte die AfD homogener werden, und für die neuen Fraktionschefs Gauland und Weidel möglicherweise sogar leichter zusammenzuhalten. Sachsen-Anhalts AfD-Landeschef André Poggenburg begrüßte Petrys Schritt: „Wer Alleingänge machen möchte, sollte das außerhalb der AfD tun“, sagte das AfD-Vorstandsmitglied vom rechtsnationalen Flügel in Magdeburg.

      Die AfD erlebt in diesen Tagen ein Déjà-vu: Vor zwei Jahren verließ AfD-Gründer Bernd Lucke die Partei, weil er als Gegner des zunehmend nationalkonservativen Kurses isoliert war. Petry kam damals an die Macht und verstärkte den Trend Richtung Rechtspopulismus. Jetzt ist es Petry, die geht, während die Partei weiter nach Rechtsaußen rückt.