Frankfurt (Oder). Alexander Gauland will sich das „Volk zurückholen“. Den Wahlkreis hat er verloren gegen einen CDU-Politiker mit Flüchtlingen im Haus.

Die düsteren Vorahnungen und Warnungen der Parteifreunde erfüllten sich nicht. Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, so hatten einige prophezeit, das könne Martin Patzelt das Mandat kosten. Patzelt, CDU-Bundestagsabgeordneter in Brandenburg seit 2013, gab zwei Afrikanern bei sich Obdach – und er hat am 24. September seinen Wahlkreis wieder gewonnen. Gegen den AfD-Spitzenkandidaten Alexander Gauland.

Es war der Wettbewerb zweier Männer in den Siebzigern mit völlig gegensätzlichen Politikvorstellungen. „Ich will nicht mit ihnen in die Gruft, und ich will die Wähler nicht dorthin führen“, hatte Patzelt seinem Kontrahenten Gauland beim ersten Zusammentreffen entgegengehalten.

Es gab wenige Begegnungen des AfD-Frontmannes und des Christdemokraten aus der etwas abgehängten Region unweit der polnischen Grenze. Im Wahlkreis 63 Frankfurt (Oder) – Oder-Spree meinen manche, dass Gauland Diskussionen dort in der Provinz als unter seiner Würde empfunden habe. Entschuldigt hat er sich mit fehlender Zeit. „Ich hätte mich gerne mit ihm gemessen, ich vertraue der Kraft meiner Argumente“, sagte Patzelt am Montag unserer Redaktion.

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„In den Lösungsansätzen trennen uns Welten“

Bei einem Empfang in Frankfurt war Patzelt, früherer Oberbürgermeister der Stadt, auf den Spitzenkandidaten aus der Bundespolitik zugegangen: „Sie wollen mir meinen Wahlkreis wegnehmen“, stellte er sich Gauland vor. Von dem kam die Replik, Patzelt sehr wohl „medial schon wahrgenommen“ zu haben. Sie waren damit beim Thema Flüchtlinge, das Patzelt bundesweit in die Schlagzeilen gebracht hatte.

In der Problemwahrnehmung gebe es viele Gemeinsamkeiten, sagt Patzelt. Aber: „In den Lösungsansätzen trennen uns Welten.“ Gauland schaffe die Illusion, man könne sich eine verklärte Version er Vergangenheit zurückholen, wenn es doch darum gehe, eine sich unweigerlich verändernde Welt zu gestalten. Patzelt: „Seine Perspektive ist so unproduktiv.“

Im Juli 2015 Haben und Amet aufgenommen

Am Wahltag hatte der CDU-Politiker noch ein Video hochgeladen, der elffache Großvater lächelt anfangs darin, wird aber schnell ernst: Er fürchte, dass bei vielen Menschen Angst die Wahlentscheidung beherrsche, dass sie gefühlsmäßig in der Vergangenheit seien. „Wir haben große, schwere Aufgaben vor uns in Zukunft“, sagte er. „Wir können die gemeinsam bewältigen, aber Angst ist immer ein schlechter Berater, Angst macht blind.“

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    Patzelt hatte im Juli 2015 zwei Flüchtlinge aus Afrika bei sich zu Hause aufgenommen. Patzelt hielt es für wichtig, die Menschen aus der Anonymität der großen Gruppe herauszuholen und ihnen Namen und Gesichter zu geben. Bei den Patzelts im 2000-Einwohner-Örtchen Briesen hießen sie Haben und Amet, sind 21 und 26 Jahre alt und stammen aus Eritrea.

    Patzelt ist kein Hurra-Rufer

    Amet ist inzwischen ausgezogen, seine Entwicklung stagniere, bedauert Patzelt. In Habens Zimmer dagegen steht seit zwei Wochen eine Schultüte, er drückt jetzt die Schulbank. „Er will die neunte und zehnte Klasse noch machen, um eine richtige Berufsausbildung zu absolvieren“, so Patzelt. Und, wenn es die Situation zulässt, irgendwann in seiner Heimat arbeiten.

    Das wäre auch die Idealvorstellung für Martin Patzelt. Er wehrt sich auch gegen die ihm zugeschriebene Rolle des „Flüchtlingshelfers“. Er sagte klar, dass die Menschen besser in ihrer Heimat bleiben sollten, dass bessere Entwicklungspolitik nötig ist, dass die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern gemacht werden sollten.

    Patzelt will Arbeitszwang für Flüchtlinge

    Er hat in der CDU-Fraktion auch den Vorschlag gemacht, alle Flüchtlinge mit anerkanntem Status zum Arbeiten auf dem dritten Arbeitsmarkt zu verpflichten und ansonsten Leistungen zu mindern. Patzelt denkt da etwa an Pflegedienste, wo die Schwestern kräftige junge Männer als Assistenz gut gebrauchen könnten: „Wir sollten dafür lieber Geld aufwenden als fürs Verweilen im Wartezimmer.“ Das führe in beide Richtungen schneller zum gegenseitigen Kennenlernen. Wenn Patzelt mit Wählern darüber gesprochen hat, dann war er danach für die nicht mehr nur der Mann, der sich zwei Flüchtlinge ins Haus geholt hat.

    Der Wahlkreis an der Oder galt als besonders umkämpft, aber die CDU hat anders als die AfD viel getan, ihn doch zu gewinnen. Norbert Lammert, Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière kamen allesamt zum Unterstützen in den Wahlkreis. Gauland ließ sich nur zu einem Wahlauftritt blicken, und da auch nur in einem Saal vor geladenen Gästen. Patzelt wäre sonst hingegangen, um ihn zu konfrontieren.

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      Gauland schnitt schlechter ab als die Partei, Patzelt besser

      Alexander Gauland hat in dem Wahlkreis mit 21,9 Prozent Erststimmenanteil schlechter abgeschnitten als seine AfD, Martin Patzelt hat zwar Stimmen verloren, ist aber nicht so abgestürzt wie die CDU insgesamt. Mit seinen 27,1 Prozent bei der Erststimme schnitt er besser ab als seine Partei.

      Die Entscheidung für die beiden Flüchtlinge und ihre Signalwirkung habe bei der Wahl vielleicht für manche noch eine Rolle gespielt, „sowohl positiv wie negativ. Aber es war nicht das dominierende Thema“, so Patzelt. Eigentlich hätte er für etwas anderes abgewatscht werden müssen. „Auf meinen Plakaten habe ich nichts versprochen, ich habe gefordert.“

      „Zukunft ist nicht ,Wünsch Dir was’, sondern ,Mach was’“, war bei ihm zu lesen. Er fordert den Paradigmenwechsel, wirbt für die Botschaft „Gemeinnutz ist mein Eigennutz“. Und findet auch da das Beispiel Flüchtlingspolitik: „Wenn ich Fluchtursachen bekämpfen will, brauche ich dafür auch Geld.“