Berlin. Die Zulassungsstatistik des Verkehrsministeriums zeigt überraschend: Selbstzünder stoßen praktisch gleich viel CO2 aus wie Benziner.

Für die Bundeskanzlerin ist die Sache klar: Der Dieselmotor ist wichtig für den Klimaschutz. „Gegen den Diesel vorzugehen, bedeutet auch, gegen CO2-Ziele vorzugehen. Das darf nicht passieren“, warnte Angela Merkel vor zwei Wochen im Bundestag. Die Kanzlerin und das Klima, das ist eine enge Verbindung. Die CDU-Politikerin war maßgeblich daran beteiligt,

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in Deutschland und Europa durchzusetzen.

Konkret bedeutet das, dass der Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) sinken soll. Dazu wiederum soll der Verkehr erheblich beitragen. Weil Dieselaggregate weniger Kraftstoff verbrauchen als vergleichbar starke Otto-Motoren, produzieren sie auch weniger CO2. Das Mantra der Bundeskanzlerin und auch von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lautet deshalb: Diesel statt Benzin. Auch die Autoindustrie will an der Technik festhalten: „Wir brauchen den Diesel zur Erreichung unserer CO2-Ziele im Straßenverkehr“, bekräftigte Daimler-Chef Dieter Zetsche am Dienstag.

Selbstzünder sind nur in der Theorie Benzinmotoren überlegen

Doch das Bild des klimafreundlichen Diesel bekommt Risse. Die amtliche Zulassungsstatistik zeigt, dass Selbstzünder nur in der Theorie den Benzinmotoren überlegen sind. Praktisch stoßen beide gleich viel CO2 aus. Laut einer Übersicht aus Dobrindts Ministerium, die dieser Redaktion vorliegt, kamen aus dem Auspuff aller im Jahr 2016 in Deutschland neu zugelassenen Dieselautos im Durchschnitt 128 Gramm CO2 pro Kilometer. Bei den neu zugelassenen Benzinern waren es 129 Gramm. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Jahr 2015: Da produzierten alle neuen Diesel-Pkw 130 Gramm CO2 pro Kilometer. Bei den Benzinern waren es 129 Gramm.

Das Muster hat sich über die vergangenen zehn Jahre hinweg nicht verändert. Zwar sinken die Mengen des Treibhausgases, die von den Motoren produziert werden, kontinuierlich. Immer aber liegen sie bei neu zugelassenen Diesel- und Benzinfahrzeugen nah beieinander. Im Jahr 2007 beispielsweise produzierte ein Benzinmotor in einem neu zugelassenen Pkw durchschnittlich 168 Gramm CO2. In einem neuen Diesel waren es 171 Gramm.

Dieselneuwagen sind schwerer als Neuwagen mit Benzinmotor

Die Ursache für diese Parallelen ist in der Leistung der Motoren und im Gewicht der Fahrzeuge zu suchen. Laut der Übersicht aus dem Verkehrsministerium ist der durchschnittliche Dieselneuwagen immer etwa 27 PS stärker und 400 Kilogramm schwerer als der durchschnittliche Neuwagen mit Benzinmotor. Auch das gilt nicht nur für das Jahr 2016, sondern mit leichten Abweichungen auch für die Jahre zuvor. Experten führen dies auf die Geländewagen zurück, die meistens mit Dieselmotoren ausgestattet sind.

„Dass der Diesel zum Klimaschutz beiträgt, ist ein Märchen der Bundeskanzlerin“, sagt Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Er hatte die Übersicht mit einer parlamentarischen Anfrage beim Ministerium angefordert. „Seinen theoretischen Klimavorteil verspielt der Dieselmotor, weil er oft in schweren, hochmotorisierten Autos verbaut wird“, sagt Kühn.

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    „Klimaschutz gibt es nur mit Elektroautos mit Ökostrom“

    Der Grünen-Politiker hat genau nachgerechnet: Neue Dieselautos seien im Schnitt 30 Prozent schwerer und 21 Prozent leistungsstärker als neue Benziner. Seit 2001 seien Gewicht und Leistung bei neuen Dieselautos stärker gewachsen als bei neuen Benzinern. Dadurch werde der Klimavorteil des Diesels aufgezehrt. „Echten Klimaschutz gibt es nur mit abgasfreien Elektroautos, die mit Ökostrom geladen werden“, sagt Kühn. Die nächste Bundesregierung müsse die Elektromobilität endlich aus der Nische holen, um den Klimaschutz voranzubringen.

    Zu einem ähnlichen Ergebnis wie der Grünen-Verkehrspolitiker kommt auch ein Zusammenschluss europäischer Umwelt- und Verkehrsclubs. Eine Studie der Organisation Transport & Environment zeigt, dass Dieselmotoren während ihrer gesamten Lebensdauer spürbar mehr klimaschädliches CO2 produzieren als Benziner. Insgesamt gehe es um über 3,6 Tonnen Kohlendioxid.

    Dieselkrise macht sich negativ in der CO2-Bilanz bemerkbar

    Gründe seien höhere Fahrleistungen wegen des günstigeren Kraftstoffs, die energieintensivere Produktion des Dieselkraftstoffs, die aufwendigere Produktion der Dieselmotoren sowie höhere Emissionen des beigemischten Biodiesels. Die Organisation widersprach damit der Einschätzung der Autoindustrie und der Politik, der Diesel werde für die Einhaltung der Klimaziele benötigt. Tatsächlich seien die Unterschiede beim CO2-Ausstoß von Dieselfahrzeugen und Benzinern zu vernachlässigen.

    Inzwischen macht sich auch die Dieselkrise, die eigentlich durch manipulierte Stickoxidwerte ausgelöst worden war, negativ in der CO2-Bilanz bemerkbar. Weil immer weniger neue Dieselautos verkauft werden, steigt der durchschnittliche CO2-Wert aller Neuwagen spürbar an.