Berlin. Minister Dobrindt ist ein Freund privat finanzierter Straßen. Doch die Projekte – etwa die Lkw-Maut – funktionieren nicht wie geplant.

Alexander Dobrindt muss nur noch wenige Wochen durchhalten. Wenn der neue Bundestag Ende Oktober das erste Mal zusammenkommt, endet automatisch die Amtszeit der alten Bundesregierung. Dann bekommen die Minister ihre Entlassungsurkunde. Dobrindt dürfte sie mit Erleichterung entgegennehmen.

Wie kein zweiter Bundesminister hat der CSU-Politiker auf den letzten Metern im Amt mit Skandalen und Affären zu kämpfen: mit dem Dieselskandal, mit drohenden Fahrverboten in Innenstädten und jetzt auch noch mit der Lkw-Maut und privat finanzierten Autobahnteilstücken.

Für die Opposition, aber auch für den Koalitionspartner SPD ist das im Wahlkampf eine dankbare Vorlage. „Alexander Dobrindt wird mehr und mehr zum Pannenminister“, urteilt SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Und der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, Sven-Christian Kindler, meint, Dobrindt sei nicht nur „überfordert“, sondern auch „der schlechteste Verkehrsminister, den die Bundesrepublik je hatte“.

Bund hat zehn Millionen Euro zu viel überwiesen

Auslöser der beißenden Kritik ist die Meldung, wonach der Bund seit zwei Jahren zu viel Geld an die privaten Betreiber von Autobahnteilstücken überweist. Es geht um fünf Millionen Euro pro Jahr, also um bisher zehn Millionen Euro. Das Geld stammt aus der Lkw-Maut, die der Bund kassiert, aber zu einem Teil an private Autobahnbetreiber weiterleitet. Diese werden mit den Maut-Einnahmen dafür bezahlt, dass sie Teilstücke von Autobahnen ausgebaut und modernisiert haben. „Öffentlich-private Partnerschaft“ (ÖPP) heißt dieses Prinzip in der Fachsprache.

Dobrindt hatte sich immer wieder für ÖPP-Projekte starkgemacht. Die Opposition, aber auch Experten sehen diese Form der Finanzierung wegen der finanziellen Risiken skeptisch. Die bekannt gewordene Panne und die ebenfalls erst kürzlich öffentlich gewordene drohende Insolvenz eines der privaten Autobahnbetreiber geben den Kritikern Aufwind.

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    Die Gewichtsbeschränkungen haben sich geändert

    Der Grund für die Abrechnungspanne ist banal: Bei ihrer Einführung im Januar 2005 galt die Lkw-Maut nur für Lastwagen mit mehr als zwölf Tonnen Gewicht. In den Verträgen des Bundes mit den privaten Autobahnbetreibern, in denen die Weiterleitung der Mauteinnahmen geregelt ist, steht deshalb diese Gewichtsgrenze.

    Im Oktober 2015 wurde die Maut aber auf Lastwagen ab 7,5 Tonnen Gewicht ausgedehnt. Davon steht in den über insgesamt 30 Jahre laufenden Verträgen nichts. Der Bund beansprucht deshalb die Maut für die leichten Lkw für sich. Das Problem ist aber: Die Maut-Einnahmen können nicht auseinander gerechnet werden, denn das Maut-System erfasst zwar die Zahl der Achsen eines Lkw und auch seine Schadstoffklasse, aber nicht sein Gewicht.

    Wem dieses Problem hätte auffallen müssen, seit wann es bekannt ist und wie es gelöst werden soll – das Verkehrsministerium wollte am Montag auf alle diese Fragen keine Antwort geben. Wie so oft, wenn es brenzlig wird, verschanzten sich Dobrindts Leute hinter leeren Floskeln. „Wir gehen davon aus, mit den Betreibern eine Lösung zu finden“, sagte ein Ministeriumssprecher und behauptete: „Zu Belastungen für den Steuerzahler kommt es nicht.“

    Angesichts von 4,6 Milliarden Euro Einnahmen aus der Lkw-Maut pro Jahr falle das zu viel gezahlte Geld nicht ins Gewicht. „Es ist völlig unverständlich, dass ein Bundesminister seit zwei Jahren Einnahmen, die dem deutschen Steuerzahler zustehen, ohne rechtlichen Grund an private Investoren weitergibt“, kommentierte SPD-Politiker Bartol.

    Firma hat Bund auf 778 Millionen verklagt

    Entzündet hatte sich die aktuelle Diskussion um ÖPP-Projekte an der drohenden Insolvenz der Firma A1 mobil. Das Unternehmen hatte den Ausbau der Autobahn A1 zwischen Bremen und Hamburg von vier auf sechs Spuren übernommen. Die Straße war zwar in kürzester Zeit fertig, aber die Einnahmen aus der Lkw-Maut, die sie finanzieren sollten, flossen weniger reichlich, als A1 mobil gehofft hatte. Der Versuch, mit Dobrindts Ministerium eine höhere Vergütung auszuhandeln, scheiterte.

    Nun versucht das Unternehmen, die drohende Insolvenz auf anderem Weg abzuwenden und hat den Bund auf 778 Millionen Euro verklagt. Mehr noch: Finanzinvestoren sollen Interesse daran haben, Kredite der Gläubigerbanken von A1 mobil zu übernehmen, um die Forderungen ebenfalls vor Gericht einzutreiben. Sollte das so kommen, dann kann sich der Bund auf lange und teure Gerichtsstreitigkeiten einstellen.

    Sollten die Kläger im Falle der A1 Erfolg haben, könnten sich auch andere private Autobahnbetreiber ermutigt fühlen, vor Gericht zu gehen. Auch sie haben zum großen Teil Schwierigkeiten, ihre Ausgaben wieder hereinzubekommen, die Einnahmen sind fast durchweg geringer als erwartet. Das liegt unter anderem an der Konstruktion dieser ersten ÖPP-Projekte, die vor etwa zehn Jahren auf den Weg gebracht wurden. In diesen Fällen bemessen sich die Einnahmen von Betreibern und Investoren ausschließlich danach, wie viele Lkw die Strecke befahren.

    Das aber kann der Autobahnbetreiber kaum beeinflussen. Gegen einen Einbruch des Güterverkehrs wie bei der Finanz- und Wirtschaftskrise kann er nichts tun. Bei neueren Projekten ist deshalb nur entscheidend, wie schnell die Straße fertig wird, welche Qualität sie hat und ob sie gesperrt oder befahrbar ist.

    Kritiker bezweifeln die Wirtschaftlichkeit von ÖPP

    Dobrindt kennt diese Schwierigkeiten seit Jahren. Öffentlich darüber gesprochen hat er nicht. Stattdessen behauptete er immer wieder, privat finanzierte Autobahnen seien besser: „Wir bauen wirtschaftlicher, die Bauqualität ist hoch, die Straße steht schneller zur Verfügung.“ Der Bund als Auftraggeber, die Autofahrer als Nutzer und die Investoren als Geldgeber würden profitieren. Es entstehe ein neuer Markt für Kapitalanleger.

    Unterstützung bekommt der Minister durch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Dessen Experte für Infrastruktur, Thilo Schaefer, sieht die Lage allerdings etwas differenzierter. „ÖPP-Projekte seien nicht immer besser“, sagt Schaefer, „aber besser als ihr Ruf.“ Ob sich private Beteiligung lohne, müsse in jedem Fall genau geprüft werden. Generell seien die Straßen aber eher fertig als staatlich finanzierte. Und: „In der Gesamtschau haben die bisherigen ÖPP-Projekte in etwa die Kosten verursacht, die auch veranschlagt waren.“

    Kritiker bezweifeln die Wirtschaftlichkeit von ÖPP. Im April erst meldete sich der wissenschaftliche Beirat von Dobrindts Ministerium zu Wort. Eine private Finanzierung von Straßen habe nur das Ziel, eigentlich nicht benötigtes, teures privates Kapital anzuziehen. Die Folgen seien in Frankreich zu besichtigen, wo es „überhöhte Gebühren und Gewinne der Autobahngesellschaften“ gebe. „ÖPP sind völlig undurchsichtig und unwirtschaftlich“, sagt auch Grünen-Chef Cem Özdemir. „Am Ende haftet der Steuerzahler zugunsten von Baukonzernen, Banken und Versicherungen.“