Berlin/Essen. Die AfD ist tiefer in geschenkte Wahlhilfe eingebunden, als sie bisher angibt. Eine Unterschrift belastet demnach Parteichef Meuthen.

  • AfD-Funktionäre wissen offenbar mehr über eine Kooperation mit einem Schweizer Unternehmen als bisher angenommen
  • Das legt den Verdacht nahe, dass finanzielle Unterstützung verschleiert werden sollte
  • Freimütige Einblicke lieferte jetzt Guido Reil, Gesicht der Ruhrgebiets-AfD

Recherchen von „Frontal 21“ und des Recherchebüros „Correctiv“ liefern neue Anhaltspunkte für den Verdacht illegaler Parteispenden bei der AfD. Ein Dokument belegt demnach, dass Parteichef Jörg Meuthen gelogen und in Wahlhilfe viel tiefer eingebunden war als von ihm angegeben. Dazu gibt Guido Reil, Gesicht der Ruhrgebiets-AfD, freimütig Einblicke in eine Kooperation mit einem Schweizer Unternehmen, die von AfD nicht als Spende angesehen wird. Diese Form des Umgangs mit der Unterstützung hat finanzielle Nachteile für Geldgeber und Partei. Sie ermöglicht aber, die Quelle des Geldes zu verschleiern. Auch im Bundestagswahlkampf erhält die Partei solche Unterstützung.

Es geht um Wahlwerbung, die nach Darstellung der AfD quasi aus heiterem Himmel kommt und mit der sie nichts zu tun haben will. Die Recherchen zeigen, dass Funktionäre aber doch eingebunden sind. Ein von Meuthen unterschriebenes Dokument belegt das in einem Fall von Werbe-Anzeigen, Reils Geplauder liefert weitere Hinweise.

Meuthen hatte weitere Zusammenarbeit abgestritten

Nachdem die Schweizer Goal AG dem AfD-Vorsitzenden Meuthen eine Homepage eingerichtet hatte, hatte Meuthen das als kostenlosen „Freundschaftsdienst“ des aus Deutschland stammenden Goal AG-Geschäftsführers Alexander Segert bezeichnet. „Eine weitere Zusammenarbeit mit der Goal AG besteht nicht“, erklärte er der Organisation LobbyControl.

Doch Meuthen gab im baden-württembergischen Landtagswahlkampf 2016 zumindest seine Unterschrift für Anzeigen im Wert von 4500 Euro, die die Goal AG im Wochenblatt „Brettener Woche“ schaltete. Sie sahen wie AfD-Anzeigen aus. In dieser Erklärung übernimmt Meuthen die Haftung für die Inhalte von „Werbematerial (Prospekte/Flyer u.ä.) und/oder Anzeigen“.

Parteienrechtlerin: „Auf alle Fälle Parteispende“

„Correctiv“ dazu: „Ob auch andere Zeitungen derartige Erklärungen erhielten, ist bisher nicht bekannt.“ Meuthen erklärte gegenüber dem Recherchebüro, die Werbeaktionen „der Goal AG stellen nach eingeholter sorgfältiger juristischer Beurteilung weder eine Parteispende für die AfD noch eine Spende für mich persönlich dar.“

Mit dieser Anzeige warb die Schweizer Agentur für Meuthen und die AfD. Der AfD-Chef hat die Haftung für die Inhalte übernommen.
Mit dieser Anzeige warb die Schweizer Agentur für Meuthen und die AfD. Der AfD-Chef hat die Haftung für die Inhalte übernommen. © Correctiv (CC BY-SA 3.0) | Correctiv (CC BY-SA 3.0)

„Correctiv“ und „Frontal 21“ berichten, dass es einen Verstoß gegen das Parteiengesetz darstellen würde, eine finanzielle Unterstützung nicht als Spende anzugeben, wenn der Parteivorstand eingebunden ist. „Es drängt sich hier der Verdacht einer illegalen Parteispende auf,“ sagt die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger von der Universität Konstanz. „Es handelt sich auf alle Fälle um eine Parteispende, wenn in dieser Form in der Anzeigenkampagne für Herrn Meuthen und gleichzeitig für die AfD Werbung gemacht wird.“ Auch wenn Meuthen nicht förmlich den Auftrag gegeben habe, ändere das daran nichts.

Reil: Aktion mit Parteichef abgesprochen

Guido Reil bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung auf dem Marktplatz in Essen-Altenessen. Er berichtet von Gesprächen über die Unterstützung aus der Schweiz.
Guido Reil bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung auf dem Marktplatz in Essen-Altenessen. Er berichtet von Gesprächen über die Unterstützung aus der Schweiz. © imago/Rupert Oberhäuser | Rupert Oberhäuser

Vielsagend über die Einbindung der Beschenkten in die Werbung ist auch, was Guido Reil „Correctiv“ gesagt hat. Ein Mitschnitt, dem er zugestimmt hatte, ist im ZDF-Beitrag zu hören. Er erklärte, er habe mit seinem Essener Parteichef abgesprochen, dass die Goal AG für ihn plakatiert.

„Für mich ist [das] sauber. Ich sag, das war die Goal AG. Die haben mir auch sofort eine Reihe von hochkarätigen AfD’lern gesagt, für die sie das auch gemacht hätten, ... und dass ich mir da keine Sorgen machen muss, dass da alles in Ordnung ist. Der Laden ist hochprofessionell, also, das ist keine Klitsche irgendwie.“

„Ich habe den Keuter [Stefan Keuter, Vorsitzender der AfD Essen und Bundestagskandidat, Anm. d. Red.] angerufen. Keuter ist mein Berater. Und der Keuter sagt mir dasselbe im Prinzip, was mir die Goal AG auch gesagt hat: Pass mal auf, da bist Du nicht der erste, für den die das machen. Kann schon gut sein, dass so was läuft.“

„Correctiv“ und „Frontal 21“ schätzen, dass die Dutzenden Großplakate für Reil vermutlich einen fünfstelligen Betrag gekostet haben. Reil gab an, auch nachgefragt zu haben, woher die Unterstützung kommt:

„Die [Goal AG, Anm. d. Red.] haben natürlich gesagt, die haben einen Auftraggeber. Aber wer wird nicht gesagt. Punkt.“

Warum die AfD nichts gegen die größte Angst der Deutschen tun will

weitere Videos

    Essener Parteichef: „Goal AG war uns nicht bekannt“

    Reils Aussagen haben Brisanz: Wenn die Goal AG das Geld tatsächlich nur weitergeleitet hätte, um es für den AfD-Wahlkampf aufzuwenden, „dann handelt es sich um eine illegale Strohmannspende“, sagte „Frontal 21“ Parteinrechtlerin Schönberger.

    Von Gesprächen mit der Goal AG und Nachfragen dort ist bei Reils Essener Parteifreund Keuter keine Rede. Von der Firma, wegen der Reil bei ihm nachgefragt haben will, habe er zu dem Zeitpunkt nichts gehört. „Es gibt viele Hilfsangebote, die der Guido Reil bekommen hat. Aber eine Goal AG war uns da nicht bekannt“, sagte Keuter der AfD. Ein klarer Widerspruch zu dem, was Reil berichtet. (law)

    Travestiekünstler nehmen AfD-Wahlplakate auf die Schippe

    weitere Videos