Berlin. Studie zeigt: Kinder wollen, dass sich beide Elternteile um sie kümmern. Sie finden es gerecht, wenn sich Eltern die Aufgaben teilen.

„Früher“, erzählt die neunjährige Ronja, „da hat nur Mama das Ganze gemacht. Morgens, mittags, nachmittags und abends. Und erst ganz spät kam der Papa, und dann waren wir auch schon meistens im Bett. Und der fand es blöd, dass er uns dann nur am Wochenende richtig gut sehen konnte. Dann haben die sich halt so entschieden … Und wir haben uns natürlich alle gefreut, dass wir dann auch mehr vom Papa hatten.“ Ronja gehört zu den wenigen Kindern in Deutschland, deren Eltern sich das Geldverdienen und die Kinderbetreuung teilen. Viele Sozialpolitiker raten zu diesem partnerschaftlichen Modell – vor allem weil es Mütter unabhängiger macht und vor Altersarmut schützt. Doch welches Lebensmodell ist aus Sicht der Kinder das beste?

Der eine geht arbeiten, der andere bleibt zu Hause? Oder: Papa in Vollzeit und Mama in Teilzeit – wie es die meisten Familien in Deutschland tun? Oder das Modell von Ronjas Eltern – das nur wenige im Alltag hinbekommen, aber viele sich wünschen? Es gibt bislang nur vereinzelt Untersuchungen zu dieser Frage. Fest steht: Kinder brauchen keinen Reichtum und nach der unmittelbaren Säuglingszeit auch keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch ihre Eltern. Was sie aber unbedingt brauchen, ist verlässliche Geborgenheit und ein Mindestmaß an materieller Sicherheit. Auf den ersten Blick können das vom Prinzip her sämtliche Familienmodelle leisten.

Auch sehr kurze Arbeitszeiten können für Kinder belastend sein

Umfragen aus den vergangenen Jahren zeigen jedoch, dass zwei von drei Kindern gerne mehr Zeit mit ihren Vätern hätten und sich viele gerade für ihre Väter kürzere Arbeitstage wünschen. In einer Schweizer Studie verglichen zwei Forscherinnen in diesem Zusammenhang Kinder, deren Eltern sich das Geldverdienen und die Kinderbetreuung teilen, mit Kindern, deren Eltern ein traditionelles Modell mit Hauptverdiener und Hausfrau leben. In der ersten Gruppe war die Beziehung der Kinder zu ihren Vätern deutlich intensiver.

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    Experten weisen zudem darauf hin, dass nicht nur sehr lange, sondern auch sehr kurze Arbeitszeiten für Kinder belastend sein können – dann etwa, wenn dadurch das Haushaltseinkommen so klein ist, dass sich die Familie nur wenig leisten kann. Geht es Kindern also am Ende besser, wenn die Eltern ein partnerschaftliches Modell wählen?

    Das Bundesfamilienministerium hat dazu jetzt beim Berliner Institut für Sozialwissenschaftlichen Transfer (SowiTra) eine Studie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse unserer Redaktion vorab vorliegen. Die Forscher wollten wissen: Wie geht es Kindern, wenn Mutter und Vater in der Regel zwischen 28 und 36 Wochenstunden arbeiten und nahezu gleich viel Zeit mit den Kindern verbringen? Dazu wurden 43 Kinder zwischen sechs und 14 Jahren ausführlich interviewt, auch ihre Eltern kamen zu Wort.

    Besonders jüngere Kinder sehen über Probleme hinweg

    Das Ergebnis: Die Mehrheit der Kinder war mit dem Modell ihrer Eltern zufrieden. Sie finden es gerecht, wenn beide sich die Aufgaben teilen, sie profitieren davon, dass es zwei Gehälter gibt und zwei Bezugspersonen im Alltag präsent sind. „Immer die eine zu Hause, der andere den ganzen Tag bei der Arbeit, und ich sehe ihn nur einmal kurz für fünf Minuten abends … Ich glaube, das fände ich nicht so schön“, sagt die neunjährige Mia. Der 14-jährige Quentin findet: „Es ist nicht so, dass einer es irgendwie schlechter machen würde. Haben ja auch beide relativ viel Erfahrung …“ Und auch für Lukas (10) steht fest: „Ich würde da nichts ändern.“

    „Die Befragung der Kinder zeigt, dass sie es nicht als Belastung empfinden, wenn ihre Eltern beide arbeiten“, sagte Bundesfamilienministerin Katarina Barley unserer Redaktion. Es sei ihnen viel wichtiger, Zeit mit Mutter und Vater zu haben. „Das Konzept vom Vater, der abends nach Hause kommt, wenn die Kinder schon schlafen, hat ausgedient.“

    Barley will ein Familiengeld bei Reduktion der Arbeitszeit

    Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD).
    Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD). © dpa | Wolfgang Kumm

    Vergessen darf man dabei jedoch nicht: Vor allem jüngere Kinder sind sehr solidarisch, sie verteidigen in der Regel erst mal das Lebensmodell ihrer Eltern und sehen über Schwierigkeiten hinweg. Denn natürlich gibt es auch Probleme, wie die Studie nicht verschweigt: Viel Zeit und Kraft kostet es, immer wieder neu auszuloten, wer sich im Alltag um dies und jenes kümmert. „Ein Nachteil ist, dass man viel mehr verhandeln muss“, sagt eine Mutter in der Studie. „Es gibt ja keine klare Arbeitsteilung.“ Viele Eltern, die gemeinsam ihre Arbeitsstunden reduzieren, erleben auch eine Verdichtung der Arbeit – weil ihre Arbeitgeber erwarten, dass sie in kürzerer Zeit das Gleiche schaffen. Und: Viele können es sich überhaupt nicht leisten, gemeinsam weniger als Vollzeit zu arbeiten.

    SPD-Politikerin Barley sieht sich deswegen bestärkt: Jungen Paaren seien heute Zeit für Familie und Zeit für den Beruf gleich wichtig. „Doch den wenigsten Eltern gelingt es, sich die Zeit dafür untereinander gleichmäßig aufzuteilen.“ Barley will sich dafür einsetzen, dass der Staat partnerschaftliche Rollenverteilung auch finanziell fördert: „Eltern jüngerer Kinder sollen ein Familiengeld in Höhe von 150 Euro pro Partner bekommen, wenn sie ihre Wochenarbeitszeit um ein paar Stunden reduzieren, um so mehr Zeit für die Familie zu haben.“ Junge Familien bekämen auf diese Weise einen Rechtsanspruch auf Zeit und Geld.