Berlin. Wie geht Deutschland mit Pressevertretern um, die Sicherheitsdienste für verdächtig halten? Das BKA lässt mit Antworten auf sich warten.

Björn Kietzmann wüsste gern, was er verbrochen hat. Die Gründe, warum der Fotograf und 31 weitere Journalisten nachträglich vom G20-Gipfel in Hamburg ausgeschlossen wurden, seien „nicht unerheblicher Natur“ gewesen, hat Innenminister Thomas de Maizière (CDU) sie wissen lassen. Seitdem ist die Bitte um eine Auskunft, die Kietzmann beim Bundeskriminalamt (BKA) gestellt hat, dringlicher denn je – und endgültig ein Politikum.

Nur wenn die Gründe bekannt werden, kann die Öffentlichkeit ermessen, ob das BKA verhältnismäßig gehandelt hat. Darauf warten nicht nur die Betroffenen, sondern auch Justizminister Heiko Maas (SPD). Die Pressefreiheit sei „ein sehr hohes Gut“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“. Die Vorwürfe müssten „gründlich aufgeklärt werden“.

32 Journalisten wurden ausgeschlossen

Für Kietzmann könnten sich die Tage der Ungewissheit hinziehen. Eine Woche Wartezeit oder länger sind bei einer Anfrage beim BKA keine Seltenheit. Im Amt wird der Datenschutzbeauftragte die einschlägigen Dateien einsehen und vor einer Auskunft Rücksprache mit der Sicherheitsbehörde halten, die einen Vermerk eingestellt hat. Über die Motive der Behörden wird seit Tagen spekuliert. Einen Verdacht hat die Bundesregierung ausgeräumt: dass ausländische Geheimdienste dahinter stecken könnten.

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    Insgesamt hatte das Bundespresseamt 5101 Medienvertreter überprüft und anstandslos akkreditiert, auch Kietzmann. Aber als er am vergangenen Freitag zum G20-Tagungszentrum in den Hamburger Messehallen will, halten ihn Polizisten an. Es gebe ein Problem, seine Akkreditierung gelte nicht mehr. Kietzmann ist entgeistert, verlangt Aufklärung und wird nach eigenen Angaben vom BKA ans Bundespresseamt verwiesen – und wieder zurück.

    Keine konkreten Gründe gegen den Ausschluss

    23 weitere betroffene Journalisten kriegen von all dem nichts mit, weil sie ihre Akkreditierung gar nicht erst abgeholt hatten. Neun wird tatsächlich der Zugang verweigert – nicht weil neue Vorwürfe im Raum stehen, sondern weil für die Behörden eine neue Lage entstanden war, wie das Bundesinnenministerium erläuterte. Ein Insider aus dem Sicherheitsapparat wagt einen Erklärungsversuch: Erst hatte man sich für eine „großzügige“ Akkreditierung entschieden und geplant, in Zweifelsfällen Journalisten zu „begleiten“, im Klartext: zu beschatten. Als dann in Hamburg die Krawalle eskalieren, sind die Polizeikräfte gebunden – also entschließt man sich, im Zweifel die Akkreditierungen zu widerrufen.

    Über die Dinge, die den Argwohn von Polizei und Geheimdienste geweckt haben könnten, kann man nur spekulieren: Nähe zur linken Szene, Sympathie mit Gewalttätern – und sei es nur im Internet – , Teilnahme an einer Hausbesetzung. Jeder Betroffene hat das Recht, die Gründe zu erfahren und sie gerichtlich überprüfen zu lassen.

    Der Journalist wurde in der Türkei in Gewahrsam genommen

    Kietzmann traf es unerwartet, weil er seit vielen Jahren fotografiert – bislang ohne Probleme mit den Behörden. Früher war er schon beim Obama-Besuch in Berlin dabei, begleitete Soldaten in Afghanistan, reiste zum G7-Gipfel. „Ich habe keine Ahnung, was jetzt vorgefallen sein soll.“

    Spielte seine Berichterstattung aus Griechenland eine Rolle? Damals habe er im Flüchtlings-Camp Idomeni fotografiert, begleitete Menschen bei ihrer Flucht über die Grenze und wurde gemeinsam mit Dutzenden anderen Journalisten von der mazedonischen Polizei festgehalten.

    Spielte der Türkei-Besuch eine Rolle? Im Oktober 2014 reiste Kietzmann mit anderen Fotografen ins syrisch-türkische Grenzgebiet, begleitete einen Hilfskonvoi ins kurdische Kobane, das unter den Folgen des Krieges mit der Terrororganisation IS litt. Doch an der Grenze kam der Konvoi nicht weiter. Dort nahmen türkische Polizisten die Journalisten fest. Ein Beleg für einen Zusammenhang fehlt bisher.