Ankara. Zum Gedenken an die Niederschlagung des Putsches haben Feierlichkeiten begonnen. Erdogan entlässt indes weiterhin Staatsbedienstete.

Mit „Demokratiewachen“, Kundgebungen und Ausstellungen wird in der Türkei seit Dienstag an den Putschversuch vor einem Jahr erinnert. Die islamisch-konservative Regierungspartei AKP rief die Bevölkerung auf, sich in dieser Woche allabendlich auf Plätzen und Straßen zu versammeln. Zum Auftakt der Gedenkfeiern besuchte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag Gräber von Opfern des Putschversuchs.

In der Nacht des 15. Juli 2016 hatten sich in Istanbul, Ankara und anderen Städten Hunderttausende Bürger den putschenden Soldaten und ihren Panzern in den Weg gestellt. Dabei verloren etwa 250 Menschen ihr Leben.

„Marsch“ über die Bosporusbrücke in Istanbul

Ihren Höhepunkt sollen die Gedenkfeiern am kommenden Sonnabend, dem Jahrestag erreichen. „Die Nation wird auf den Straßen sein und die symbolischen Orte des Widerstandes aufsuchen“, kündigte AKP-Sprecher Mahir Ünal an. Zu den Feierlichkeiten gehört ein „Marsch der nationalen Einheit“, der über die Bosporusbrücke in Istanbul führen soll. Sie wurde inzwischen in „Brücke der Märtyrer des 15. Juli“ umbenannt. Bei den Kämpfen um die Brücke kamen in der Putschnacht viele Menschen ums Leben. Dort will Erdogan am Sonnabend auch ein Denkmal enthüllen.

Am Mittag soll in Ankara das Parlament zu einer Sondersitzung zusammentreten. Vor den Abgeordneten will Erdogan am Sonntagmorgen um 2.32 Uhr eine Ansprache halten. Das ist jener Moment, in dem die Putschisten ein Jahr zuvor mit einem Kampfflugzeug das Parlamentsgebäude bombardierten.

Ein Auftritt in Deutschland wird noch geprüft

Die Regierung plant auch im Ausland Gedenkfeiern, stößt dabei aber auf Schwierigkeiten. Österreich untersagte am Montag aus Sicherheitsgründen einen geplanten Auftritt von Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci in Wien. In Deutschland wird der Antrag eines türkischen Politikers für einen Auftritt anlässlich des Jahrestages noch geprüft. Die Bundesregierung hatte erst vergangene Woche eine geplante Rede Erdogans vor Landsleuten in Deutschland untersagt.

Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu forderte die Anhänger seiner Partei auf, an den Gedenkfeiern zum Jahrestag des Putschversuchs teilzunehmen. Kilicdaroglu hatte mit Zehntausenden Gleichgesinnten von Mitte Juni bis zum vergangenen Sonntag durch einen 425 Kilometer langen „Marsch für Gerechtigkeit“ von Ankara nach Istanbul für die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze und die Achtung der Menschenrechte in der Türkei demonstriert.

Ein festgenommener Deutscher bleibt noch in Haft

Unterdessen setzt Erdogan die „Säuberungen“ fort, in deren Verlauf seit dem Putschversuch bereits 138.000 Menschen aus dem Staatsdienst entlassen und 116.000 Personen festgenommen wurden. Am Montag wurden 42 Mitarbeiter von zwei Istanbuler Universitäten festgenommen, nach 30 weiteren wird noch gefahndet. Auch 43 aktive und frühere Mitarbeiter des Büros des Ministerpräsidenten wurden in Polizeigewahrsam genommen. Es soll sich um Anhänger des Exilpredigers Fethullah Gülen handeln.

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    Erdogan sieht in seinem einstigen Verbündeten Gülen, mit dem er sich vor einigen Jahren überwarf, den Drahtzieher des Putschversuchs. Der Geistliche lebt seit 1999 in den USA. Bemühungen der türkischen Regierung um seine Auslieferung blieben bisher ohne Erfolg. Am Dienstag erließen die Justizbehörden auch Haftbefehle gegen 105 Technologie-Experten. Sie sollen die Putschisten unterstützt haben.

    Ein Deutscher, der vergangene Woche in Istanbul bei einem Workshop von Menschenrechtlern festgenommen wurde, bleibt mindestens weitere sieben Tage in Haft. Zusammen mit dem Deutschen waren auch ein schwedischer Referent sowie acht türkische Menschenrechtler festgenommen worden. Gegen sie wird wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation ermittelt.