Berlin. Justizminister Maas bittet seine europäischen Kollegen um Unterstützung. Sie sollen helfen, Täter aus dem Ausland zu identifizieren.

Nach den Krawallen beim G20-Gipfel laufen die Aufräumarbeiten. Schäden werden beseitigt, Opfer entschädigt, Täter zur Rechenschaft gezogen – unter Hochdruck. Justizminister Heiko Maas (SPD) ruft in einem Brief seine europäischen Kollegen auf, Hilfeersuchen aus Hamburg „vordringlich“ zu bearbeiten. Und für die Entschädigung stellt die Bundesregierung eine Regelung schon in den „nächsten Tagen“ in Aussicht.

Beim Hilfsfonds für die Opfer des Vandalismus stehen Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Wort, schnell und unbürokratisch zu helfen. Die Größenordnung und die Modalitäten sind offen. Es ist Aufgabe der Behörden in der Hansestadt, den Schaden zu regulieren. Sie müssen zuvor feststellen, wie groß der Gesamtschaden ist und wer Anspruch auf Hilfen hat. Die Senatsbehörden werden die Anlaufstelle für die Antragsteller sein, während der Bund „nur“ Finanzier ist. Die Regierung würde die Hälfte der Kosten tragen, vielleicht auch mehr.

Versicherung und Fonds müssen verrechnet werden

Das Geld ist eingeplant für die Opfer der Gewalt und um Beschädigungen zu beseitigen: Autos wurden in Brand gesetzt, Geschäfte geplündert. Dass die Inhaber der Läden obendrein für Einnahmeausfälle entschädigt werden, ist zwar denkbar, aber eher unwahrscheinlich.

Kompliziert wird es, wenn Geschädigte zugleich Versicherungsansprüche haben, die wiederum mit den Zahlungen aus dem Fonds verrechnet werden müssten. Deswegen prüfen die Beamten nach den Informationen unserer Redaktion ein einfaches Prozedere, das Autofahrern bekannt vorkommen dürfte: Die Geschädigten wenden sich an den Härtefallfonds und treten ihre Versicherungsansprüche ab. Die Vorteile: Sie bekommen das Geld sofort, und der Fonds wendet sich an die Versicherungen. So geht keine Zeit verloren, und im Konfliktfall hat die Versicherungswirtschaft es mit einem mächtigen Verhandlungspartner zu tun: mit dem Staat. Nebenbei könnten der Bund und die Hansestadt sich an den Versicherungen schadlos halten und einen Teil ihrer Ausgaben refinanzieren.

Es dürfte um Millionensummen gehen

Ähnlich verfahren viele Opfer von Autounfällen – sie treten ihre Ansprüche an die Werkstatt ab. Ob dieses Modell zum Zuge kommt, ist offen. Das Finanzministerium gibt sich zugeknöpft und beteuert lediglich, die Gespräche mit dem Senat liefen seit Sonntag „sehr gut, eng und partnerschaftlich“. Das ist glaubhaft, weil das Anliegen erstens Chefsache und zweitens – anders als bei der Fluthilfe – nur ein Land betroffen ist; das macht es einfacher. Ganz zu schweigen von der Dimension. Beim G20-Fonds dürfte es eher um Millionensummen als um Milliardenbeträgen gehen. Am Montag wurde zeitweilig geprüft, auf einen Fonds für Terroropfer zurückzugreifen, der nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt eingerichtet worden ist. Gegen die Lösung entschied man sich, weil der Fonds für Opfer von Gewalt vorgesehen ist, in Hamburg die Sachbeschädigungen aber stark zu Buche schlagen.

Steinmeier "schockiert und fassungslos" über Gewalt

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    Zur Identifikation der Täter bittet Justizminister Maas seine europäischen Kollegen, der deutschen Justiz und den Sicherheitsbehörden zu helfen. „Viele Fotos und Videoaufnahmen werden jetzt ausgewertet, um die Täter namhaft zu machen. Dabei sind wir auch auf die Unterstützung unserer ausländischen Partner angewiesen“, heißt es in dem zweiseitigen Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt.

    Europäische Haftbefehle sollen vollstreckt werden

    „Bitte lassen Sie deutsche Rechtshilfeersuchen im Zusammenhang mit den G20-Taten von Ihren nationalen Behörden vordringlich bearbeiten“, schreibt Maas. Zugleich fordert er sie auf, rasch Europäische Haftbefehle zu vollstrecken, die von deutscher Seite ausgestellt werden. Die Sicherheitsbehörden sind schockiert, weil der Anteil der ausländischen Störer in Hamburg in die Hunderte geht. „Für politische Gewalt, ganz gleich welcher Art die Motive sind, darf in der EU kein Platz sein“, mahnt Maas.

    Es geht nicht nur um die Ahndung der Taten, die in Hamburg begangen worden sind, sondern auch um Vorbeugung. Die Zusammenarbeit solle so verbessert werde, „dass nicht beim nächsten Gipfeltreffen ein anderer Staat und eine andere Stadt von europäischen Krawalltouristen heimgesucht werden.“ Als Beispiel nennt er die europaweite Sicherung von Beweismitteln im Cyberspace. „Politische Extremisten und europäische Krawalltouristen koordinierten ihre grenzüberschreitenden Aktivitäten vor allem über das Internet“, so Maas. Deshalb sei es wichtig, „dass solche Beweise gesichert und dem Mitgliedsstaat zur Verfügung gestellt werden, der am Ende von Gewalttaten betroffen ist.“