Hamburg. Dass der G20-Gipfel in Hamburg stattfindet, ist umstritten. Kritiker sagen, der erhoffte Image-Push für Hamburg sei ein trügerischer.

Mehr als 15.000 Polizisten aus der ganzen Republik, 100.000 Demonstranten aus aller Welt, das Stadtzentrum weitgehend zur bürgerfreien Sperrzone erklärt, Schulen, Geschäfte und ganze Betriebe geschlossen: Hamburg steht mit dem G20-Gipfel ein Ausnahmezustand bevor. Man darf getrost auch schärfer von einem Belagerungszustand sprechen.

Und das alles, weil sich 19 Staats- und Regierungschefs (

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) ausgerechnet im Zentrum einer Großstadt wie Hamburg treffen sollen. Warum nicht besser in eher friedlicher naturnaher Umgebung? Sie würde das Nachdenken über die Zukunft des Globus eher beflügeln als das Eingesperrtsein in einen Cordon sanitaire. Vor allem aber würden Bürger nicht über Gebühr in ihren Freiheitsrechten eingeschränkt.

Merkel lud G7-Teilnehmer ins Ostseebad Heiligendamm ein

Dass es auch anders geht, hat Angela Merkel mit einer Art „Landverschickung“ bereits zweimal vorgemacht. 2007 lud sie als Gastgeberin die Mächtigen der Welt ins mecklenburgische Ostseebad Heiligendamm, 2015 ins oberbayrische Ellmau. Zugegeben, das war nur ein G8- und sieben Jahre später – ohne Putin – ein G7-Treffen.

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    Aber wenn die mittlerweile völlig aufgeblähten Delegationen der 19 Staats- und Regierungschefs (pro Delegation sollen es mehrere Hundert Mitglieder sein!) endlich wieder auf ein vernünftiges Maß reduziert würden, ließen sich auch in Deutschland Tagungsorte außerhalb von Großstädten für die Regierenden aus aller Welt bei gleichzeitig weniger aufwendigen Sicherheitsvorkehrungen finden. Noch wichtiger: Viel weniger Menschen wären von den Zumutungen tagelanger bürgerkriegsähnlicher Zustände betroffen.

    Berlusconi wollte Erdbebenopfern 2009 Zeichen der Hoffnung geben

    Ausgerechnet Italiens leidiger Ex- Premier Silvio Berlusconi hat beim Gipfeltreffen 2009 ein einmaliges Zeichen gesetzt: Er verlegte das Treffen von der Insel La Maddalena vor Sardinien in das gerade von einem Erdbeben in den Abruzzen weitgehend zerstörte L’Aquila. Man traf sich damals in einer verschont gebliebenen Kaserne. Berlusconi wollte damit die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf das Katastrophengebiet lenken und den Bewohnern ein Zeichen der Hoffnung geben. Es geht also auch bescheidener.

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      Natürlich hat die Bundesregierung Recht wenn sie sagt, sie dürfe sich letztlich nicht von Chaoten vorschreiben lassen, wer eingeladen wird und wo man sich trifft. Aber angesichts eines Demonstrationsrechts, das in Deutschland ein sehr weitgehendes ist, sollte sich die Regierung im Interesse der Bürger auch darüber Gedanken machen, ob Aufwand und Ertrag solcher Mammutveranstaltungen noch in einem zu rechtfertigenden Verhältnis stehen.

      Image-Push für Hamburg

      Die G20 sind keine internationale Organisation und treffen keine verbindlichen Beschlüsse. Die Abschlusserklärungen sind von den Sherpas weitgehend vorbereitet. So liegt der tiefere Sinn in den persönlichen Gesprächen zwischen den Staats- und Regierungschefs. Und damit im Ausloten dessen, was jeder von ihnen bereit und willens ist, zur Entschärfung der Krisen unserer Zeit vom Klima über den Terror bis zum Krieg in Syrien beizutragen.

      Wichtig, aber dafür muss wahrlich keine ganze Stadt und deren Bürger in Haftung genommen werden. Und selbst der erhoffte weltweite Image-Push für Hamburg als Tor zur Welt ist ein trügerischer. Neben dem obligatorischen Gruppenfoto ist nämlich zu befürchten, dass Demonstrationsbilder eher negative Eindrücke aus der Hansestadt vermitteln. Deshalb die Empfehlung für den nächsten Gipfel in Deutschland: Mal wieder zu einer „Landpartie“ einladen.