Berlin. Der AfD-Landesverband Bayern möchte jungen Linksextremen den „Weg zurück zur Demokratie“ zeigen – durch Treffen mit Parteimitgliedern.

Was dem Verfassungsschutz seit Jahren nicht vernünftig gelingt, will jetzt die bayerische AfD in die Hand nehmen. Via Twitter und Facebook präsentierte der Landesverband seine neue Aktion „Antifa-Ausstieg jetzt“. Dort erklärt die Partei, Jugendlichen dabei helfen zu wollen, „dem linksextremen Teufelskreis zu entkommen“.

Die Instrumente des „Aussteiger-Programms“, wie es der Landesverband auf Facebook genannt hat, sind schnell aufgezählt: eine Mail-Adresse, ein Online-Kontaktformular und eine Webseite – antifa-ausstieg.de – mit einer kurzen Ansprache an die betroffenen Jugendlichen.

AfD-Mitglieder führen Erstgespräche

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„Eine linksradikale Ideologie führt zur Verachtung anderer Meinungen bis hin zu offenem Hass gegen weite Teile der Gesellschaft und den Staat“, heißt es dort. „Akzeptiere andere Meinungen und man wird dir zuhören. [...] Wir hören zu, Wir helfen dir!“

Der „Weg zurück zur Demokratie“, wie er auf der Webseite beworben wird, soll laut Landesverbands-Sprecher nach dem Erstkontakt über Gespräche mit Parteimitgliedern führen. Wer diese Gespräche im Einzelnen führe, das müsse man noch „verteilen“, hieß es gegenüber unserer Redaktion.

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    AfD Bayern will Aussteigerhilfe nicht als Profilierungsmaßnahme verstanden wissen

    Das Ganze sei nicht als Profilierungsmaßnahme oder Wahlwerbung zu verstehen. Vielmehr, so liest man auch auf der Homepage und in den Social-Media-Beiträgen, seien die „rund 10.000 linksextremen Straftaten jährlich bei steigender Tendenz“ ein Warnhinweis gewesen, der ein nicht näher benanntes „Parteigremium“ auf die Idee der Aussteigerhilfe brachte.

    Tatsächlich allerdings ist die Zahl politisch motivierter Straftaten von links zuletzt als eine der ganz wenigen im Meldesystem „Politisch motivierte Kriminalität (PMK)“ zurückgegangen. Im Vergleich zu 2015 sank die Zahl im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent auf 9389, wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im April mitteilte. Gewaltdelikte von Linksextremen gingen sogar deutlich zurück – um 24,2 Prozent auf 1702.

    Die meisten politisch motivierten Straftaten verübten 2016 Jahr Neonazis und andere Rechte. Die Polizei führt 23.555 Delikte (2015: 22 960) in ihrer Statistik, darunter 1698 Gewalttaten (2015: 1485). Ein Mensch starb – der Polizist, der im vergangenen Oktober im bayerischen Georgensmünd von „Reichsbürger“ Wolfgang P. erschossen wurde.

    Andere AfD-Landesverbände angeblich „sehr, sehr interessiert“

    Besonders deutlich war der Anstieg der Fallzahlen aus dem Bereich der „politisch motivierten Ausländerkriminalität“ – wenn auch auf weit niedrigerem Niveau. Dies sind laut Polizei Delikte, die „durch aus dem Ausland ‘importierte’ Ideologien motiviert“ sind, auch durch islamistischen Extremismus. Registriert wurden hier im vergangenen Jahr 3372 Straftaten – 66,5 Prozent mehr als 2015.

    Natürlich halte man bei der AfD Bayern auch Aussteigerprogramme, die sich an andere Extremisten wenden, für denkbar. Geplant seien sie aber noch nicht. Dafür konnte der AfD-Sprecher verkünden, dass sich schon am Freitag, also zwei Tage nachdem man die Aktion der Öffentlichkeit präsentierte, Interessenten gemeldet hätten. Zahlen könne man freilich nicht nennen. Genauso wenig wie die „sehr, sehr interessierten Landesverbände“ der AfD benannt werden konnten, die sich bei ihren bayerischen Parteikollegen nach „Antifa-Ausstieg jetzt“ erkundigt hätten.

    Auch beim Bundesverfassungsschutz versucht man seit Jahren, jungen Menschen den Ausstieg aus der linksextremen Szene zu erleichtern. 2011 wurde stolz eine Aussteige-Hotline präsentiert, die rund um die Uhr für Interessenten geschaltet ist. Hilfe bei der Job- und Wohnungssuche, Kontakte zu Justiz und Behörden, Vermittlung von „Qualifizierungsmaßnahmen“ wurden Aussteigewilligen in Aussicht gestellt – nach Gesprächen mit geschultem Personal.

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      Hotline des Verfassungsschutzes ermöglichte nur einen Ausstieg

      Das Angebot geriet schnell in die Kritik, weil in den ersten drei Jahren nur einmal tatsächlich dadurch einem Mann der Ausstieg ermöglicht wurde. Der Großteil der wenigen Anrufe waren nicht mal ernst gemeint, bei den meisten anderen kamen keine Anschlussgespräche zustande. Und das trotz zugesicherter Anonymität und Vertraulichkeit. Bei der AfD werden im Kontaktformular auf „antifa-ausstieg.de“ eine Mail-Adresse (Pflichtfeld) und ein Name (Pflichtfeld) abgefragt.

      Auf Twitter erntete bei dem Thema allerdings nicht die AfD die größte Resonanz. Sechs Retweets und 14 Likes für den Ankündigungs-Tweet der AfD Bayern stehen 133 Retweets und 194 Likes für einen Tweet der Linken-Politikerin Katharina König gegenüber. Ironisch hatte die Thüringer Landtagsabgeordnete geschrieben: „Das nennt man wohl zielgruppengerechte Ansprache: `Deutschland lieben lernen!`“ Viele Kommentatoren des Tweets bezweifeln, dass das Konzept des „Aussteiger-Programms“ für tatsächliche Aussteigerhilfe taugt.

      Wie der Sprecher der Bayern-AfD unserer Redaktion mitteilte, sei der Vorstoß jedoch in der Tat ernst gemeint. Man rechne durchaus mit weiteren Anfragen.