Berlin. NRW-CDU-Chef Armin Laschet könnte die Ausrichtung der Bundespartei bis nach Angela Merkel prägen. Ein Porträt des CDU-Hoffnungsträgers.

Eine Hürde muss er noch nehmen, die Ministerpräsidentenwahl am Dienstag in Düsseldorf. Das ist keine bloße Formsache, dafür sind die

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dann doch zu eng. Für Armin Laschet (CDU), für den designierten elften Regierung

CDU und FDP unterschreiben Koalitionsvertrag in NRW

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    chef von Nordrhein-Westfalen kommt es auf jede Stimme an.

    Fünf Jahre Zeit hat Laschet an der Spitze einer Koalitionsregierung mit der FDP. „Wir wollen, dass es losgeht“, beschreibt Laschet die Stimmung in den eigenen Reihen. Wer ist der CDU-Mann, der zu neuen Ufern aufbricht?

    Laschet hat nie vergessen, wo er herkommt

    Als sich am

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    und Laschet seinen Anhängern dankt, steht in der ersten Reihe ein Mann und hat Tränen in den Augen: sein Vater. Laschets Familienchronik ist auch die Geschichte eines Versprechens: Aufstieg durch Bildung.

    Der Vater war Bergmann in der Grube „Anna I“ in Alsdorf, Steinkohle, Aachener Revier. Nachts arbeitet er, tagsüber büffelt er, um Lehrer zu werden. „Mikätzchen“ nennt man in den 60er-Jahren diese Quereinsteiger. Es sind die Babyboomer-Jahre. Weil Lehrer fehlen, legt Kultusminister Paul Mikat (CDU) ein Programm für Seiteneinsteiger auf.

    Laschet hat nie vergessen, wo er herkommt. Den sozialen Aufstieg organisieren ist ihm bis heute ein Anliegen – und ein sozialdemokratisches Thema. Nicht die schlechteste Erzählung für einen CDU-Mann, der sich anschickt, das rote NRW zu regieren.

    Koalition mit der FDP könnte eine Sogwirkung entfalten

    Der Zufall will es, dass binnen sechs Monaten

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    sind, die gerade einmal sieben Kilometer voneinander entfernt leben: der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz aus Würselen und Laschet, „ein echter Öcher“, Aachener von Geburt und mit Inbrunst. Karneval, Reitturnier, Dom, Dreiländereck – hier ist Heimat, hier ist Europa. In Aachen-Burtscheid, wo er geboren wird und schon mit 28 Jahren Ratsherr ist, lebt er noch heute mit seiner Frau Susanne, die er beim Kinder- und Jugendchor kennenlernte und mit der er seit 1985 verheiratet ist und drei Kinder hat.

    Laschet ist schon Vizechef der Bundespartei. Nach seinem Wahlerfolg im größten Bundesland rückt er urwüchsig in den Kreis derer auf, die

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    bis in eine Zeit nach Angela Merkel prägen könnten. NRW stellt ein Drittel der Delegierten auf Parteitagen und zudem die Vorsitzenden der Jungen Union und der Senioren-Union, der Mittelständler wie der Sozialpolitiker. Auch die Koalition mit der FDP könnte über das Bundesland hinaus politische Sogwirkung entfalten.

    Umweg über Brüssel hat Laschet nicht geschadet

    Laschets Aufstieg ist ein Sieg der Hartnäckigkeit. Wenn er seine Ziele nicht auf direktem Wege erreichen kann, nimmt er jeden Umweg. 2010 zieht er beim Rennen um den CDU-Vorsitz den Kürzeren gegen Norbert Röttgen – und abermals 2012 im Landtag bei der Wahl des Fraktionschefs gegen Karl-Josef Laumann. Die Kanzlerin ist hilfreich, holt Laumann 2013 als Patientenbeauftragten nach Berlin. So wird der Posten des Fraktionschefs frei und Laschet unbestritten Oppositionsführer.

    Dass Laumann gleich nach der NRW-Wahl für das Kabinett gehandelt wurde, ist gleichwohl nicht überraschend. Laschet ist ein versöhnlicher Typ. Ein früherer Kollege im Kabinett Jürgen Rüttgers erinnert sich an das Abschiedsessen der Ministerriege nach ihrer Abwahl 2010 in einem Ausflugslokal am Rhein. Laumann und Laschet gehören zu den Letzten und legen den kilometerlangen Weg nach Düsseldorf im Morgengrauen zu Fuß zurück. Werden auf diesem Marsch auch Machtverhältnisse geklärt?

    Das größte Drama: der verlorene Wahlkreis 1998

    Mit Wolfgang Bosbach, den der 56-Jährige zuletzt in sein Wahlkampfteam als Law-and-Order-Mann holte, kommt der Jurist und Journalist 1994 in den Bundestag und zählt als junger Abgeordneter zur Pizza-Connection, jener schon legendären Runde von Abgeordneten der CDU und der Grünen.

    1998 verliert Laschet den Wahlkreis gegen die Sozialdemokratin Ulla Schmidt, bis heute sein größtes Drama. Laschet geht ins EU-Parlament und ist dort für Nato und UN zuständig. „Er war sehr international ausgerichtet“, erinnert sich der CDU-Abgeordnete Peter Liese, sein Büronachbar in Brüsseler Tagen. Liese erzählt es, um das Bild eines Provinzpolitikers zu korrigieren. Der Umweg über Brüssel ist 2005 zu Ende, als Rüttgers einen Mann für das Kabinett sucht.

    Laschet führte das erste Integrationsministerium in Deutschland

    Der neue Ministerpräsident will ein Signal der Erneuerung setzen, in NRW und darüber hinaus: Er macht Laschet zum Minister für Generationen, Familie, Frauen und Integration. Es ist das erste Integrationsministerium in Deutschland. Nebenbei soll Laschet die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorantreiben – als Ausweis der Modernität. Laschet ist unverbraucht, kein Ideologe, für ihn spricht zugegeben auch der Regionalproporz, aber mehr als alles andere seine Offenheit. Rüttgers erkennt: Der hat Potenzial. Laschet dankt es ihm und kniet sich in die Aufgabe rein, schreibt fortschrittliche Papiere für die CDU, sucht und pflegt den Kontakt zu den muslimischen Verbänden. Er veröffentlicht ein Buch mit dem Titel „Die Aufsteigerrepublik. Zuwanderung als Chance“. Im Titel stecken seine Herzblutthemen. Bald nennt man ihn in der CDU „Türken-Armin“.

    Als der Aachener Karnevalsverein 2013 dem Grünen-Chef Cem Özdemir den Orden wider den tierischen Ernst verleiht, kalauert der Laudator: „Ich weiß genau, was Cem Özdemir auf Deutsch heißt: Armin Laschet.“ Der Laudator heißt Martin Schulz, und er weiß genau, dass er damit Laschet in den eigenen Reihen suspekt macht: Ein Liberaler, ein Grünen-Versteher, ein Ausländerfreund – der konservative Teil der CDU fremdelt. Auch mehr Biss hat man vermisst, doch ihm geht es darum, „in der Sache hart, aber trotzdem menschlich fair“ zu sein. Sein Ex-Büronachbar Liese meint, Laschet sei tief verwurzelt im katholischen Glauben, „da kann man vieles ableiten“.

    Aus christlicher Überzeugung Merkels Flüchtlingspolitik unterstützt

    Seit Jugendtagen ist er in der Kirche aktiv, in seinem Büro hängen Bilder von ihm und Päpsten. 2007 sind seine Fraktionskollegen „bass erstaunt“ (Laschet), als ihm die seltene Ehre zuteil wird, die Windeln Jesu vorzuführen. Es kommt nur alle sieben Jahre vor, dass der Aachener Dom seine Reliquien herausholt. Laschet ist ergriffen, gerade weil er die Bedeutung der Heiligtümer für Aachen kennt. „Entscheidend ist dabei nicht die Echtheit der Windeln, sondern die Tatsache, dass an diesen Reliquien fast 700 Jahre Glaubenstradition dranhängen.“

    Gerade auch aus christlicher Überzeugung hat er Merkels Flüchtlingspolitik unterstützt. Selbstredend hält Laschet die AfD für Katholiken für nicht wählbar, wie er im CDU-Vorstand sagte.

    Über sein Privatleben weiß man wenig, er raucht Zigarillos mit dem eher seltenen Araperique-Tabak, gibt gelegentlich Fußballwetten ab und hört gern Opern. Liese erreicht ihn mal am Handy auf der Fahrt zu einem Konzert mit Anna Netrebko. Die Ferien verbringt Laschet am Bodensee, die Urlaubslektüre – Krimi, Geschichtsbücher – besorgt ihm seine Frau, eine Buchhändlerin.

    Manchmal verzettelt er sich, „Klausur-Affäre“ belastet ihn

    Laschet ist das Klischee eines Rheinländers, eine Frohnatur, gemütlich, leutselig und dabei doch zurückhaltend. Sein mangelnder Ordnungssinn ist berüchtigt. Im Juni 2015 kommen ihm Klausuren abhanden, die er als Lehrbeauftragter der Universität Aachen gestellt hatte. Das hält Laschet nicht davon ab, Noten zu vergeben, sogar an Studenten, die keine Arbeiten geschrieben hatten. Da hatte er den Überblick verloren. Laschet wird einen guten Staatskanzleichef brauchen. Einen Organisator.