London. Premierministerin Theresa Mays Konservative Partei hat die Wahl in Großbritannien gewonnen. Doch ihre absolute Mehrheit ist in Gefahr.

Die britischen Wähler haben Premierministerin Theresa May eine Zitterpartie beschert. Nach Hochrechnungen könnte sie mit ihren Konservativen sogar die absolute Mehrheit verloren haben. Noch sind aber nicht alle Stimmen ausgezählt.

Die konservative Partei ist in der Unterhauswahl einer ersten Prognose zufolge zwar stärkste Kraft geworden. Nach der Nachwahlbefragung kommen die regierenden Tories aber nur auf 314 (minus 17) der 650 Sitze, während die Labour-Partei mit ihrem Chef Jeremy Corbyn deutlich zulegt und mit 266 (plus 34) Mandaten rechnen kann.

Corbyn fordert May zum Rücktritt auf

Damit könnte Mays Partei nicht ohne Partner an der Macht bleiben und wäre auf einen Koalitionspartner angewiesen. Die kritische Marke liegt bei 326 Sitzen.

Corbyn forderte die Premierministerin angesichts der Zitterpartie zum Rücktritt auf. Sie habe mit ihren Konservativen Sitze, Stimmen, Unterstützung und Vertrauen verloren, sagte er in der Nacht. „Das ist wirklich genug, um zu gehen und Platz zu machen für eine Regierung, die wirklich alle Menschen dieses Landes repräsentiert.“

Ergebnis wird erst am Nachmittag erwartet

Kommentatoren wiesen darauf hin, dass die Zahlen noch ungenau sein könnten und eine absolute Mehrheit noch möglich sei. Das amtliche Endergebnis wird am Freitagnachmittag veröffentlicht.

Ex-Finanzminister George Osborne bezeichnet die Prognose als „komplett katastrophal“ für May und ihre Konservativen. Das britische Pfund gab im Vergleich zum Euro ungewöhnlich deutlich um 1,5 Prozent nach.

Liberale wollen keine Koalition mit May

Mays Wahlkampf-Strategie und ihre ungelenkes Auftreten in der Öffentlichkeit hatten ihr viel Kritik eingebracht. „Was immer das endgültige Ergebnis sein wird, unser positiver Wahlkampf hat die Politik zum Besseren verändert“, teilte Corbyn über Twitter mit. Der Altlinke ist vor allem bei jungen Wählern beliebt und hat im Wahlkampf auf soziale Themen gesetzt.

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Als Koalitionspartner für May stünden nur die Liberaldemokraten zur Verfügung, die aber als einzige landesweite Partei einen Brexit noch verhindern wollen. Sie kommen der Prognose zufolge auf 14 Sitze und gewinnen damit sechs Sitze hinzu. Ein Sprecher der Liberaldemokraten sagte, er könne sich nur schwer vorstellen, wie seine Partei in eine Koalition eintreten könnte.

Die protestantische nordirische Partei DUP schloss ein Bündnis mit den Konservativen nicht aus, um May zu einer Mehrheit im Parlament zu verhelfen. Beide Parteien hätten eine Menge an Gemeinsamkeiten, sagte ein ranghoher Vertreter der DUP, die zuletzt acht Sitze im Parlament hatte.

Der ehemalige Chef der EU-feindlichen Partei Ukip, Nigel Farage, sagte am Donnerstagabend: „Wie auch immer das wirklich ausgeht, die Konservativen brauchen einen Anführer, der an den Brexit glaubt.“ Ukip muss laut der Prognose mit deutlichen Verlusten rechnen.

Die britischen Premiers seit 1940

Winston Churchill war von 1940 bis 1945 Premierminister und führte Großbritannien durch den Zweiten Weltkrieg. Seit 1940 haben 12 Männer und zwei Frauen das Amt des britischen Premiers bekleidet. Wir stellen alle Kandidaten vor.
Winston Churchill war von 1940 bis 1945 Premierminister und führte Großbritannien durch den Zweiten Weltkrieg. Seit 1940 haben 12 Männer und zwei Frauen das Amt des britischen Premiers bekleidet. Wir stellen alle Kandidaten vor. © Getty Images | Central Press
Clement Richard folgte Churchill behütet.
Clement Richard folgte Churchill behütet. © imago | ZUMA/Keystone
Er war von 1945 bis 1951 der britische Premier.
Er war von 1945 bis 1951 der britische Premier. © imago stock&people | imago stock&people
Der konservative Sir Winston Churchill kam 1951 bis 1955 das zweite Mal zum Zug.
Der konservative Sir Winston Churchill kam 1951 bis 1955 das zweite Mal zum Zug. © Getty Images | Hulton Archive
Anthony Eden war von 1955 bis 1957 Premierminister des Vereinigten Königreichs.
Anthony Eden war von 1955 bis 1957 Premierminister des Vereinigten Königreichs. © Getty Images | Baron
Harold Macmillian war von 1957 bis 1963 ranghöchster Minister der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland.
Harold Macmillian war von 1957 bis 1963 ranghöchster Minister der Regierung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Sir Alec Douglas-Home war lediglich 363 Tage im Amt – von 1963 bis 1964.
Sir Alec Douglas-Home war lediglich 363 Tage im Amt – von 1963 bis 1964. © imago stock&people | imago stock&people
Harold Wilson – umringt von den „Beatles“ – war zwischen Oktober 1964 und 1970 Premierminister.
Harold Wilson – umringt von den „Beatles“ – war zwischen Oktober 1964 und 1970 Premierminister. © Getty Images | Central Press
Edward Heath wurde am 20. Juni 1970 gewählt.
Edward Heath wurde am 20. Juni 1970 gewählt. © Getty Images | Harry Todd
Der konservative Politiker blieb bis 1974 im Amt.
Der konservative Politiker blieb bis 1974 im Amt. © imago | imago
Harold Wilson wurde im März 1974 zum zweiten Mal zum britischen Premier gewählt. Er blieb bis März 1976 im Amt.
Harold Wilson wurde im März 1974 zum zweiten Mal zum britischen Premier gewählt. Er blieb bis März 1976 im Amt. © Getty Images | Central Press
James Callaghan war von 1976 bis 1979 Premierminister.
James Callaghan war von 1976 bis 1979 Premierminister. © imago/ZUMA/Keystone | imago stock&people
Margaret Thatcher wurde 1979 als erste Frau in das Amt gewählt.
Margaret Thatcher wurde 1979 als erste Frau in das Amt gewählt. © imago | Photoshot
„Die Eiserne Lady“ übte ihr Amt ohne Unterbrechung und länger als jeder andere britische Premierminister des 20. Jahrhunderts aus – bis 1990.
„Die Eiserne Lady“ übte ihr Amt ohne Unterbrechung und länger als jeder andere britische Premierminister des 20. Jahrhunderts aus – bis 1990. © Getty Images | Keystone
John Major folgte Margaret Thatcher im November 1990. Er blieb bis 2007.
John Major folgte Margaret Thatcher im November 1990. Er blieb bis 2007. © imago | sepp spiegl
Tony Blair war von 1994 bis 2007 Vorsitzender der Labour-Partei und ...
Tony Blair war von 1994 bis 2007 Vorsitzender der Labour-Partei und ... © Getty Images | Christopher Furlong
... von 1997 bis 2007 dann der britische Premier.
... von 1997 bis 2007 dann der britische Premier. © imago | UPi Photo
Gordon Brown war von Juni 2007 bis Mai 2010 Premierminister des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland – sowie Vorsitzender der Labour-Partei.
Gordon Brown war von Juni 2007 bis Mai 2010 Premierminister des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland – sowie Vorsitzender der Labour-Partei. © imago stock&people | UPI Photo
David Cameron bekleidete das Amt vom 11. Mai 2010 bis zum 13. Juli 2016. Er trat zurück, nachdem die britischen Wähler sich für den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union entschieden hatten.
David Cameron bekleidete das Amt vom 11. Mai 2010 bis zum 13. Juli 2016. Er trat zurück, nachdem die britischen Wähler sich für den Austritt des Vereinigten Königreiches aus der Europäischen Union entschieden hatten. © REUTERS | REUTERS / CARLOS BARRIA
Theresa May wurde am 13. Juli 2016. zur britischen Premierministerin gewählt.
Theresa May wurde am 13. Juli 2016. zur britischen Premierministerin gewählt. © REUTERS | REUTERS / STEFAN WERMUTH
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Versucht Labour eine Koalition zu schmieden?

Auch könnte die sozialdemokratische Labour-Partei auf Partnersuche gehen und versuchen, eine Mehrheit zu schmieden. Sie könnte sich mit den schottischen Nationalisten und den Liberaldemokraten zusammentun. Die beiden haben sich gegen einen Brexit ausgesprochen. Damit wäre auch nicht ausgeschlossen, dass es ein zweites Referendum zu dieser Frage gibt.

Die für Schottlands Unabhängigkeit kämpfende Partei SNP verlor der Prognose zufolge viele Sitze. Die Nationalpartei der Schotten mit ihrer Chefin Nicola Sturgeon kommt nur noch auf 34 Sitze. Bei der vorangegangenen Wahl im Jahr 2015 hatte die SNP noch 56 von 59 möglichen Sitzen geholt. Die Partei stellt sich nur in Schottland zur Wahl.

So geht es jetzt weiter mit dem Brexit

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    Nach den Terroranschlägen in Großbritannien hatte May angekündigt, im Kampf gegen den Terror notfalls auch Menschenrechte einzuschränken. Diese Aussage hatte ihr viel Kritik eingebracht.

    „May schoss Eigentor der Saison“

    Umfragen hatten Mays Tories durchgehend vorn gesehen, allerdings war ihr Vorsprung vor Herausforderer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei in den vergangenen Wochen stark geschrumpft. Nach den Terroranschlägen in London und Manchester war May unter Druck geraten, weil in ihrer Amtszeit als Innenministerin Polizei-Stellen gestrichen worden waren. Auch Vorschläge zur Sozialpolitik waren bei den Briten nicht gut angekommen.

    Die vorgezogene Neuwahl hatte die Premierministerin im April überraschend angekündigt mit dem Ziel, sich mehr Rückendeckung für die anstehenden Brexit-Verhandlungen zu holen. Zu diesem Zeitpunkt lagen ihre Konservativen in Umfragen noch deutlich vor Labour. „Ich glaube, Theresa May hat das Eigentor der Saison gewonnen“, kommentierte süffisant der ehemalige englische Fußball-Nationalspieler Gary Lineker.

    Harte Brexit-Verhandlungen stehen an

    Mit May als Premierministerin müsste sich die Europäische Union (EU) auf harte Brexit-Verhandlungen einstellen, die am 19. Juni beginnen sollen. Die Konservative betonte, Großbritannien werde die EU eher komplett ohne Einigung verlassen, als einen „schlechten Deal“ zu akzeptieren. May hatte das Amt der Regierungschefin im vergangenen Jahr von David Cameron übernommen, nachdem eine knappe Mehrheit der Briten in einem Referendum für den Brexit gestimmt hatte. (dpa/rtr)