London. Premierministerin Theresa May lobt die Haltung ihrer Bürger nach dem schwersten Terroranschlag seit 2005. Der laufende Wahlkampf ruht.
Großbritannien kommt nicht zur Ruhe. Exakt zwei Monate nach dem Terroranschlag in der Nähe des Londoner Parlaments reißt eine Explosion am späten Montagabend zahlreiche Menschen in den Tod: Dieses Mal trifft es die Besucher eines Popkonzerts in Manchester. Es ist der schwerste Terroranschlag in Großbritannien seit 2005. Damals zündeten vier Muslime mit britischem Pass in der U-Bahn und einem Bus Sprengsätze. 56 Menschen starben, etwa 700 wurden verletzt.
Noch in der Nacht rief Premierministerin Theresa May den Oppositionsführer Jeremy Corbyn von der Labour-Partei an und vereinbarte, dass der gerade laufende Wahlkampf für die vorgezogenen Unterhauswahlen am 8. Juni fürs Erste ausgesetzt wird. Am Dienstagmorgen fand die erste von mehreren Sitzungen des Krisenkomitees COBRA statt, auf der die wichtigsten Spitzen von Polizei, Geheimdiensten und zuständigen Ministerien zusammen mit der Regierungschefin die Lage beraten.
Identität des Täters
Danach trat Theresa May vor die Tür von Nummer zehn Downing Street, dem Regierungssitz, und wendete sich mit einer Stellungnahme an die Nation. Die Bürger von Manchester, sagte die Premierministerin, seien Opfer einer gefühllosen Terrorattacke geworden, die „wehrlose junge Leute“ ins Visier genommen hätten. Sie verdammte die „entsetzliche, widerliche Feigheit“ der Tat. Sie sagte, dass die Sicherheitsdienste davon ausgehen, die Identität des Täters zu kennen, aber zu diesem Zeitpunkt seinen Namen nicht bestätigen wollen.
Viele Tote und Verletzte bei Konzert
„Er hat Zeit und Ort absichtlich so gewählt, um das größtmögliche Blutbad anzurichten.“ Die Terrorwarnstufe bleibe bei dem zweithöchsten Level „severe“, also: ernst, was bedeute, dass eine Attacke sehr wahrscheinlich sei. Zuletzt wurde nach Angaben der Polizei im Durchschnitt jeden Tag eine Person im Zusammenhang mit einem Terrorverdacht festgenommen. Und May sprach davon, dass man sich vom Terror nicht einschüchtern lasse: „Der Geist von Manchester, der Geist von Großbritannien“, so May, „ist niemals gebrochen worden und wird niemals brechen. Der Terror wird nicht triumphieren. Unsere Werte werden immer siegen.“
Zentraler Wahlkampfslogan
So zynisch es klingen mag, für den Wahlkampf des Labour-Chefs Jeremy Corbyn hätte der Anschlag nicht ungelegener kommen können. Labour hatte in den letzten Tagen in den Umfragen aufholen und einen fast zwanzigprozentigen Vorsprung der Konservativen auf neun Prozent verringern können. Nicht nur gebietet es die politische Pietät jetzt, dass sich alle im Land um die Premierministerin scharen und dem Angriff auf die Nation geschlossen die Stirn bieten. Der politische Streit muss ausgesetzt werden, das einzige Thema wird auf Tage hinaus der Terroranschlag bleiben.
Theresa May kann in Zeiten der Krise ihre Rolle als Regierungschefin ausspielen und – was ihr zentraler Wahlkampfslogan war – ihre „starke und stabile Führerschaft“ unterstreichen. Wenn sich die Briten jetzt vorstellen sollten, wie, verglichen mit der stählernen Entschlossenheit Theresa Mays, der ungelenke, uncharismatische und oft konfus agierende Jeremy Corbyn die Rolle des Premierministers ausfüllen würde, dann fällt ihnen die Wahl zwischen May und ihm sehr leicht.
Menschlichkeit und Mitgefühl
Je ernster die Lage, desto besser die Chancen für die Premierministerin, die den Wahlkampf ja auch ganz auf die nationale Schicksalsfrage, wie der Brexit ein Erfolg gemacht werden soll, ausgerichtet hatte. May ist noch am Dienstagnachmittag in Manchester eingetroffen, um sich ein Bild von der Lage zu verschaffen. Gemeinsam mit der britischen Innenministerin Amber Rudd besuchte die Regierungschefin das Hauptquartier der Polizei in Manchester.
Auch die britische Königin Elizabeth II. hat den Opfern des Terroranschlags von Manchester ihr Beileid ausgesprochen. Die ganze Nation sei schockiert über die vielen Toten und Verletzten, die nur ein Konzert genossen hatten, hieß es in einer Mitteilung des Palastes. „Ich möchte meine Bewunderung dafür ausdrücken, wie die Menschen von Manchester mit Menschlichkeit und Mitgefühl auf diese barbarische Tat reagiert haben“, sagte die Queen demnach.