Berlin. Ein Interview von Torsten Albig habe Wählerinnen abgeschreckt, sagt die SPD. Meinungsforscher sehen andere Gründe für die Schlappe.

Wenn sich Politiker von ihrer menschlichen Seite zeigen, kommt das beim Wähler gut an. So mag sich das auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) vor der Wahl am Sonntag gedacht haben. „Wir müssen auch die Menschen hinter den Politikern zeigen“, sagte er neulich dem „Hamburger Abendblatt“. Geholfen hat Albig das nicht. Ein persönliches Interview, das er vor gut zwei Wochen der Illustrierten „Bunte“ gab, entwickelte sich für ihn und die SPD zum PR-Desaster. Nun sucht seine eigene Partei darin den Grund für die Wahlniederlage in Schleswig-Holstein.

Nicht nur Feministinnen befremdete, in welchem Ton Albig im Interview mit der Illustrierten über die Trennung von seiner Ehefrau sprach: „Irgendwann entwickelte sich mein Leben schneller als ihres. Wir hatten nur noch ganz wenige Momente, in denen wir uns auf Augenhöhe ausgetauscht haben.“ Seine Frau sei in der Rolle als Mutter und Managerin des Hauses „gefangen“ gewesen, erklärte er.

Frauen von Albigs Aussage abgeschreckt

Am Tag nach der Wahl machte SPD-Generalsekretärin Katarina Barley diese Äußerungen Albigs verantwortlich für die Wahlschlappe im nördlichsten Bundesland. Es sei „nicht mehr so sehr um politische, um Gerechtigkeitsthemen“ gegangen, „sondern eher um Dinge wie das Privatleben des Ministerpräsidenten“, sagte sie im NDR. „So sehen wir auch, dass offensichtlich vor allem Frauen weniger die SPD gewählt haben.“

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    Von Albigs Äußerungen abgeschreckte Frauen hätten die SPD um den Wahlsieg gebracht, so die Lesart der Sozialdemokraten. Auf keinen Fall soll die Niederlage im Norden mit Martin Schulz und der Bundes-SPD in Verbindung gebracht werden. Stimmt die These?

    Interview sei nicht ausschlaggebend

    Tatsächlich zeigen Wähleranalysen von Infratest Dimap: Bei Frauen über 35 Jahren hat die SPD überdurchschnittlich stark verloren. Der Stimmenanteil nahm in der Gruppe der 35- bis 44-Jährigen um vier Prozentpunkte ab im Vergleich zur vorangegangen Landtagswahl 2012. Bei den 45- bis 59-Jährigen sank die Wählerzahl um fünf Punkte. Unter jungen Frauen bis 24 Jahren hingegen schnitt die SPD überdurchschnittlich stark ab. Am Stimmenverhältnis zwischen weiblichen und männlichen SPD-Wählern änderte sich daher insgesamt zu 2012 kaum etwas. Immer noch wurde die Partei von Frauen und Männern gleichermaßen gewählt.

    Matthias Jung, Geschäftsführer der Forschungsgruppe Wahlen hält die Datenlage nicht für ausreichend, um Barleys These zu stützen. Die Wahlniederlage sei durch mehrere Gründe zu erklären: „Da spielen sicher die unzureichenden Kompetenzwerte bei den wichtigen Themen Bildung und Verkehr eine Rolle.“ Ähnlich sieht es der Geschäftsführer von Infratest Dimap, Nico Siegel: Albigs Äußerungen in der „Bunten“ könnten den Trend womöglich verstärkt haben. „Aber allein ausschlaggebend war das Interview nicht. Für den Wahlausgang sind immer mehrere Faktoren zu beachten.“

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      „Albig gehörte nie zu den beliebtesten Ministerpräsidenten“

      Den Grund für das schwache Abscheiden in Schleswig-Holstein sieht der Meinungsforscher trotzdem beim SPD-Spitzenmann. „Torsten Albig gehörte nie zu den beliebtesten Ministerpräsidenten“, so Siegel. Auch die Zufriedenheitswerte der Landesregierung seien zwischen Nord- und Ostsee nur mittelmäßig gewesen. „Es ist dem Spitzenkandidaten offensichtlich nicht gelungen, erfolgreich Wahlkampf zu führen, sich als beliebter und empathischer Landesvater zu inszenieren.“

      Für Siegel sind es landesspezifische Themen, die zur SPD-Niederlage geführt haben. Auch der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Martin Schulz hingegen sei nicht verantwortlich für das schwache Ergebnis, so der Wahlforscher. Doch geholfen habe Schulz seiner Partei auch nicht: „Im Moment jedenfalls hat die SPD nicht mehr so viel Rückenwind wie im Frühjahr.“